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Gemeinsames Gedenken. Bundeskanzlerin Angela Merkel legte zusammen mit Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki am Freitagnachmittag am Grabmal des Unbekannten Soldaten in Warschau einen Kranz nieder.
© Bernd von Jutrczenka/dpa

Regierungskonsultationen: Streit um Migrationspakt belastet deutschen Besuch in Polen

Gemeinsam mit 14 Ministern war Kanzlerin Angela Merkel zu Regierungskonsultationen nach Warschau gereist. Die Gespräche offenbarten zahlreiche Differenzen.

Fast schon verbissen ist das Lächeln der beiden Regierungschefs Angela Merkel und Mateusz Morawiecki. Mit 14 Fachministern ist die Kanzlerin zu den traditionellen deutsch-polnischen Regierungskonsultationen in Warschau angereist, nun sollen die Ergebnisse dieses Arbeitstages für die Presse zusammengefasst werden. „Wir können diskutieren“, stellt der nach Kommunalwahlen innenpolitisch wieder etwas gestärkte Premier fest. Allerdings sei man vor allem beim Thema Flüchtlinge unterschiedlicher Meinung, so der Pole.

Mit der Anrede „lieber Matthias“ versucht die Kanzlerin eine Charmeoffensive für den Polen. „Umso besser wir uns kennen, desto besser können wir zusammenarbeiten“, sagt Merkel schließlich, nachdem sie daran erinnert hat, dass die Verhandlungen über das neue EU-Budget erst nach den Europawahlen in die entscheidende Phase gingen.

Im Raum steht dabei immer noch der Vorschlag, EU-Transferzahlungen direkt an die Einhaltung rechtsstaatlicher Prinzipien in den Mitgliedstaaten zu knüpfen. Dies könnte Polen – wie auch Ungarn und Rumänien – teuer zu stehen kommen. In Warschau jedoch haben beide Regierungschefs die umstrittene polnische Justizreform gar nicht erst angesprochen.

Die Kaczynski-Regierung hat zwar in den vergangenen Tagen durchblicken lassen, der einstweiligen Verfügung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in Luxemburg nachkommen zu wollen. Etwa zwei Dutzend zwangspensionierte Richter des Obersten Gerichts sollen demnach wieder eingestellt werden. Doch man will sich damit allerdings reichlich Zeit lassen, wie den Verlautbarungen der Regierungspartei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) bisher zu entnehmen war.

Das mag die deutschen Regierungsvertreter bei ihrem Warschau-Besuch gefreut haben. Doch für merkliche Unruhe sorgte die Ankündigung Morawieckis, dass Polen – ähnlich wie Österreich, Tschechien und die USA – den UN-Migrationspakt „höchstwahrscheinlich“ nicht unterzeichnen werde. Das in der ersten Jahreshälfte erarbeitete und von Berlin unterstützte, rechtlich nicht bindende Dokument soll im Dezember in Marokko unterschrieben werden. „Unsere souveränen Entscheidungen haben für uns Priorität“, begründet Morawiecki die Ablehnung. Polen sei indes weiterhin – wie schon im EU-Rahmen – bereit, mit Grenzschützern auszuhelfen.

Konkrete Ergebnisse der Regierungskonsultationen waren im Vorfeld nicht erwartet worden. In den vielen Gesprächsthemen sollte es unter anderem um die gemeinsame Finanzierung der Jugendbegegnungsstätte in Kreisau und einen substanziellen deutschen Beitrag für die Dauerausstellung auf dem Gelände des ehemaligen deutschen Vernichtungslagers in Sobibor gehen.

Gaspipeline, Justizreform, Reparationen - es gibt genügend Streitthemen

Auch wollen Polen und Deutschland, die 2019 zusammen als nichtständige Mitglieder im UN-Sicherheitsrat vertreten sein werden, danach trachten, dort gemeinsam an einem Strang zu ziehen. Darüber wollten sich die beiden Außenminister Maas und Czaputowicz verständigen. Der Pole hatte zudem Anfang der Woche angekündigt, das Streitthema der deutsch-russischen Gaspipeline Nord Stream 2 in der Ostsee nicht unter den Tisch fallen zu lassen. „Nord Stream führt dazu, dass die EU abhängiger von den Lieferungen aus Russland wird, Moskau wird Druck auf die EU ausüben können“, gab Czaputowicz zu bedenken.

Merkel äußerte dazu vor der Presse in Warschau nur die deutsche Absicht, trotz des umstrittenen Pipelinebaus, der sowohl die Ukraine wie Polen als Transitländer umgehen wird, weiterhin auf einen russischen Gastransit durch die Ukraine zu drängen. Sichergestellt werden soll dies laut Diplomaten durch den erhöhten Gasverbrauch in der EU.

Im Vorfeld der Regierungskonsultationen hatte vor allem der lange Zeit als deutschlandfreundlich geltende junge Staatspräsident Andrzej Duda für böses Blut gesorgt. Zuerst provozierte er einen Eklat beim Deutsch-Polnischen Forum in Berlin, als er Fragen zur Justizreform mit einer Attacke auf die angeblich unfreie und dazu noch polenfeindliche deutsche Presse auswich. Letzte Woche dann erklärte Duda dazu in einem Interview mit der „Bild“-Zeitung, deutsche Reparationen für den Zweiten Weltkrieg seien „kein erledigtes Thema“. Allerdings erhebt derzeit nicht die Regierung solche Forderungen, sondern im Sejm ist eine Expertengruppe damit befasst. Wann sie ihre Ergebnisse und Forderungen präsentieren wird, ist bislang unklar.

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