Union und SPD: Streit um Migration belastet Groko-Verhandlungen
Beim Thema Familiennachzug prallten SPD und CSU am Sonntagabend aufeinander. Im Bereich Gesundheit und Pflege sollen die Gespräche hingegen schon weit sein.
CDU, CSU und SPD sind unter großem Erfolgsdruck in die entscheidende Marathonwoche ihrer Koalitionsverhandlungen gestartet - und gleich zu Beginn hakt es. Beide Seiten steckten am Wochenende ihre Kompromiss- und Grenzlinien ab. Am Sonntagabend zeichnete sich ein heftiger Streit beim Thema Familiennachzug ab. Aus Teilnehmerkreisen hieß es, der Arbeitsgruppe Migration stehe eine harte Woche bevor. SPD-Chef Martin Schulz hielt sich trotz parteiinternen Drucks die Option offen, als Minister in ein viertes Kabinett Merkel zu gehen.
In der Arbeitsgruppe zum Thema Migration habe es bereits zu Beginn einen Schlagabtausch zwischen den Unterhändlern von SPD und CSU, Ralf Stegner und Andreas Scheuer, gegeben. Der CDU-Verhandlungsführer, Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier, sei um Schlichtung bemüht gewesen. Von anderer Seite hieß es, Stegner habe im Prinzip das in den Sondierungen erzielte Migrationspaket wieder aufschnüren wollen. Die Verhandlungen hätten aus Zeitgründen vertagt werden müssen.
SPD-Chef Martin Schulz hatte zuvor von der Union erneut Entgegenkommen bei den drei zentralen Nachbesserungswünschen des Bonner SPD-Parteitags zum Sondierungspapier gefordert. Sowohl beim Familiennachzug für Flüchtlinge mit eingeschränktem Schutzstatus, als auch im Kampf gegen die „Zwei-Klassen-Medizin“ und bei der Befristung von Jobs ohne sachlichen Grund müssten Union und SPD zusammenkommen, sagte Schulz am Sonntag in der ARD-Sendung "Bericht aus Berlin". „Wir sind da kompromissbereit in jedem Fall. Aber wir erwarten auch Bewegung von der Union.“
Schulz erklärte auch, er werde erst nach einem Ja der Parteimitglieder zu einer neuen großen Koalition endgültig entscheiden, ob er als Minister in ein schwarz-rotes Kabinett geht. „Über Personalfragen redet man am Ende von erfolgreichen Verhandlungen“, sagte Schulz in der Sendung.
Auf mehrfache Nachfragen der Moderatorin Tina Hassel ergänzte Schulz: Nach erfolgreichen Koalitionsverhandlungen „muss ich die SPD-Basis überzeugen, dass das ein gutes Ergebnis war. (...) Und wenn wir alles abgeschlossen haben, dann reden wir in der SPD über Personen.“ Die Mitglieder würden entscheiden, ob die SPD in eine Koalition eintreten dürfe. „Und dann weiß man, wer in die Regierung gehen kann.“
Söder fordert mehr Unterstützung bei Abschiebungen
In der Flüchtlingspolitik forderte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) die SPD auf, „einen Vorschlag zu machen, wie sie sich die konkrete Ausgestaltung beim Thema Familiennachzug vorstellt“. Der „Passauer Neuen Presse“ sagte er: „Entscheidend ist, dass der Korridor von insgesamt 180.000 bis 220.000 humanitären Zuzügen pro Jahr nicht überschritten wird.“ Dies könnte als Signal an die SPD verstanden werden, dass bei den Härtefallregelungen doch noch Spielraum ist.
"Wichtig ist, dass das auch immer vollziehbar ist", kommentierte Bayerns Finanzminister Markus Söder (CSU) im "Bericht aus Berlin" die Frage nach den Zuwanderungszahlen. Der designierte bayerische Ministerpräsident forderte deshalb auch "mehr Unterstützung aus Berlin" bei Abschiebungen.
Dreyer erwartet "sehr schnell" Ergebnisse bei Gesundheit und Pflege
SPD-Vize Manuela Schwesig verlangte vor den Beratungen von der Union einen Kompromiss bei der sachgrundlosen Befristung von Arbeitsverhältnissen. "Es geht nicht darum, jetzt noch etwas draufzusatteln", sagte die Ministerpräsidentin Mecklenburg-Vorpommerns am Sonntagabend. "Es geht darum, dass sich die große Koalition auch großen Aufgaben widmet", sagte sie. Dazu gehörten die Themen Bildung und Verbesserungen in der Arbeitswelt. "Und die sachgrundlose Befristung ist für viele, gerade junge Menschen ein großes Problem in der Familienplanung." Deshalb müssten sich CDU, CSU und SPD hier auf eine Lösung einigen.
Ihre rheinland-pfälzische Kollegin Malu Dreyer lobte Fortschritte in der Arbeitsgruppe Gesundheit und Pflege, die sie auf SPD-Seite leitet. "Wir haben schon ganz viele Absprachen über das Wochenende getroffen", sagte sie. Sie sei zuversichtlich, "sehr schnell" zu Ergebnissen zu kommen. Die schwierigsten Punkte wie die von der SPD geforderte Verbesserung der Situation von gesetzlich Versicherten werde aber in der Spitzenrunde besprochen.
Merkel, Seehofer und Schulz treffen sich in CDU-Zentrale
Die Parteivorsitzenden von CDU, CSU und SPD kamen am Sonntag zu einem weiteren Spitzentreffen zusammen. CDU-Chefin und Bundeskanzlerin Angela Merkel, CSU-Chef Horst Seehofer und SPD-Chef Schulz trafen sich am späten Nachmittag in der CDU-Parteizentrale in Berlin. Zuvor war bereits das ganze Wochenende über auf Fachebene beraten worden. Am Abend stießen weitere Spitzenpolitiker der drei Parteien hinzu. Die Koalitionsverhandlungen sollen möglichst bis zum 4. Februar abgeschlossen werden. (isa, dpa, AFP, Reuters)