zum Hauptinhalt
Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter fordert die Wiedereinführung der Vermögenssteuer
© dpa/Violetta Kuhn

Grüne Steuerpolitik: Streit über die Vermögenssteuer

Nach der letzten Bundestagswahl hatten die Grünen sich vorgenommen, nicht mehr über die Steuerpolitik zu streiten. Doch nun droht wieder Ärger.

Bei den Grünen haben viele in diesen Tagen das Gefühl, ein Déjà-Vu zu erleben: Zweieinhalb Jahre nach der letzten Bundestagswahl entzündet sich in der Partei erneut der Streit über die Steuerpolitik. Angefacht wird er durch die beiden wichtigsten linken Flügelvertreter, Parteichefin Simone Peter und Fraktionschef Anton Hofreiter, die sich in den letzten Tagen für eine Wiedereinführung der Vermögenssteuer stark gemacht haben. Beide bevorzugen ein Modell des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), das eine Steuer von einem Prozent pro Jahr auf große Vermögen vorsieht. Für Privatvermögen ist dabei ein Freibetrag von einer Million Euro und für Betriebsvermögen von fünf Millionen Euro vorgesehen.

Grüne wollten Streit über die Steuerpolitik eigentlich vermeiden

Dabei hatten führende Grünen-Politiker zu Beginn der Wahlperiode vereinbart, die Positionierung in der Steuerpolitik vor der nächsten Bundestagswahl gemeinsam anzugehen, um Streit zu vermeiden. Dafür wurde eigens eine Kommission unter Leitung von Parteichefin Peter eingerichtet, die bis zur Sommerpause einen Bericht vorlegen soll. Zwar herrscht bei den Grünen Einigkeit, dass die Partei etwas gegen die wachsende Vermögensungleichheit in Deutschland tun will. Aber das Instrument der Vermögenssteuer ist umstritten.

Dass Peter und Hofreiter nun versuchen, Vorfestlegungen zu treffen, stößt bei Politikern des Realo-Flügels auf Unverständnis. „Ich kenne kein Konzept für eine Vermögenssteuer, das relevant Geld einbringt, ohne mittelständische Unternehmen stark zu belasten“, sagt Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer. Er sei dafür, dass reiche Privatleute mehr Steuern zahlen. „Aber als Baden-Württemberger kann ich Schaden für unseren starken Mittelstand nicht mittragen.“ Durch einen Streit über Steuern werde außerdem die Aufmerksamkeit wieder auf das falsche Thema gelenkt, kritisiert Palmer. "Wir sind im Moment als Vorkämpfer für die Energiewende gefordert, nicht als Steuererhöhungspartei." Hofreiters Initiative erklärt er sich auch mit der bevorstehenden Urwahl, bei der die Parteimitglieder über die beiden Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl 2017 entscheiden sollen. Es sei "legitim", dass Hofreiter vor der Urwahl sein linkes Profil schärfen wolle, sagt Palmer. „Ob wir mit der Forderung nach einer Vermögenssteuer bei der Bundestagswahl wieder mehr Wähler erreichen können, daran habe ich aber starke Zweifel.“

Realo-Politiker kritisieren Vermögenssteuer als "Placebo"

Der wirtschaftspolitische Sprecher der Bundestagsfraktion, Dieter Janecek, kritisierte, die Vermögenssteuer sei „kaum mehr als ein Placebo-Vorschlag“. Als Ergebnis von zwei Jahren Steuerkommission des Bundesverbandes hätte er sich ein stimmiges Gesamtkonzept gewünscht. Stattdessen werde die Diskussion nun auf ein problematisches Einzelinstrument verengt. „Damit wiederholen wir die Fehler von 2013“, sagt Janecek. "Wir brauchen wirksame Konzepte, keine Symbolpolitik, die an den wahren Problemen der Menschen vorbei geht", fordert der Bundestagsabgeordnete aus Bayern.

In die letzte Bundestagswahl waren die Grünen mit einem Bündel von steuerpolitischen Vorschlägen gezogen, die im Nachhinein auch parteiintern auf deutliche Kritik gestoßen waren. Man habe den Wählern in der Summe zu viel zugemutet, lautete die Analyse. Zu den Forderungen im Wahlprogramm gehörten unter anderem die Einführung einer Vermögensabgabe, Steuererhöhungen für Jahreseinkommen ab 60 000 Euro, sowie das Abschmelzen des Ehegattensplittings.

Das DIW rechnet mit Einnahmen von rund zehn Milliarden Euro

Laut Berechnungen des DIW könnte eine Vermögenssteuer in Höhe von einem Prozent theoretisch rund 15 Milliarden Euro an Steuereinnahmen bringen. Faktisch rechnen die Ökonomen allerdings nur mit Einnahmen von rund zehn Milliarden Euro, weil sie von umfangreichen Anpassungsreaktionen ausgehen - etwa durch die Abwanderung von Betrieben, die Umwandlung von Eigen- in Fremdkapital und durch Gewinnverlagerungen. Damit bestünde die Gefahr, dass es an anderer Stelle zu geringeren Steuereinnahmen kommen könnte. Für die Einführung der Vermögenssteuer gebe es außerdem keine politischen Partner, sagt der Grünen-Wirtschaftsexperte Janecek. Sie lenke von den eigentlichen Herausforderungen ab - zum Beispiel, wie man zu einer wertschöpfungsstarken Erbschaftssteuer kommen und Kapitalerträge progressiv besteuern könne.

Fraktionsvize Andreae: "Wir werden keinen Steuerwahlkampf führen"

Die stellvertretende Fraktionschefin Kerstin Andreae sieht die Fokussierung auf die Vermögenssteuer ebenfalls mit Skepsis. „Wir werden keinen Steuerwahlkampf führen. Das sollte die Lehre aus der letzten Bundestagswahl sein“, mahnt die Grünen-Politikerin. „Wir springen zu kurz, wenn wir nur bei der Besteuerung der Reichen ansetzen. Wir sollten auch Konzepte vorlegen, wie wir Menschen mit geringen und mittleren Einkommen unterstützen können, Vermögen aufzubauen – etwa als Wohneigentum oder für die Altersvorsorge."

Aber auch Vertreter des linken Flügels finden es falsch, die Gerechtigkeits-Debatte auf die Vermögenssteuer zu verengen. "Wir brauchen ein Gesamtkonzept für den Kampf gegen soziale Ungerechtigkeit und für soziale Teilhabe für alle. Wenn wir mehr soziale Gleichheit erreichen wollen, müssen wir nicht nur nach oben gucken, sondern auch nach unten", sagt der sozialpolitische Sprecher der Bundestagsfraktion, Wolfgang Strengmann-Kuhn. Studien kämen zum Ergebnis, dass es in Deutschland im internationalen Vergleich eine geringe Belastung von Vermögen gebe, aber auch eine hohe Belastung von Arbeitseinkommen und Geringverdienern. "Die Vermögenssteuer alleine reicht deshalb nicht aus, wir brauchen ein breiten Instrumentenmix", fordert er.

Cordula Eubel

Zur Startseite