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Das Bettenhochhaus der Charité in Berlin-Mitte. Dort werden nicht nur Berliner versorgt.
© Doris Spiekermann-Klaas

Charité im Bundestagswahlkampf: Streik für Personal - und Kritik an der Bundespolitik

Am Dienstag streiken Charité-Pflegekräfte. Es geht erneut um mehr Personal. Wissenschaftsstaatssekretär Steffen Krach (SPD) kritisiert die Bundesregierung.

Die Debatte um die Zukunft der Charité spitzt sich zu. Am Dienstag werden wegen angekündigter Streiks Behandlungen verschoben, während die Klinik nun auch im Bundestagswahlkampf eine Rolle spielt – und dabei einen Streit um die Finanzierung der Kliniken zwischen CDU und SPD auslösen dürfte. Der nicht ausgestandene Tarifkonflikt trägt dazu bei. Die Gewerkschaft Verdi ruft die Pflegekräfte für den 8. August an den Standorten in Mitte, Wedding und Steglitz zum Kurzausstand auf – die Patienten sind informiert. Termine wurden verschoben, Notfälle werden versorgt.

Stehen der Hochschulmedizin wegen ihrer Sonderaufgaben auch Sondermittel zu?

Die landeseigene Universitätsklinik hatte 2016 einen bundesweit einmaligen Tarifvertrag für mehr Personal mit Verdi abgeschlossen: Charité-Vorstand und Gewerkschaft vereinbarten, dass eine Intensiv-Pflegekraft im Schnitt nicht mehr vier, sondern zwei Patienten pro Schicht versorgen müsse. Verdi zufolge wird der Tarifvertrag unterlaufen, der Vorstand verweigere sich wirksamen Kontrollen. Nun schrieben Anästhesie-Pflegekräfte in einem Protestbrief, bessere sich die Lage nicht, lehnten sie Überstunden künftig ab. Der Vorstand bot an, monatlich zu prüfen, ob ein Team zu viele Patienten versorgen musste. Verdi fordert ein Überprüfen pro Schicht und Mitarbeiter.
Letztlich geht es um mehr Geld – was an der Charité zur Frage führt: Stehen den Hochschulkliniken wegen ihrer Sonderaufgaben auch Sondermittel zu? Die Charité muss neben Lehre und Forschung besonders komplexe Krankheitsfälle aus der gesamten Region versorgen. Dafür aber reicht das Geld von Land und Krankenkassen kaum. In der SPD fordern viele den sogenannten Systemzuschlag für die Hochschulmedizin – also Extrageld für Extraaufgaben – und greifen somit die Bundes-CDU an, die Sondermittel ablehnt.

Wissenschaftsstaatssekretär Krach: "Der Bund lässt uns allein"

Berlins Wissenschaftsstaatssekretär Steffen Krach (SPD) sagte dem Tagesspiegel: Der Reformbedarf bei der Finanzierung sei Kanzlerin Angela Merkel (CDU) bekannt, aber Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) habe Verbesserungen blockiert. „Ein fahrlässiges Verhalten, das die Zukunft der Unikliniken aufs Spiel setzt.“ Vor allem für Berlin habe diese Weigerung massive Folgen. „Mit dem größten Uniklinikum Deutschlands übernehmen wir immer wieder auch Aufgaben für den Bund, etwa in Katastrophenfällen wie der Ebola-Pandemie.“

Steffen Krach (SPD), der Staatssekretär für die Wissenschaft in Berlin.
Steffen Krach (SPD), der Staatssekretär für die Wissenschaft in Berlin.
© promo

Die Sonderisolierstation in Wedding steht für Fälle in ganz Ostdeutschland bereit. Ebola, Lungenpest oder das Marburg-Virus-Fieber können dort von 200, für Seuchenfälle trainierten Mitarbeitern behandelt werden. Solche Stationen kosten Millionen Euro im Jahr. „Wir werden mit den Konsequenzen aber vom Bund alleingelassen“, sagte Krach. „Die stark steigenden Investitionen des Landes werden allein nicht ausreichen, um die besonderen Anforderungen an die Charité zu kompensieren.“ Viele Unikliniken schreiben rote Zahlen, die Charité erwirtschaftet ihr Jahresplus nur durch einen rigiden Sparkurs.

"Wir müssen Gröhes Versäumnisse schnell aufholen"

Für alle relevanten Krankenhäuser gilt: Die Kassen zahlen pro Patient und Diagnose eine fixe Summe, oft unabhängig davon was die Behandlung tatsächlich kostete. Die Bundesländer müssen Bauten und Technik finanzieren. Für die meisten der 33 Universitätskliniken reichen die Mittel nicht, auch wenn es Zuschüsse für Forschung und Lehre gibt. In der SPD hoffen die Wissenschaftsexperten auf eine neue Führung in den Bundesministerien. „Wir müssen die nächste Legislaturperiode zwingend dafür nutzen, Gröhes Versäumnisse schnell aufzuholen und die Leistungsfähigkeit der Hochschulkliniken zu sichern“, sagte Krach. „Weitere vier Jahre Untätigkeit kann sich die Hochschulmedizin nicht leisten.“
Der rot-rot-grüne Senat hatte angekündigt, die Charité stärken zu wollen. Der vergangene Woche von Klinikvorstand und Senat unterzeichnete Charité-Vertrag sieht nun vor: Die Gesamtzuschüsse sollen bis 2022 schrittweise auf 247 Millionen Euro steigen – derzeit liegen sie bei 208 Millionen. Angestrebt werden mehr unbefristete Stellen beim wissenschaftlichen Personal und höhere Löhne für studentische Mitarbeiter. Zudem wird der Rückkauf der teilprivaten Tochterfirma CFM vorbereitet. Auch deren Beschäftigte hatten immer wieder gestreikt.

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