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Frankreichs Präsident Macron redet auf Gastgeber Donald Trump ein.
© AFP/Ludovic Marin

Macron und Merkel in den USA: Strahlemann und Prügelmädchen bringen dieselbe Botschaft

Frankreichs Präsident Macron ist der Lieblingseuropäer des US-Präsidenten. Kanzlerin Merkel ist die Ungeliebte. Trotzdem haben beide gemeinsame Interessen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Christoph von Marschall

Politik ist eine Partnertauschbörse. Treue zählt wenig. Nichts sieht älter aus als das Traumpaar von gestern. Politik lebt zudem von der Kunst der Erzählung; sie wirkt oft prägender als die Fakten. Das transatlantische Narrativ dieser Woche handelt von der Wachablösung an der Spitze Europas. Emmanuel Macron besucht zu Wochenbeginn die USA. Donald Trump wird ihn als Lieblingseuropäer empfangen. Am Freitag kommt Angela Merkel nach Washington.

Für Barack Obama war sie die Nummer eins in Europa. Mit François Hollande konnte er wenig anfangen. Für Trump hingegen ist Merkel das Prügelmädchen: Deutschland schade anderen mit seinem Exportüberschuss und zahle nicht mal seinen fairen Nato-Anteil für die Freihaltung der Handelswege. Zusätzlich erregt er sich über das deutsch-russische Pipelineprojekt Nord Stream 2; es richte sich gegen die Interessen treuer Verbündeter wie Polen und die Baltischen Staaten.

Es wird ein scharfer Kontrast. Für Macron gibt’s den Champagner und die Ehre des ersten offiziellen Staatsbesuchs der Trump-Ära. Merkel muss mit verbalen Ohrfeigen rechnen. Was hat sich geändert? Warum tut sie sich das an? Und stimmt das Narrativ – Macron löse Merkel als Europas Galionsfigur ab?

Unübersehbar gilt die amerikanische Redensart „There’s a new sheriff in town“ gleich doppelt. Macron tritt dynamischer als Hollande auf. Und Trump hat andere Prioritäten als Obama. Macron und Trump kämpfen Schulter an Schulter gegen Giftgaseinsätze in Syrien und Terrorzellen in Nordafrika. Ihre Allianz geht aber tiefer. Macron, erzählen seine Berater im Élysée (Präsidentensitz) und am Quai d’Orsay (Außenministerium), habe frühzeitig strategisch entschieden: Die USA sind ein unverzichtbarer Alliierter, unabhängig von der Person des Präsidenten. Er wolle die bestmögliche persönliche Beziehung zu Trump aufbauen. Er hat ihn zum Nationalfeiertag eingeladen und die Militärparade mit ihm abgenommen.

Macron ist der Darling

Ihr Verhältnis ist nicht konfliktfrei. Doch Macron gelingt beides, ohne widersprüchlich zu wirken. Er kritisiert die Ankündigungen Trumps, das Klimaabkommen zu kündigen, den Freihandel zu unterminieren und das Nuklearabkommen mit dem Iran aufzugeben. Und er gesteht zu, was man in Berlin nicht hört: Trump habe in vielem recht. Gegen China, das den Westen über den Tisch ziehe, muss man sich wehren, die Rückzugsräume der Terroristen in Afrika bekämpfen und UN-Prinzipien wie das Verbot von Giftgas durchsetzen. Merkel hingegen signalisiert mit Körpersprache und Blicken größtmögliche Distanz, wenn sie neben Trump steht. Ihre deutsche Öffentlichkeit gefällt sich – anders als die französische – auch anderthalb Jahre nach dessen Wahl in Spott und Verurteilung und entwickelt wenig strategische Gedanken, wie man deutsche Interessen verteidigt.

Kein Wunder, dass Macron jetzt der Darling ist. Und Merkel die Ungeliebte. Er war wie Trump ein unerwarteter Wahlsieger über die Altparteien. Er ist jung, unverbraucht, versprüht Energie. Sie wirkt alt, müde, vorsichtig. Einfluss basiert aber nicht nur auf Ausstrahlung und Waffenbrüderschaft. Auch in der neuen Konstellation bleibt Deutschland die viertgrößte Volkswirtschaft der Erde und Europas Powerhouse. Deutsche Investitionen in den USA übertreffen die französischen bei Weitem. Deutsche Konzerne helfen bei der Reindustrialisierung der USA, ein Ziel für Trump wie Obama.

Inszenierung und Abfolge der Besuche mögen wie ein Wettbewerb um die Gunst Amerikas mit Vorteil Macrons aussehen. Ihn verbinden aber mehr gemeinsame Interessen mit Merkel als mit Trump. Beide reisen jetzt, weil wichtige Entscheidungen anstehen: über Strafzölle zwischen den USA und Europa und über das Atomabkommen mit dem Iran. Auf Dauer sind Fakten vielleicht doch entscheidender als die Narrative. Macron, der Strahler, und Merkel, die Abgewatschte, verkünden dieselbe Botschaft: Europa will Freihandel und Frieden mit dem Iran. Sie sind ein Führungsduo mit verteilten Rollen.

Christoph von Marschall ist erster Helmut-Schmidt-Fellow der ZEIT-Stiftung und des German Marshall Fund of the United States (GMFUS) und arbeitet derzeit in Washington an einer Studie über die Zukunft der Transatlantischen Beziehungen.

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