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Das 1. Polizeirevier auf der Zeil. Wegen möglicher rechter Tendenzen bei Beamten dieses Reviers ermittelt nun das des Landeskriminalamt.
© Boris Roessler/dpa

Rechtsextreme Polizisten: Stich gegen das Vertrauen in den Rechtsstaat

Über soziale Netzwerke werden Teile der Gesellschaft rasend schnell mit Ressentiments verseucht. Prävention muss jeden Polizisten erreichen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Frank Jansen

Es ist nur ein Verdacht, aber er ist ungeheuerlich. Die Frankfurter Anwältin Seda Basay-Yildiz, die im NSU-Verfahren Angehörige von Mordopfern vertritt und sich für den abgeschobenen Gefährder Sami A. engagiert, soll von einem oder mehreren Beamten der Frankfurter Polizei massiv bedroht worden sein.

In dem Fax, das im August bei Basay-Yildiz einging, wird sie obszön beleidigt und der Tod ihrer kleinen Tochter angekündigt, genannt wird zudem die Privatadresse der Familie. Der oder die Unterzeichner bezeichnen sich als „NSU 2.0“. Perfider kann ein Drohschreiben gegen eine Opferanwältin aus dem NSU-Prozess nicht sein. Dass die Ermittlungen der Polizei auf Beamte hindeuten, die in einer Whatsapp-Gruppe Hitlerbilder, Hakenkreuze und rassistischen Parole gepostet haben sollen, macht erst recht beklommen. In Frankfurt kocht offenbar ein Polizeiskandal hoch.

Der Fall ist ein schmerzlicher Stich gegen das Vertrauen in den Rechtsstaat. Dabei schien der sich gerade vom Vertrauensverlust durch den NSU-Komplex erholt zu haben, nachdem die Polizei bei den Ermittlungen zu den Morden an neun Migranten türkischer und griechischer Herkunft die Opfer und ihre Familien lange als kriminell verdächtigt hatte. Im Februar 2012, knapp vier Monate nach dem Ende des NSU, bat Angela Merkel in einer Gedenkrede die Hinterbliebenen um Verzeihung, „die jahrelang selbst zu Unrecht unter Verdacht“ gestanden hatten. Diese Zeit müsse „ein nicht enden wollender Albtraum gewesen sein“.

Erneuter Albtraum

Der Fall Frankfurt, so scheint es, könnte ein erneuter Albtraum sein. Nicht nur, aber gerade auch für Nazigegner, die sich darauf verlassen, dass der Rechtsstaat alles tut, um sie vor rechter Hasskriminalität zu schützen. Es ist ja nicht nur das Treiben einer Whatsapp-Gruppe in Hessen. Zwei SEK-Beamte aus Sachsen trugen im Sommer in Berlin in eine Dienstliste für einen Kollegen „Uwe Böhnhardt“ ein, den Namen eines der NSU-Mörder. Im Herbst wurde bekannt, dass Polizisten mit Soldaten der Bundeswehr, auch aus der Elitetruppe KSK, Netzwerke gebildet haben und über einen Umsturz fantasieren. Bei einer Schießübung der Verschwörer soll auf einem Wanderpokal der Name „Mehmet Turgut“ gestanden haben. Turgut war eines der Mordopfer des NSU.

Wird der Staat von Rechten unterwandert? Der Chef der Gewerkschaft der Polizei, Oliver Malchow, warnt angesichts des Falles in Frankfurt, es bestehe „ein erkennbares Risiko“, dass die Demokratie durch innere Zersetzungsprozesse in Gefahr geraten könne. Das klingt, als zögen Weimarer Zeiten herauf. So weit ist es zwar nicht. Ein Weckruf an Politik und Rechtsstaat erscheint aber nötig.

Deutschland hat sich seit der „Flüchtlingskrise“ verändert. Der Rechtsruck kommt nicht nur mit dem Einzug der AfD in die Parlamente zum Vorschein. Auch Sicherheitsbehörden und Bundeswehr sind betroffen. Natürlich gab es immer schon rechtsextreme Vorfälle in staatlichen Organen, doch heute ist der gesellschaftliche Resonanzboden ein anderer. Über die sozialen Netzwerke werden Teile der Gesellschaft rasend schnell mit rassistischen Ressentiments verseucht. Die Hemmschwellen sinken. Minister und Behördenchefs müssen stärker dagegenhalten. Die präventive Aufklärung muss jeden einzelnen Polizisten im Revier und jeden Soldaten in der Kaserne erreichen. Bevor sich Einzelfälle zu einem Syndrom verdichten.

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