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Schwere Kämpfe in Aleppo.
© REUTERS

Aleppo in Syrien: Sterben einer Stadt

Aleppo war eine enorm bedeutende Stadt. Dann kam der Krieg in Syrien. Der Westen muss endlich handeln, um Aleppo nicht ganz zu verlieren. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Christoph von Marschall

Aleppo ist nicht irgendeine Stadt. Sie ist der kulturelle und ökonomische Mittelpunkt Nordsyriens. Oder muss man sagen: Aleppo war das alles? Aleppo ist eine Stadt im Sterben. Wie Sarajevo in den Balkankriegen. Wie Nikosia im Zypernkrieg. Wie Belfast im nordirischen Bürgerkrieg. Wer ermessen will, was Aleppo für Handel und interkulturellen Austausch zwischen Orient und Okzident samt einer langen Zeit christlich-muslimischer Symbiose bedeutete, kann in Berlin das „Aleppo-Zimmer“ im Pergamonmuseum anschauen. Es wäre zugleich ein Akt der Solidarität. Und der Erinnerung, was diese Stadt sein könnte, wenn sie nicht im Zentrum des grausamsten Bürgerkriegs unserer Tage stünde.

Jetzt wird Aleppo belagert und bombardiert; die letzten Versorgungswege sind abgeschnitten. Dem Versprechen eines unbehelligten Abzugs trauen die Zivilisten nicht. Es sind einige Hunderttausend, die in Aleppo ausharren. Sie fürchten, dass Gefangenschaft, Folter und Tod auf sie warten. Andererseits: Bedeutet nicht auch Bleiben den Tod? Sie wissen, was in vergleichbarer Lage mit der Bevölkerung von Homs geschehen ist, einem anderen Widerstandszentrum, das die Regierungstruppen 2014 nach einem Jahr Belagerung einnahmen. Es blieben nur Ruinen.

Der syrische Bürgerkrieg wird so brutal ausgetragen, weil sich in ihm mehrere Konflikte bündeln und verstärken. Da ist, erstens, der Überlebenskampf des Baath-Regimes gegen die arabische Rebellion; es hat Syrien seit einem halben Jahrhundert beherrscht, den Großteil davon unter Führung des Assad-Clans, obwohl es sich auf die Minderheit der Alawiten stützt, zwölf Prozent der Bevölkerung; sie stellten einen überproportionalen Anteil des Militärs; Vater Assad kam durch einen Militärputsch an die Macht.

Da ist, zweitens, der Religionskonflikt zwischen Sunniten, Schiiten und anderen Bekenntnissen. Rund drei Viertel der Syrer sind Sunniten. Sunnitische Gelehrte haben die Alawiten zu Häretikern erklärt, die es zu vernichten gelte. Die Christen spielen keine aktive Rolle in diesen Machtkämpfen, gelten aber als „Kollaborateure“, da Assad sie schonte. Da sind, drittens, konkurrierende islamistische Terrormilizen. Die Al-Nusra-Front will einen islamischen Staat in Syrien errichten. Der IS strebt ein weit größeres Kalifat unter Einschluss des Irak an.

Die Rolle der USA

Das sind, viertens, die geostrategischen Interessen äußerer Mächte. Russland unterhält in Syrien einen Marine- und einen Luftwaffenstützpunkt, seine einzigen im Mittelmeer. Es fürchtet sie zu verlieren, hat deshalb in den Bürgerkrieg eingegriffen und Assads Sturz zunächst verhindert. Die USA und die europäischen Mächte haben den Sturz der Diktaturen in Arabien hingegen unterstützt, wenn auch zögerlich. Sie wollen nicht so entschieden wie Russland militärisch eingreifen, um nicht in einen eskalierenden Bürgerkrieg hineingezogen zu werden.

Das ist einerseits klug. Die Erfahrungen im Irak und in Afghanistan haben gelehrt, wie begrenzt die Erfolgschancen sind, wenn westliche Truppen, die sich den Kriegsregeln verpflichtet fühlen, auf Gegner treffen, die keine Rücksicht nehmen. Andererseits sind in Aleppo die Folgen der Asymmetrie zu sehen. Der Krieg in Syrien kann nicht militärisch entschieden werden? Assad und Russland beweisen das Gegenteil. Waffenlieferungen in Kriegsgebiete sind immer schlecht? Solange die moderate Opposition sich effektiv wehren konnte, waren Russland und Assad zu Verhandlungen bereit. Seit sie siegen, nicht mehr.

Die USA und Europa stehen vor einer unangenehmen Wahl. Es gibt keine „Guten“, die man bedingungslos unterstützen kann. Der schlimmste Gegner ist der "Islamische Staat". Ihn muss man schonungslos bekämpfen. Aber die Verteidiger in Aleppo und anderen Zentren der moderaten Opposition sollte der Westen zumindest so weit unterstützen, dass Assad und Russland wieder ernsthaft verhandeln, weil ihre eigenen Verluste zu groß werden. Sonst bleibt nur zuzusehen, wie Syriens Städte sterben: gestern Homs, heute Aleppo.

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