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In großer Not. Seit Monaten leiden vor allem die Menschen in den von Rebellen gehaltenen Viertel Aleppos unter massiven Luftangriffen.
© Baraa al Halabi/AFP/AFP

Krieg in Syrien: Schlacht um Aleppo: Ergeben oder kämpfen

Truppen des syrischen Regimes haben Aleppo komplett abgeriegelt und bieten nun Fluchtkorridore an. Viele Aufständische in der Stadt halten das für eine Falle.

Lange hat das Regime darauf hingearbeitet – mit vielen Kämpfern und noch mehr Bomben. Jetzt scheint Baschar al Assad seinem großen Ziel sehr nahe: Aleppo, Symbol des Widerstands gegen den syrischen Machthaber, könnte schon bald vollständig unter Kontrolle der Regierung in Damaskus stehen. Einheiten des Präsidenten haben den von islamistischen und nicht islamistischen Kräften beherrschten Ostteil der einstigen Wirtschaftsmetropole komplett abgeriegelt. Die schätzungsweise 200.000 bis 250.000 noch verbliebenen Menschen sind damit von allen Hilfslieferungen abgeschnitten. „Lebenswichtige Nahrung und dringend benötigtes medizinisches Material kommen nicht mehr hinein“, heißt es bei Ärzte ohne Grenzen.

Assads Amnestie-Angebot

Doch schenkt man Moskaus jüngsten Ankündigungen Glauben, soll den Eingeschlossenen die Möglichkeit gegeben werden, die Stadt zu verlassen. Eigens dafür würden von russischen und syrischen Soldaten Fluchtkorridore eingerichtet. Drei der gesicherten Routen sollen Zivilisten und Aufständischen zur Verfügung stehen, die bereit sind, zu kapitulieren. Ein vierter Weg sei für den Abzug Bewaffneter vorgesehen, wenn diese sich keiner „schweren Verbrechen“ schuldig gemacht haben. Assad stellte außerdem seinen Gegnern eine Amnestie in Aussicht. Wer sich in den kommenden drei Monaten den Behörden stelle, könne mit einer Begnadigung und Straffreiheit rechnen. Bisher gelang laut der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte nur wenigen Frauen, Kinder und Männer die Flucht, auch weil Rebellen sie darin gehindert haben sollen.

Es ist ohnehin fraglich, ob die aufständischen Kämpfer die Angebote ernst- und annehmen. Das Misstrauen ist immens, kaum einer dürfte das Versprechen des verhassten Diktators für bare Münze nehmen. Zu oft hat Assad seine Versprechen gebrochen. Schon zu Beginn des Bürgerkriegs 2011 wollte er die Lage beruhigen und bekundete, alle politischen Gefangenen freilassen zu wollen. Passiert ist das Gegenteil. Abertausende Oppositionelle sind in den Kerkern des Regimes verschwunden. Und nach der Einnahme von Homs war den dortigen Rebellen freies Geleit zugesichert worden. Dennoch wurden hunderte Männer festgenommen. Viele sind nicht mehr aufgetaucht.

Sollten die Rebellen das von syrischen und russischen Kampfjets sturmreif gebombte Aleppo verlieren, wäre das für sie eine empfindliche Niederlage – und ein Triumph für Assad. Seit Mitte 2012 gilt die Stadt als Bastion des Widerstands gegen die Regierung in Damaskus. Gelänge es dem Regime mithilfe seiner russischen und iranischen Verbündeten, Aleppo zurückzuerobern, wäre dies nicht nur ein propagandistisch bedeutsamer Sieg. Es könnte sogar ein militärischen Wendepunkt in diesem Konflikt bedeuten. Denn seit dem Eingreifen Moskaus im September 2015 hat sich Assads Lage deutlich verbessert.

War er bis dahin zeitweise in großer Bedrängnis, ist er Dank Moskaus massiver Unterstützung wieder auf dem Vormarsch. Beobachter gehen schon lange davon aus, dass der Herrscher lieber auf dem Schlachtfeld Fakten schaffen will, als sich auf langwierige Friedensverhandlungen mit ungewissem Ausgang einzulassen. Mehrfach hat er verkündet, unter allen Umständen das gesamte Land wieder unter seine Kontrolle bringen zu wollen. Experten halten es allerdings für unwahrscheinlich, dass ihm das in absehbarer Zeit gelingt.

Amerika und Russland müssen es richten

Dennoch könnte sich Aleppos Fall auf die für Ende August vorgesehene Fortsetzung der Gespräche in Genf auswirken. Beobachter gehen davon aus, dass es nun noch schwieriger werden könnte, Assad Kompromisse abzuringen. Doch in Verhandlungskreisen misst man gerade den kommenden Wochen große Bedeutung bei. Dabei wird vor allem auf die USA verwiesen – neben Russland der zentrale Akteur bei der Suche nach einer Lösung für Syrien. In Amerika stehen die Kandidaten für das Amt des US-Präsidenten fest.

Das heißt aber auch, die Endphase des Wahlkampfs beginnt. Diplomaten vermuten, dass dann kaum noch weitreichende Initiativen oder gar Entscheidungen zu erwarten sind. Dies würde wieder diplomatischen Stillstand zur Folge haben. Weil wohl allein Washington den Kreml dazu drängen könnte, den politischen Druck auf Assad zu erhöhen.

Derweil gehen die Angriffe auf Aleppo und benachbarte Orte unvermindert weiter. Offenbar werden dafür auch weltweit geächtete Waffen genutzt: Human Rights Watch wirft syrischen und russischen Einheiten vor, Streubomben einzusetzen. Und diese Art Munition habe bereits Dutzenden Menschen das Leben gekostet.

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