Kriminelle Vereinigung?: Staatsanwaltschaft ermittelt gegen „Zentrum für politische Schönheit“
Das „Holocaust-Mahnmal“ in Bornhagen und sein juristisches Nachspiel: Wegen der angekündigten Beobachtung von Björn Höcke ist das ZPS im Visier der Justiz.
Wegen ihrer spektakulären Aktion in Bornhagen im Eichsfeld, dem Wohnort des thüringischen AfD-Chefs Björn Höcke, ist die Künstlergruppe "Zentrum für politische Schönheit" (ZPS) ins Visier der Justiz geraten: Die Staatsanwaltschaft Gera ermittelt gegen deren Gründer Philipp Ruch wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung. Die Ermittlungen laufen seit 16 Monaten.
Das ZPS hatte ein Grundstück nahe des Wohnhauses von Höcke angemietet und dort ein "Holocaust-Mahnmal" nachgebaut. Höcke hatte das Holocaust-Mahnmal in Berlin im Januar 2017 in seiner Dresdner Brandrede als "Denkmal der Schande" bezeichnet und von einer "dämlichen Bewältigungspolitik" gesprochen. Die am 22. November 2017 in Bornhagen gestartete Aktion des ZPS richtete sich vor diesem Hintergrund gegen rechte Umtriebe in der AfD.
Der Erfurter Landtagspräsident Christian Carius (CDU) hatte die Aktion der Künstler damals scharf kritisiert und von einem "ungeheuerlichen Eingriff" gesprochen. Er verglich die Aktion sogar mit den "Zersetzungsmethoden der Staatssicherheit".
Publik geworden sind die am 29. November 2017 eingeleiteten Ermittlungen durch die Antwort der thüringischen Landesregierung auf eine parlamentarische Anfrage des Linken-Landtagsabgeordneten Steffen Dittes. Er fragt regelmäßig nach kriminellen und terroristischen Vereinigungen und erhielt im März die Auskunft, dass gegen eine "Gruppierung von Aktionskünstlern" wegen Paragraph 129 Strafgesetzbuch - Bildung einer kriminellen Vereinigung - ermittelt werde. Es gebe einen Beschuldigten, das Verfahren sei nicht abgeschlossen.
Dieser Beschuldigte ist Philipp Ruch, der Gründer des ZPS. Die Ermittlungen gegen ihn wurden allerdings nicht wegen der Errichtung des Stelenfeldes in Bornhagen eingeleitet, sondern weil die Künstlergruppe im November 2017 selbst erklärt hatte, Höcke gezielt zu beobachten.
Organisierte Abhör- und Ausspähmaßnahmen gegen Höcke?
Die Gruppe habe "in organisierter Weise Abhör- und Ausspähmaßnahmen gegen den Abgeordneten Höcke angekündigt" und sich damit selbst einer Straftat bezichtigt, erklärt der Sprecher der Staatsanwaltschaft Gera, Martin Zschächner. Demnach besteht nicht nur der Verdacht, dass Höcke abgehört worden sein könnte, auch seien möglicherweise mit Teleobjektiven Aufnahmen aus seinem Intimbereich gefertigt und Daten abgefangen worden.
Ansatz für die Ermittler gibt unter anderem Paragraph 201 StGB, Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes. Wann die Ermittlungen abgeschlossen sein werden, konnte Zschächner nicht sagen. Das vom Grünen-Politiker Dieter Lauinger geleitete Justizministerium in Thüringen kommentiert das laufende Ermittlungsverfahren nicht.
In einem vom ZPS verbreiteten Videoclip hieß es 2017: "Weil das Bundesamt für Verfassungsschutz Björn Höcke nicht beobachtet, läuft hier seit der Dresdener Rede eine der auffälligsten Langzeitbeobachtungen des Rechtsradikalismus‘ in Deutschland." Und weiter: "Werden Sie Teil unseres Teams. Beobachten Sie den bekanntesten Brandstifter Deutschlands." Ob Höcke tatsächlich beobachtet wurde, blieb indes unklar.
Ramelow nannte das ZPS "wirklich armselig"
Höcke selbst sah sich damals bedroht. Er nannte die Künstlergruppe im November 2017 auf einer Konferenz des rechten "Compact"-Magazins in Leipzig eine "terroristische Vereinigung". Und sagte: "Wer so etwas tut, ist in meinen Augen ein Terrorist." Deshalb sei das ZPS keine Künstlergruppe. "Sie ist eine kriminelle Vereinigung. Ja, sie ist eine terroristische Vereinigung."
Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) nannte die Künstlergruppe im Dezember 2017 damals "wirklich armselig", sie habe mit ihren Aktionen in Bornhagen jeden Respekt verspielt.
Der Linken-Abgeordnete Dittes protestierte am Mittwoch dennoch scharf gegen die Ermittlungen, mit denen das ZPS zu Unrecht kriminalisiert werde. Das Vorgehen der Staatsanwaltschaft sei "ungeheuerlich", ausgesendet werde ein "gesellschaftspolitisch verheerendes Signal", sagte Dittes dem Tagesspiegel. Das "Zentrum für politische Schönheit" als Gruppe sei "keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit". Der Ermittlungsbehörde warf Dittes einen "eklatanten Angriff auf die Kunstfreiheit" vor.
Das "Zentrum für politische Schönheit" protestierte ebenfalls scharf gegen die Ermittlungen. "Der Staat packt eine der schärfsten juristischen Waffen - die sich gegen Schwerstkriminelle richtet - gegen das Zentrum und die verfassungsrechtlich garantierte Kunstfreiheit aus", hieß es auf der Homepage. "Wir sollen ausgeleuchtet, kriminalisiert und stigmatisiert werden." Und: "Wenn radikale Kunst kriminalisiert wird, handelt der Staat kriminell." Das ZPS rief seine Anhänger auf, für die nun angeblich dringend notwendige "juristische Verteidigung" zu spenden.
Die Aktionskunstgruppe unter der Leitung von Ruch existiert seit 2009. Neben der Errichtung des Holocaust-Mahnmals vor Höckes Haus sorgte sie mit Aktionen wie "Erster Europäischer Mauerfall" für Aufsehen, für die sie 2014 die Gedenkkreuze der Berliner Mauertoten entwendete und an den europäischen Außengrenzen wieder aufbaute, um auf die verstorbenen Geflüchteten aufmerksam zu machen.