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Olaf Scholz gibt sich als Kämpfer gegen den Cum-Ex-Steuerraub.
© Marius Becker/dpa

Cum-Ex-Skandal und ein Millionen-Schaden: Das Tagebuch eines Bankers bringt Olaf Scholz in Erklärungsnot

2016 ließ das Hamburger Finanzamt eine Cum-Ex-Millionenforderung an eine Privatbank verjähren. Ein Banker soll bei seinen SPD-Kontakten interveniert haben.

Von Ragnar Vogt

Bundesfinanzminister Olaf Scholz und mehrere weitere Hamburger SPD-Politiker sind in Verdacht geraten, im Fall des Cum-Ex-Steuerraubs mit einer Hamburger Privatbank gekungelt zu haben. Dadurch könnten dem Staat Ansprüche in Höhe von 46,8 Millionen Euro entgangen sein, berichtet die „Zeit“. Die Vorwürfe beziehen sich auf die Jahre 2016 und 2017, in denen Scholz Erster Bürgermeister in Hamburg war.

Im Zentrum steht die Hamburger Privatbank M.M. Warburg, die über Cum-Ex-Geschäfte viel Geld einkassiert haben soll. Sie soll selbst und über Tochterunternehmen über viele Jahre Steuern in Millionenhöhe zurückgefordert haben, ohne diese Steuern zuvor gezahlt zu haben. Vor dem Bonner Landgericht muss sich die Warburg-Gruppe derzeit deshalb verantworten. Das Gericht geht davon aus, dass die Privatbanker insgesamt 278 Millionen Euro zu Unrecht vom Staat erstattet bekommen haben.

Allein im Jahr 2009 seien das 46,8 Millionen Euro gewesen, berichtet die „Zeit“. Diese Zahlung hätte das Finanzamt bis Ende 2016 zurückfordern können, am 1. Januar 2017 sei eine mögliche Nachforderung verjährt gewesen – ohne dass die Bank zahlen musste.

Cum-Ex: 2016 war allen Beteiligten die Problematik bekannt

Bereits Ende 2015 hatten die ersten Ermittlungen zu den Cum-Ex-Geschäften begonnen, Anfang 2016 wurden deshalb Räume von M.M. Warburg durchsucht, in den folgenden Monaten gab es die ersten Medienberichte über den „größten Steuerraub aller Zeiten“, durch den mehrere Milliarden Euro ergaunert worden seien. Auch ein Untersuchungsausschuss des Bundestags beschäftigt sich mit den Cum-Ex-Geschäften.

Sprich: 2016 war bereits allen die Problematik von Cum-Ex-Geschäften bekannt. Dennoch hätten die Hamburger Finanzbehörden es versäumt, die 46,8 Millionen Euro von M.M. Warburg zurückzufordern, berichtet die „Zeit“. Die Ansprüche seien verjährt gewesen.

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22 beschlagnahmte Tagebücher

Wie kam es zu der Großzügigkeit der sonst nicht für Kulanz bekannten Finanzbeamten? Hier bekommen 22 Tagebücher des Mitinhabers und früheren Chefs von Warburg, Christian Olearius, besondere Brisanz. Seine ausführlichen Aufzeichnungen seien bei Durchsuchungen beschlagnahmt worden, berichtet die „Zeit“. Die Wochenzeitung und das ARD-Magazin „Panorama“ haben Auszüge daraus zugespielt bekommen. Sie werfen den Verdacht auf, dass Olearius bei mehreren SPD-Politikern Lobbyarbeit gegen die Forderung der Finanzbehörde gemacht haben könnte.

Seit April des Jahres 2016 seien Hamburger Finanzbeamte tatsächlich alarmiert gewesen durch einen Hinweis der Staatsanwaltschaft Köln, berichtet die „Zeit“. Darauf folgend hätten sie eine Steuerrückforderung vorbereitet und den Bänker Olearius darüber informiert.

Cum-Ex-Forderung: Intervention bei SPD-Politikern

Dieser habe sofort seine guten Kontakte zur Hamburger SPD aktiviert. In sein Tagebuch notierte Olearius laut dem Bericht, er hätte sich dazu mit dem früheren Zweiten Bürgermeister Alfons Pawelczyk und dem einflussreichen SPD-Bundestagsabgeordneten Johannes Kahrs getroffen. Kahrs hätte dem Bänker versprochen, er wolle „in Berlin versuchen, einen Durchblick zu bekommen“, zitierte die „Zeit“ aus dem Tagebuch. Kahrs dementiert, sich in Berlin für die Warburg-Bank eingesetzt zu haben.

Trotz anfänglicher Betriebsamkeit im Hamburger Finanzamt passiert nichts, die Forderung verjährt zum Jahreswechsel 2016/2017. Dienstherr der örtlichen Finanzbehörden ist der damalige Finanzsenator Peter Tschentscher – heute ist er Hamburger Bürgermeister. Bei der Bürgerschaftswahl am 23. Februar muss er um seine Wiederwahl fürchten, der traditionell in der Hansestadt starken SPD droht eine Schlappe.

Cum-Ex-Experte: „Das ist ein Skandal“

In der „Zeit“ sagte der Steuerrechtsexperte und Cum-Ex-Spezialist Christoph Spengel dazu: „Es gab zu diesem Zeitpunkt bereits finanzgerichtliche Urteile, die Cum-Ex-Geschäfte als illegal eingestuft haben, auch das Thema der Verjährung war allgemein bekannt. Wenn es dann um eine Summe von rund 50 Millionen Euro geht und dieser Sachverhalt einfach liegen bleibt, ist das ein Skandal.“

Im Jahr 2017 droht erneut eine Steuerforderung an M.M-Warburg zu verjähren, diesmal 56,4 Millionen Euro für das Jahr 2010. Wieder versucht der Bänker Olearius, bei der Politik zu intervenieren. Im November 2017, schreibt er laut „Zeit“ in sein Tagebuch, trifft er deshalb sogar den damaligen Hamburger Bürgermeister Olaf Scholz in dessen Arbeitszimmer. Der „Zeit“ zufolge soll er später in seinen Notizen festgehalten haben, dass er den Bürgermeister über den Sachstand bei Finanzbehörde und Staatsanwaltschaft berichtet habe. Olearius habe aus den Äußerungen von Scholz geschlossen, so stehe es in seinem Tagebuch, „dass wir uns keine Sorgen zu machen brauchen“.

Erst als der Bund interveniert, reagiert das Hamburger Finanzamt

Tatsächlich wäre auch diese Millionenforderung beinahe verjährt. Nur weil in einem ungewöhnlichen Vorgang das Bundesfinanzministerium interveniert habe, sei das nicht passiert, heißt es in dem Bericht. Mitte Dezember 2017 – also beinahe im letzten Moment – gibt es dann doch einen Bescheid, Warburg muss 56,4 Millionen Euro an die Stadt Hamburg zurückzahlen.

Heute ist Olaf Scholz Bundesfinanzminister, zum Steuerraub sagt er: "Cum-Ex war eine Riesen-Schweinerei." Zu den Vorwürfen der „Zeit“ will er sich gegenüber der Wochenzeitung nicht äußern. Die Stadt Hamburg hatte im vergangenen Jahr auf eine Anfrage der Linkspartei beteuert: Es habe keine persönlichen Gespräche von Mitgliedern des Senats zum steuerlichen Verfahren der Warburg-Bank mit dem Bankhaus gegeben.

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