SPD nach der Saarland-Wahl: SPD treibt die Frage nach der Machtoption um
Nach der Saarland-Wahl debattieren die SPD-Flügel wieder: Hilft mehr Distanz zur Linkspartei - oder geht es ohne die Machtperspektive Rot-Rot-Grün nicht für die Bundestagwahl? Eine Analyse.
Es war mehr als nur ein Dämpfer. Einen Tag nach der großen Enttäuschung bei der Saarland-Wahl hat in der SPD das Nachdenken über Konsequenzen begonnen. Die ernüchterten Genossen müssen feststellen, dass selbst der populäre Kanzlerkandidat Martin Schulz vielen Wählern den Widerwillen gegen ein Linksbündnis nicht nehmen kann. Das Dilemma: Auf Rot-Rot-Grün als Machtperspektive im Bund zu verzichten, kann sich die SPD im Bundestagswahlkampf aber auch nicht leisten.
Wie stark schlägt das Ergebnis der Saarland-Wahl auf die Stimmung der Genossen?
Die gesamte SPD hatte darauf gesetzt, Kanzlerin Angela Merkel bei der ersten Landtagswahl eine Niederlage zu bereiten und die CDU–Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer abzulösen. Nun versuchen Schulz und andere das Ergebnis als eine Art Arbeitsauftrag zu deuten. "Es ist ein positiver Effekt, dass unsere Leute nun wissen, dass Stimmungen noch keine Stimmen sind", sagt etwa Parteivize Ralf Stegner: "Für den Erfolg müssen wir hart arbeiten." Schulz selbst sprach erneut von einem Langstreckenlauf und versicherte: "Wir haben einen richtig langen Atem."
Gab es gar keinen Schulz-Effekt an der Saar?
Schon am Wahlabend bemühten sich SPD-Politiker um den Nachweis, dass der Aufschwung durch den Kanzlerkandidaten den Saar-Genossen geholfen habe, auch wenn diese ihr Wahlziel verfehlten. Ihr Argument: Vor der Ausrufung von Schulz als Merkel-Herausforderer habe der Landesverband in Umfragen noch bei 24 oder 25 Prozent gelegen – und dank Schulz dann mächtig aufgeholt. Auch die Schnellanalyse von Infratest-dimap für die SPD stellt fest: "Martin Schulz liefert einen positiven Schub für die Saar-SPD." Sogar die Hälfte der CDU-Anhänger fand demnach sein Versprechen gut, die Agenda-Politik zu korrigieren.
Wird die Aussicht auf ein Linksbündnis zur Belastung für die Bundes-SPD?
Das sieht zumindest ein Teil der Sozialdemokraten so – und markiert deshalb Distanz zur Linkspartei. "Im Saarland hat die Aussicht auf eine Regierung mit Oskar Lafontaine und den Linken die CDU-Wähler und konservative Nichtwähler mobilisiert", analysiert Johannes Kahrs, der Sprecher des im "Seeheimer Kreis" zusammengeschlossenen rechten SPD-Flügels. Kahrs macht keinen Hehl aus seiner Skepsis: "Solange die Linke die SPD als Hauptgegner behandelt, erübrigt sich Rot-Rot-Grün sowieso."
Der linke Parteiflügel der SPD redet die Gefahr dagegen eher klein und sieht keinen Grund für ein Abrücken von Rot-Rot-Grün im Bund. "Es ging im Saarland nicht um Bündnisfragen, sondern primär um saarländische Persönlichkeiten", sagt Matthias Miersch, Sprecher der Parlamentarischen Linken (PL). Der Amtsbonus der CDU-Ministerpräsidentin Kramp-Karrenbauer habe gewirkt, zudem habe die Linkspartei mit dem ehemaligen Ministerpräsidenten Oskar Lafontaine im Saarland weit besser abgeschnitten als in anderen westdeutschen Bundesländern. Und Angela Marquardt, Geschäftsführerin der "Denkfabrik", in der Politiker von SPD, Grünen und Linkspartei gemeinsam debattieren, mahnt zu Geduld: "Vertrauen und Glaubwürdigkeit für Rot-Rot-Grün kann man nicht durch zwei Wochen Hype um den Spitzenkandidaten aufbauen", meint sie: "Wir müssen zeigen, dass alle drei Parteien berechenbar regieren würden."
Hat die Debatte um Rot-Rot der Saar-SPD tatsächlich geschadet?
Wahlstratege Frank Stauss von der Agentur Butter warnt davor, den Effekt zu überschätzen. "Nicht die Absage an ein Linksbündnis war das entscheidende Motiv der Wähler, sondern die Absage an eine Auswechslung der Ministerpräsidentin", sagt er. Die beliebte Amtsinhaberin habe im Schlussspurt mobilisieren können. Demoskopen halten dagegen: Auch die Hälfte der SPD-Wähler an der Saar habe eine rot-rote Regierung für "nicht die beste Option" gehalten, heißt es in der Infratest-dimap-Analyse. Auch habe die Aussicht auf diese Regierungskonstellation CDU-Wähler mobilisiert.
Wie reagiert Martin Schulz?
Schulz selbst wollte am Montag zumindest öffentlich keine Schlussfolgerung für den Umgang mit der linken Konkurrenz ziehen. Die besondere Konstellation der Linkspartei im Saarland lasse sich nicht auf andere Bundesländer oder den Bund übertragen, meinte er: "Rückschlüsse auf die gesamte Republik zu ziehen wäre falsch."
Allerdings hatte Schulz nach Informationen des Tagesspiegels schon vor der Saar-Wahl selbst Schlussfolgerungen gezogen. Wohl um allzu eindeutige rot-rot-grüne Signale zu vermeiden, sagte er seine Teilnahme am "Trialog" ab, einem regelmäßig tagenden Gesprächskreis von SPD, Linkspartei und Grünen, der Gemeinsamkeiten auslotet. Tatsächlich steckt die SPD in einem strategischen Dilemma: Einerseits braucht Scholz die Linkspartei als potenziellen Partner. Rot-Rot-Grün scheint angesichts der Umfragewerte seine wahrscheinlichste Machtoption, ohne dies sein Anspruch aufs Kanzleramt unglaubwürdig wirkt.
Auf der anderen Seite wissen auch SPD-Planer, dass viele Deutsche auf Stabilität setzen. Vor die Wahl gestellt, ob er die Unberechenbarkeit einer Sahra Wagenknecht in der Außen- und Sicherheitspolitik in Kauf nehmen wollen, könnte sich mancher Wähler dann doch eher für Angela Merkel entscheiden. Ob die bisherige SPD-Taktik, die rot-rot-grüne Option offen zu lassen, aber selbst wenig darüber zu reden, lange weiterhilft, darf bezweifelt werden: Nicht nur die Union wird versuchen, Schulz in dieser Frage zu glasklaren Aussagen zu zwingen.