Landtagswahl: SPD-Spitzenkandidat Martin Dulig: Sachsen gehört nicht der CDU
Martin Dulig führt die SPD in Sachsen. Nach der Landtagswahl am 31. August schließt er weder eine Koalition mit der CDU noch ein linkes Bündnis aus.
Herr Dulig, die SPD in Sachsen hat bei Landtagswahlen so schlecht abgeschnitten wie in keinem anderen Bundesland. Woran lag das?
Wir haben den Sachsen eingeredet, wie schlecht es ihnen geht und dass sie deshalb SPD wählen müssen. Aber ihr Gefühl war ein anderes. Und deshalb haben sie keinen Grund gesehen, für Veränderungen SPD zu wählen. Wir haben uns selbst als Fremdkörper in Sachsen organisiert. Das war ein riesengroßer Fehler.
In Sachsen lässt sich also kein Wahlkampf machen, in dem die Regierung und der Ministerpräsident frontal attackiert werden?
Doch. Denn ich bin der Meinung, dass Sachsen nicht der CDU und der Staatsregierung gehört. Ich habe kein grundsätzliches Problem mit meinem Land Sachsen, das sich in der Vergangenheit erfolgreich entwickelt hat. Und kritisiere die Regierung trotzdem.
Was stört Sie an der CDU-geführten Landesregierung?
Sie lebt von dem Sachsen-Mythos, den Kurt Biedenkopf aufgebaut hat, und das sehr geschickt. Die Union hier erzählt eine Geschichte von König, König, König. 60 Jahre werden ausgelassen, und dann kommt der nächste König. Meine Hauptkritik an der CDU in Sachsen: Sie verwaltet das Land, aber sie gestaltet es nicht. Sie hat keinen Anspruch für die Zukunft.
In Hessen ist es der CDU gelungen, sich über ein Bündnis mit den Grünen zu modernisieren. Ähnliche Pläne verfolgt die CDU in Thüringen. Wie sieht das in Sachsen aus?
Auch hier kokettieren Teile der CDU mit Vertretern der Grünen. Und umgekehrt. Meine Antwort darauf: Ich kämpfe für eine starke SPD. Koalitionsdebatten lenken nur von den inhaltlichen Fragen ab.
Trotzdem: Sehen Sie sich in einer Konkurrenzsituation gegenüber den Grünen, die ebenso wie die SPD als Regierungspartner der CDU infrage kommen?
Nein. Ich arbeite mich nicht an den Grünen ab. Mein politischer Hauptgegner ist die CDU. Wenn die SPD aus eigener Stärke heraus in die Regierung kommen kann, ist immer noch die Frage, in welche. Ich schließe weder ein Bündnis auf der linken Seite aus noch eines mit der CDU.
Sie halten es für möglich, dass Sachsen einen linken Ministerpräsidenten bekommt?
Ich schließe das nicht aus, auch wenn es nicht sehr wahrscheinlich ist. Aber für mich ist Politik nicht Mathematik. Es geht nicht darum, ob es zahlenmäßig passt, sondern darum, mit wem eine verlässliche Zusammenarbeit möglich ist. Die Linken sind sich ja untereinander auch nicht gerade grün, und ihr Spitzenkandidat kam nicht mit einem tollen Ergebnis ins Amt.
Wie ist das Verhältnis zwischen SPD und Linkspartei in Sachsen?
Es hat sich entwickelt, ist entspannter geworden. Beide Parteien haben gelernt, dass die Schlachten der ersten Jahre geschlagen sind. Es geht nicht mehr darum, der Linken ständig ihre SED-Vergangenheit vorzuhalten.
Umfragen zufolge wird die AfD die NPD im Dresdner Landtag quasi ablösen. Mit wem fällt die Auseinandersetzung einfacher: mit Rechtsextremisten oder mit Rechtspopulisten, wie sie bei der AfD anzutreffen sind?
Die beiden Parteien sind nicht zu vergleichen. Die NPD ist menschenverachtend und demokratiefeindlich. Nicht ohne Grund haben wir ein Verbotsverfahren gegen diese Neonazis angestrengt. Bei der AfD müssen wir uns anders inhaltlich auseinandersetzen. In Sachsen haben wir es mit einer rechtspopulistischen Partei zu tun, in der beispielsweise christliche Fundamentalisten versuchen, eine Moralvorstellung einzubringen, die in keiner Weise meinem emanzipierten Bild von Familie entspricht. Die beiden Parteien müssen unterschiedlich behandelt werden. Aber beide gehören nicht in ein Parlament.
Sie fürchten die AfD nicht?
Ich habe keine Angst vor der AfD. Wir müssen und werden uns mit dieser Partei in den verbleibenden Wochen bis zur Landtagswahl ernsthaft auseinandersetzen. Totschweigen bringt nichts. Plumpe Zurückweisungen bringen nichts. Sie will beispielsweise unseren Kindern in der Schule mehr über militärische Siege gegen Frankreich beibringen lassen, statt etwa Lehren aus totalitären Diktaturen in den Blickpunkt der Wertevermittlung zu rücken. Und wenn Sachsens AfD-Chefin sagt, ihr laufe es kalt den Rücken herunter, wenn Kinder „Happy Birthday“ statt „Zum Geburtstag viel Glück“ singen, dann sagte ich: Mir läuft es kalt den Rücken herunter, weil ich weiß, dass viele Kinder in Sachsen in Armut leben oder Eltern von ihrem Lohn nicht leben können! Die sächsische CDU muss sich klar und deutlich äußern, ob sie mit der AfD eine Koalition eingehen will oder nicht. Nach den jüngsten Äußerungen des Fraktionsvorsitzenden Steffen Flath steht nun wieder ein „vielleicht“ im Raum.
Martin Dulig (40) ist Landes- und Fraktionsvorsitzender der SPD in Sachsen. Er tritt am 31. August außerdem als Spitzenkandidat seiner Partei bei der Landtagswahl an. Das Gespräch führte Matthias Meisner.
Matthias Meisner
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