Nach Berliner Mietmoratorium: SPD-Spitze will bundesweit die Mieten deckeln
Die Sozialdemokraten schließen sich der Linkspartei an: Für fünf Jahre sollen Mietpreise in gefragten Gegenden nicht steigen dürfen.
Die Bundes-SPD will mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) über einen deutschlandweiten Mietendeckel verhandeln. Ziel ist es, damit die Mieten in gefragten Wohngegenden fünf Jahre weitgehend einzufrieren. „Wir brauchen den Mietpreisdeckel für ganz Deutschland“, sagte der kommissarische SPD-Chef Thorsten Schäfer-Gümbel in einem Interview mit dem Tagesspiegel: „Wir werden das in der Koalition in den nächsten Tagen ansprechen und zum Thema machen.“
Es gehe um eine Atempause im Mietmarkt, betonte der Sozialdemokrat: „Wir gewinnen damit Zeit, um zu bauen, zu bauen und noch einmal zu bauen.“ Man werde „neue Stadtteile errichten und gleichzeitig Wege suchen müssen, wie wir Arbeit zurück aufs Land bekommen, damit Leute überhaupt nicht in die Situation kommen, in Ballungsräume ziehen zu müssen“.
Berlin plant als erstes Bundesland die drastische Maßnahme eines Mietmoratoriums ab Anfang 2020, um die Verdrängung von Mietern zu stoppen, die ihre Mietkosten nicht mehr aufbringen können. „Ziel muss sein, dass Menschen höchstens ein Drittel ihres Einkommens für das Wohnen ausgeben müssen“, sagte Schäfer-Gümbel dazu. Der bisherige SPD-Vizechef führt die Partei nach dem Rücktritt von Andrea Nahles bis zur Wahl einer neuen Spitze zusammen mit den Ministerpräsidentinnen Malu Dreyer und Manuela Schwesig.
Kritik an den Grünen
Die Union stemmt sich bisher gegen so einschneidende, juristisch umstrittene Maßnahmen. Am Freitag will Kanzlerin Angela Merkel beim Deutschen Mietertag in Köln zum Thema sprechen. Auch der Mieterbund kann sich angesichts der stark gestiegenen Kosten in Großstädten einen Mietendeckel vorstellen.
Schäfer-Gümbel hatte ein ähnliches Konzept schon einmal als hessischer Spitzenkandidat im Landtagswahlkampf im Herbst 2018 vorgestellt. Nun will er es auf die Tagesordnung der großen Koalition im Bund setzen – für viele Menschen ist der teure Wohnraum ein ebenso wichtiges Thema wie der Kampf gegen den Klimawandel.
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Als derzeitiger SPD-Chef wird Schäfer-Gümbel auch an den Spitzenrunden der Koalition im Kanzleramt teilnehmen. Die Aktie des mit rund 115.600 Einheiten größten Wohnungsbesitzers „Deutsche Wohnen“ war nach Bekanntwerden der Berliner Mietendeckel-Pläne von 42,40 Euro zeitweise auf 35,80 Euro eingebrochen – denn fehlende Mietsteigerungen bedeuten beschränkte Wachstums- und Gewinnmöglichkeiten.
Den Grünen warf Schäfer-Gümbel vor, die soziale Frage sei ihnen „schnurzegal“. „Es gelingt ihnen, im Moment gar keine Position mehr zu vertreten und sich so zum Objekt politischer Heilserwartungen zu stilisieren“, kritisierte der SPD- Übergangschef: „Das wird spätestens dann klar werden, wenn die Grünen im Bund in politische Verantwortung kommen. Dann müssen sie konkret werden – und darauf sind sie nicht vorbereitet.“
Frist für Nahles-Nachfolge endet
Am Freitag endet die Frist für SPD-Mitglieder, sich mit Vorschlägen für die Regelung der Nahles-Nachfolge einzubringen. Es gingen über 22.000 Vorschläge ein. Wahrscheinlich soll es eine durch ein Mitgliedervotum bestimmte Doppelspitze geben. Ein Bundesparteitag soll sie, wahrscheinlich im Dezember, wählen und über die Zukunft der großen Koalition beraten.
In einer Umfrage des Instituts Insa zur Landtagswahl in Sachsen am 1. September liegt die SPD nur noch bei sieben Prozent. Schäfer-Gümbel meint aber, für Depression gäbe es keinen Grund: „Wir sind hier nicht beim Psychotherapeuten, sondern bei der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands.“ Die Ökonomisierung aller Lebensverhältnisse sei die wichtigste Herausforderung und „das Kernübel“.