Mitgliedervotum: SPD-Spitze rackert für neue Groko
Gegner und Befürworter einer neuen Groko touren durch das Land. Die designierte Parteichefin ist optimistisch und lobt die Diskussionen - doch nicht allen gefällt das Format.
Wenige Tage vor Ende des SPD-Mitgliedervotums ist die SPD-Spitze zuversichtlich, dass es ein Ja zur umstrittenen Neuauflage der großen Koalition geben wird. „Ich bin sehr optimistisch, dass wir eine Mehrheit haben werden, aber ich kämpfe momentan auch um das Ergebnis, es sollte eine gute Mehrheit sein“, sagte die designierte SPD-Chefin Andrea Nahles am Samstagabend nach einer Basisveranstaltung mit rund 200 Mitgliedern im thüringischen Jena. „Mein Gefühl sagt mir, es wird besser als befürchtet.“
Rund 463.000 SPD-Mitglieder stimmen bis zum 2. März über den mit der Union ausgehandelten Koalitionsvertrag ab. Das Ergebnis wird in einer Woche, am 4. März, in der Parteizentrale in Berlin verkündet. Nahles schloss in Jena aus, dass dann schon die Besetzung der sechs SPD-Ministerien bekanntgegeben wird. „Ausgeschlossen, das machen wir nicht“, sagte sie. Wann genau, „das verraten wir später“.
Der Landesverband Thüringen hatte noch im Dezember gegen eine große Koalition votiert. Schon andere Regionalkonferenzen der SPD-Spitze zeigten zuletzt, dass das Pendel Richtung Zustimmung ausschlägt - auch weil viele Mitglieder bei einer Neuwahl befürchten, dass die SPD nach ihren Personalquerelen von der AfD überholt wird.
Auch der Thüringer SPD-Bundestagsabgeordnete Christoph Matschie sieht Anzeichen, dass die Skepsis an der Parteibasis in Thüringen zurückgeht. Es gebe „viele, die inzwischen auch nachdenklich geworden sind“, sagte Matschie, der Mitglied des SPD-Bundesvorstandes ist, in Jena. Bisher ist nur klar, dass im Falle einer neuen großen Koalition Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz Finanzminister und Vizekanzler werden soll. Zudem wird damit gerechnet, dass Heiko Maas und Katarina Barley erneut einem Kabinett von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) angehören - einer von beiden womöglich als Außenminister. Merkels Wahl könnte am 14. März im Bundestag stattfinden und damit die bisher längste Regierungsbildung der Bundesrepublik nach fast einem halben Jahr enden.
Nahles: „Extrem gute und sachliche Diskussion“
Die SPD-Spitze wirbt auf den SPD-Regionalkonferenzen mit Verbesserungen etwa im Bereich Rente und Bildung für ein Ja. Zudem sollen sachgrundlose Befristungen bei Arbeitsverhältnissen eingedämmt werden. Union und SPD planen Investitionen von bis zu 46 Milliarden Euro, unter anderem auch im Bereich sozialer Wohnungsbau und um ländliche Regionen mit schnellerem Internet zu versorgen. Die letzte von insgesamt sieben Veranstaltungen ist für Sonntag in Ulm geplant.
Vor dem Auftritt in Jena waren Nahles und weitere Spitzengenossen am Samstag auch bei der Basis in Brandenburg gewesen. Sie habe eine „extrem gute und sachliche Diskussion“ erlebt, sagte Nahles nach der Veranstaltung mit 600 Mitgliedern in Potsdam. Sie habe dort eine klare Mehrheit für ein Ja gesehen.
Im Anschluss gab es von SPD-Mitgliedern aber auch harte Kritik - vor allem am Ablauf. „Nahles hat Unrecht, wenn sie sagt, es gebe eine klare Mehrheit für die große Koalition“, widersprach ihr etwa das 80 Jahre alte Parteimitglied Wolf Thieme aus Belzig. Der 23 Jahre alte Felix Matthies aus Potsdam kritisierte, dass auf dem Podium vor allem Anhänger einer Fortsetzung von Schwarz-Rot gesprochen hätten. Der Wortführer der GroKo-Gegner, Juso-Chef Kevin Kühnert, ist parallel auf eigenen Veranstaltungen im Land unterwegs, um für ein Nein zu trommeln.
Engholm warnt vor langer Oppositionszeit
In Potsdam nahm auch Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig teil. Viele Menschen im Osten hätten Vertrauen in die Politik verloren, sagte sie. Das sei nur zurückzugewinnen, wenn man konkrete Verbesserungen für die Bürger schaffe. Brandenburgs Ministerpräsident Woidke sagte, wichtig sei es, dass vereinbarte Projekte auch umgesetzt würden. Hier gebe es Misstrauen in der SPD gegenüber der Union und Kanzlerin Merkel.
Der ehemalige SPD-Vorsitzende Björn Engholm warnte seine Partei vor einem Nein. „Wenn wir jetzt nicht in die Regierung eintreten, dürften wir zwei oder drei Legislaturperioden in der Opposition bleiben“, sagte er den „Lübecker Nachrichten“ (Sonntag).
Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer sprach sich dafür aus, Kühnert nach dem Votum stärker einzubinden. „Natürlich wird er eine wichtige Rolle spielen bei der Erneuerung der SPD“, sagte sie dem „Spiegel“. „Es wird eine wichtige Aufgabe sein, Befürworter und Gegner einer großen Koalition zusammenzuführen.“ (dpa)