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Krisenstabtreffen: Tunesiens Präsident Béji Caïd Essebsi (rechts) und Ministerpräsident Habib Essid.
© AFP
Update

Festnahmen nach Anschlag in Tunesien: Spanier verstecken sich erfolgreich vor Terroristen

Bei dem Anschlag in Tunis starben im Mittwoch 23 Menschen. Zwei spanischen Touristen gelang eine bemerkenswerte Rettung. Inzwischen seien neun Verdächtige festgenommen, meldet die Regierung. Die Zahl der Toten stieg auf 25 - Deutsche sind nicht darunter.

Es ist eine schöne Geschichte inmitten eines katastrophalen Ereignisses: Zwei spanische Touristen haben den Anschlag auf das Nationalmuseum in Tunis in einem Versteck überlebt. Die beiden Urlauber wurden am Donnerstagmorgen in dem Museum in der tunesischen Hauptstadt gefunden, nachdem sie dort von einem Mitarbeiter des Museums versteckt worden waren, wie ein Vertreter des Zivilschutzes sagte. Die beiden Spanier und der Mitarbeiter seien für eine Routineuntersuchung ins Krankenhaus gebracht worden.

Nach dem blutigen Terroranschlag erhöhte sich die Zahl der Toten nach Angaben des tunesischen Gesundheitsministeriums weiter. Insgesamt 25 Menschen seien bei dem Angriff getötet worden, darunter 20 Urlauber, teilte das Ministerium am Donnerstag mit. Bei zwei Toten handele es sich um von Spezialeinheiten getötete Extremisten. Die Zahl der Verletzten stieg laut Gesundheitsministerium auf 47 an. Entgegen anderslautender Meldungen vom Vortag, bestätigte das Auswärtige Amt am Donnerstag, dass sich unter den Opfern keine Deutschen befänden.

Tunesiens Präsident kündigt"gnadenlosen Kampf" gegen den Terror an

Die tunesische Führung kündigte in einer ersten Reaktion einen "gnadenlosen" Kampf gegen den Terror an. Präsident Béji Caïd Essebsi sagte, das Land werde "bis zum letzten Atemzug" gegen seine Gegner kämpfen. "Diese grausamen Minderheiten jagen uns keine Angst ein", sagte der tunesische Staatschef an die Adresse der Angreifer gerichtet. "Ich möchte, dass das tunesische Volk versteht, dass wir uns in einem Krieg gegen den Terrorismus befinden." Essebsi erklärte, ein „riesiges Unglück“ habe Tunesien heimgesucht. „Wir müssen mit einer Generalmobilmachung beginnen und die Terroristen endgültig ausschalten“, sagte er beim Besuch von Verletzten im Krankenhaus. Bei einer Fernsehansprache versprach Essebsi, Tunesiens Bürger werden „über diese kriminellen Minderheiten“ siegen. Im Herzen der Hauptstadt versammelten sich Tausende Tunesier, um ein Zeichen gegen den Terroranschlag zu setzen.

Inzwischen wurden in Tunis nach offiziellen Angaben neun Verdächtige festgenommen. Vier von ihnen stünden laut der Regierung "in direkter Verbindung" mit dem Attentat vom Vortag, fünf weitere würden verdächtigt, mit der verantwortlichen "Zelle" in Verbindung zu sein, erklärte die Präsidentschaft am Donnerstag.

Touristen werden nach dem Anschlag in Tunis in Sicherheit gebracht.
Touristen werden nach dem Anschlag in Tunis in Sicherheit gebracht.
© AFP/Salalh Habibi

Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) sagte in Berlin, der Anschlag sei "ein feiger Angriff auf uns alle" und eine "abscheuliche Verletzung aller Werte von Menschlichkeit". Deutschland stehe an der Seite Tunesiens.

Museum nahe beim Parlament

„Ich war in einer Ausschusssitzung des Parlaments, als wir die Schüsse hörten“, erzählte die Ennahda-Abgeordnete Mehrezia Labidi-Maiza am Mittwochnachmittag am Telefon dem Tagesspiegel. Es tagten gerade fünf Parlamentsausschüsse in dem alten Bardopalast, in dem das tunesische Parlament untergebracht ist. Außerdem befindet sich dort das Nationalmuseum Bardo, eine der bedeutendsten Mosaiksammlungen der Welt. „Die zwei bis drei bis an die Zähne bewaffneten sehr jungen Männer hatten acht Menschen mit Kalaschnikows erschossen, Touristen, ein bis zwei Tunesier sind wahrscheinlich auch tot“, erzählte Labidi-Maiza hörbar geschockt von dem Ereignis. „Wir sind ins Museum gelaufen und haben die Touristen ins Parlament in Sicherheit geführt, dann wurden sie von der Polizei nach draußen evakuiert.“

Nach ihren Angaben wurden drei Angestellte des Parlaments bei der Evakuierung des Museums verletzt, da die Terroristen wahrscheinlich einen Molotow-Cocktail geworfen hätten. „Wir mussten jetzt auch alle das Parlament verlassen und stehen fassungslos draußen, die Polizei hat den Bardo-Komplex umzingelt. Die Männer sind noch drin“, sagte sie erschüttert. Man habe so viel Hoffnung für die Zukunft geschöpft und nun das. „Es war ganz im Stil der Attacke auf "Charlie Hebdo", hat man uns erzählt. Zwei bis drei  junge, bis an die Zähne bewaffnete Männer haben sofort begonnen, mit ihren Kalaschnikows zu schießen. Das trifft uns ins Herz, es erinnert mich alles an den schrecklichen Mord an meinem Kollegen Brahmi am 25. Juli 2013.“

Über die Täter gibt es wenige Informationen

Im Bardo-Museum finden sich riesige römische Mosaike, die es in dieser Größe und Qualität in Europa nicht gibt. Darunter befinden sich auch christliche, jüdische und frühislamische Motive. Gerade war im 2012 eröffneten Neubau die Ausstellung über Paul Klee, August Macke und Louis Moilliet zu sehen, 100 Jahre nach der legendären Tunis-Reise. Die Ausstellung war von der deutschen und der Schweizer Botschaft sowie dem Goethe-Institut unterstützt worden.

Am Nachmittag gelang es weiteren Touristen, unter dem Feuerschutz der Polizei zu fliehen – Alte und Junge, Frauen und Männer, Jugendliche und Kinder sowie Familienväter mit Kleinkindern auf dem Arm. Fotos aus dem Inneren des Museums zeigten verängstigte Besucher, die an den Wänden und auf dem Boden eines der Ausstellungsräume kauerten. Nach Angaben des Innenministeriums befanden sich zur Zeit des Überfalls vier Touristenbusse auf dem Bardo-Parkplatz. Premierminister Habib Essid bildete einen Krisenstab. Präsident Beji Caid Essebsi sprach zu seinen tunesischen Landsleuten, deren Volksaufstand gegen ihren Langzeit-Diktator Zine el-Abidine Ben Ali im Januar 2011 den Arabischen Frühling auslöste.

Das Nationalmuseum Bardo in Tunis beherbergt eine der bedeutendsten Mosaiksammlungen der Welt mit römischen, christlichen, jüdischen und islamischen Mosaiken. Das Museum befindet sich in dem alten Bardo-Palast (Mitte) und wurde 2012 um einen modernen Anbau ergänzt (ganz rechts). Dort befindet sich auch die große Eingangshalle mit den Kassen. Links im Bild das tunesische Parlament, in dem zuvor die verfassungsgebende Versammlung getagt hatte. Das Bardo-Museum ist das bedeutendste Museum Tunesiens, der Angriff zwei tage vor dem Nationalfeiertag trifft die Nation ins Herz.
Das Nationalmuseum Bardo in Tunis beherbergt eine der bedeutendsten Mosaiksammlungen der Welt mit römischen, christlichen, jüdischen und islamischen Mosaiken. Das Museum befindet sich in dem alten Bardo-Palast (Mitte) und wurde 2012 um einen modernen Anbau ergänzt (ganz rechts). Dort befindet sich auch die große Eingangshalle mit den Kassen. Links im Bild das tunesische Parlament, in dem zuvor die verfassungsgebende Versammlung getagt hatte. Das Bardo-Museum ist das bedeutendste Museum Tunesiens, der Angriff zwei tage vor dem Nationalfeiertag trifft die Nation ins Herz.
© promo

Tunesien hat in der Grenzregion zu Algerien eine kleine, hoch gefährliche Al-Qaida-Szene, deren Mitglieder bislang mehr als 60 Polizisten und Soldaten ermordeten. Gleichzeitig wird das Land von Bürgerkrieg und Radikalisierung im benachbarten Libyen immer stärker in Mitleidenschaft gezogen. Dort haben im vergangenen Oktober radikale Gotteskrieger als erste in Nordafrika dem „Kalifen Ibrahim“ alias Abu Bakr al-Baghdadi die Gefolgschaft schworen.

Tausende IS-Kämpfer kommen aus Tunesien

Ein Trainingslager der IS-Extremisten existiert inzwischen nur 45 Kilometer von tunesischem Territorium entfernt. Im Westen Libyens hat sich ein IS-Kommando in Sabratha westlich der Hauptstadt Tripolis festgesetzt, auf halbem Wege zur tunesischen Grenze. Die meisten ausländischen Gotteskrieger des „Islamischen Kalifates“ in Syrien und Irak stammen aus Tunesien – gefolgt von Saudi-Arabien und Marokko. Bezogen auf seine elf Millionen Einwohner liegt das kleine, säkulare Land am Mittelmeer damit im gesamten Nahen Osten einsam an der Spitze.

Nach Schätzung des Innenministeriums kämpfen 3.000 junge Männer, teilweise auch junge Frauen, in Mesopotamien. 9.000 wurden bisher an der Ausreise gehindert, etwa 300 sind zurückgekehrt, mindestens 170 gestorben. Auffallend viele stammen aus Mittelklasse-Familien, waren Studenten, angestellt im öffentlichen Dienst oder hatten gut bezahlte Berufe im Privatsektor.

Das Bardo-Museum gehört zu den populärsten Touristenzielen in der tunesischen Hauptstadt. Es wurde 1888 eröffnet und enthält die weltweit bedeutendste Sammlung römischer Mosaiken, von denen etwa eintausend ausgestellt sind. Die Sammlung, die in dem ehemaligen Harem des Bardo-Palastes untergebracht ist, zählt neben dem Ägyptischen Museum in Kairo zu den bedeutendsten archäologischen Ausstellungshäusern Nordafrikas. Außerdem sind in den 30 Schauräumen Exponate der Frühgeschichte sowie der punischen, griechischen, römischen, frühchristlichen und arabisch-islamischen Epoche zu sehen.

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