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Der 87-jährige Beji Caid Essebsi gibt sich staatsmännisch. Er ist ein guter Redner und erfahrener Taktiker.
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Beji Caid Essebsi: Der neue starke Mann in Tunesien

Jetzt ist es amtlich: In Tunesien hat die säkulare Partei Nidaa Tounes bei der Parlamentswahl am Sonntag gewonnen. Ihr Vorsitzender, der 87-jährige Beji Caid Essebsi, will nun auch der erste direkt und demokratisch gewählte Präsident seines Landes werden.

Er ist der neue Star der tunesischen Politik. Der 87-jährige Beji Caid Essebsi wirkt frisch und kampfeslustig. Er gibt sich staatsmännisch, ist ein guter Redner und erfahrener Taktiker, der seine Partei Nidaa Tounes praktisch aus dem Stand heraus bei den tunesischen Parlamentswahlen zum Sieg führte. Mit gut 80 der 217 Abgeordneten stellt Nidaa Tounes die stärkste Fraktion und hat ihren Hauptrivalen Ennahda klar überflügelt. Die gemäßigt islamistische Partei, die bislang stärkste Kraft war, komme auf 69 Sitze, teilte die Wahlbehörde am Donnerstagmorgen mit.

Nidaa Tounes ist ein Sammelbecken von säkularen Intellektuellen und Geschäftsleuten, aber auch von alten Regime-Getreuen. Ihr Vorsitzender jedoch will noch mehr – er möchte im November auch der erste direkt und demokratisch gewählte Präsident seines Landes werden. Die Chancen stehen gut, vor allem weil die islamistische Ennahda nach dem Desaster ihrer Gesinnungsgenossen in Ägypten darauf verzichtet, einen eigenen Kandidaten ins Rennen zu schicken. Gewinnt Essebsi und steht die vierjährige Amtszeit durch, wäre er am Ende 92 Jahre alt – und damit der betagteste arabische Staatschef aller Zeiten. Und das in einem Land, dessen Jugend erst vor drei Jahren mit ihrem Arabischen Frühling die alte Garde davongejagt hatte.

Essebsi stammt auch einer Notablenfamilie und wurde am 29. November 1926 in Tunis geboren. Nach dem Abitur studierte er Rechtswissenschaften in Paris und ließ sich 1952 in Tunis als Anwalt nieder. Als Tunesiens 1956 unabhängig wurde, ernannte ihn Staatsgründer Habib Bourguiba zu seinem Berater. Drei Jahrzehnte lang mischte der Jurist im Zentrum der Politik in Tunesien unter anderem als Innen-, Außen- und Verteidigungsminister mit. Dann ging er als tunesischer Botschafter nach Frankreich und Deutschland.

Beji Caid Essebsi war auch Botschafter in Deutschland

In seine fünfjährige Amtszeit als Außenminister fiel 1982 der Exodus der PLO-Führung unter Yassir Arafat von Beirut nach Tunis, erzwungen durch den israelischen Angriff auf die libanesische Hauptstadt. Unter seiner Verantwortung als Innenminister sollen Gegner Bourguibas schwer gefoltert worden sein. 1990 und 1991, zu Beginn der Epoche von Diktator Zine al Abidine Ben Ali, diente Essebsi als Präsident des Parlaments, bevor er drei Jahre später aus der Politik ausschied und nur noch als Anwalt arbeitete. „Ich bin stets ein freier und unabhängiger Mann geblieben“, charakterisierte der Vater zweier Söhne und zweier Töchter rückblickend seine Jahre unter der Diktatur.

Mit dem Arabischen Frühling feierte der Politik-Veteran ein ungewöhnliches Comeback. Am 27. Februar 2011, sechs Wochen nach dem Sturz von Ben Ali, übernahm Essebsi das Amt des Übergangs-Premiers. Nach der Wahl der Verfassungsgebenden Versammlung im November 2011 löste ihn Hamadi Jebali von Ennahda ab, die damals in der 217-köpfigen Volksvertretung zur stärksten Fraktion gewählt worden war. Drei Jahre später nun drehte Essebsi den Spieß um und verdrängte Ennahda vom ersten Platz. Doch seine Partei kann und will nicht alleine regieren. Die Avancen von Ennahda, eine Große Koalition zu bilden, beantwortet er bisher ausweichend, während seine Parteifreunde auf allen Fernsehkanälen die Programme beider Rivalen für absolut unvereinbar erklären.

Tunesien steht vor riesigen Problemen

Tunesien aber steht vor gewaltigen nationalen Problemen. Die Armut vor allem auf dem Lande wächst. Die Arbeitslosigkeit liegt offiziell bei 15 Prozent, unter jungen Akademikern gar doppelt so hoch. Die Tourismusbranche kommt nicht auf die Beine und die Sicherheitslage im Land ist so schlecht wie noch nie. Kurz vor dem Wahltag erschossen Spezialkräfte sechs mutmaßliche Terroristen, die sich am Rande von Tunis in einer Wohnung verschanzt hatten. Prompt rief „Al Qaida des Islamischen Maghreb“ jetzt zur Rache auf. „Geht nach Tunesien und stürmt die Höhlen der Gottlosigkeit mit Raketenwerfern und Bombenfallen“, heißt es in ihrem Manifest.

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