Kompromissangebot an Apotheker: Spahn will Arzneiversand begrenzen statt verbieten
Die Koalition hat den Apothekern versprochen, ihnen den Versandhandel vom Leib zu halten. Weil das nicht funktioniert, sollen sie nun mehr Honorar erhalten.
Gesundheitsminister Jens Spahn will vom versprochenen Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Medikamenten abrücken – und die Apotheker im Gegenzug für zusätzliche Leistungen deutlich besser honorieren. Für Nacht- und Notdienste sollen sie künftig mit 240 Millionen Euro im Jahr doppelt so viel bezahlt bekommen wie bisher. Konkret hätte eine Apotheke pro Vollnotdienst dann etwa 550 Euro zu erwarten. Für zusätzliche Dienstleistungen, etwa in Sachen Gesundheitsprävention, stellte Spahn ihnen weitere 240 Millionen in Aussicht. Und für das aufwändige Vorhalten von Betäubungsmitteln könnten sollen sie zusätzlich nochmal 15 Millionen Euro obendrauf erhalten.
Marktanteil soll auf fünf Prozent beschränkt werden
Gleichzeitig offerierte der CDU-Politiker den Apothekern Maßnahmen gegen eine ausufernde Internet-Konkurrenz. Der Versandhandel mit rezeptpflichtiger Arznei müsse die Ausnahme bleiben und dürfe nicht zur Regel werden, sagte Spahn. Deshalb wolle er den Marktanteil dieses Handels auf fünf Prozent beschränken. Und bei der Gewährung von Boni will der Minister den Versandapotheken ebenfalls Grenzen ziehen. Solche Rabatte sollen künftig 2,50 Euro pro Packung nicht mehr überschreiten dürfen.
Spahn äußerte sich am Rande einer Mitgliederversammlung der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) in Berlin, wo er seine Pläne vorstellte. Er fühle sich dem Ziel verpflichtet, die flächendeckende Versorgung mit Arzneimitteln sicherzustellen und dafür die Apotheken vor Ort zu stärken, sagte der Minister. Allerdings habe der Versandhandel von Medikamenten „für bestimmte Patienten in bestimmten Situationen auch seine Bedeutung“. Und ihn zu verbieten, wie von seinem Amtsvorgänger Hermann Gröhe versprochen und im Koalitionsvertrag festgelegt, berge rechtliche wie politische Risiken. Es sei „unwägbar“, ob man sich damit am Ende durchsetzen könne.
Schluss mit "Wildwest-Methoden"
Jedoch müsse Schluss sein mit den „Wildwest-Methoden“ der Internet-Händler, sagte Spahn. Die vorgesehene Boni-Begrenzung sei „gut möglich“ und aus der europäischen Rechtsprechung auch herleitbar. Sollte sich der Marktanteil des Versandhandels über die anvisierten fünf Prozent hinaus erhöhen, könne man die Bonusmöglichkeiten der Anbieter weiter einschränken.
Die Apotheker zeigten sich fürs erste zufrieden. Es sei wichtig gewesen, sich auf ein „Zielbild“ zu verständigen, sagte Verbandspräsident Friedemann Schmidt. Der Versandhandel könne einen „ergänzenden Beitrag“ zur Arzneiversorgung leisten, müsse aber Ausnahme bleiben. Wenn es gelinge, den Marktanteil auf ein „erträgliches Maß“ zu begrenzen, sei das in Ordnung. Man werde die Vorschläge intern besprechen und sich auf einer weiteren Mitgliederversammlung Mitte Januar positionieren. Auch Spahn betonte, dass seine Eckpunkte „nur ein Start“ seien. Jetzt gehe es darum, die Koalitionsfraktionen ins Boot zu holen. Sein Ziel sei es, dass der Bundestag Ende Januar gesetzgeberisch aktiv werden könne.
Widerspruch aus der Unionsfraktion
Dass der Kompromiss noch keineswegs eingetütet ist, zeigt eine erste Reaktion in der Unionsfraktion. Er finde es gut, dass Spahn Vorschläge zur Stärkung der Apotheken vor Ort gemacht habe, sagte der CDU-Gesundheitspolitiker Alexander Krauß. „Das Versandhandelsverbot ist damit aber nicht vom Tisch.“ Der Koalitionsvertrag behalte weiter seine Gültigkeit, und darin sei dieses Verbot nun mal niedergeschrieben, beharrte Krauß. Mit dem Ministerium gebe es deshalb „erheblichen Gesprächsbedarf“.
Der Koalitionspartner dagegen zeigte sich zufrieden. „Wir begrüßen, dass das Versandhandelsverbot vom Tisch ist“, sagte SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach der "Neuen Osnabrücker Zeitung". „In einer Zeit, in der der Online-Handel mit Medikamenten von der Bevölkerung gewünscht und akzeptiert wird, wäre ein Stopp nicht zeitgemäß gewesen.“ Der Kurswechsel sei „eine gute Nachricht für alle Patienten, die auf die Versorgung durch Versand-Medikamente angewiesen sind." Das gelte insbesondere für Schwerkranke, die spezielle Medikamente benötigten.
Allerdings warnte Lauterbach vor zu viel Entgegenkommen bei den Honoraren. „Der Gesundheitsminister sollte sich davor hüten, den Standortapotheken die Zustimmung zum Versandhandel abzukaufen und Millionen Euro als Mitgift auf den Tisch zu legen“, sagte er.