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Noch ohne Rezept: Gesundheitsminister Jens Spahn mit dem Präsidenten der Bundesvereinigung der Apothekerverbände, Friedemann Schmidt (li.).
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Apothekertag in München: Spahn legt sich nicht auf Versandhandelsverbot für Arznei fest

Wird der Versandhandel mit verschreibungspflichtiger Arznei verboten? Jens Spahn windet sich. Er wolle nichts versprechen, was er nicht halten könne.

Kommt es nun oder kommt es nicht? Wegen des anvisierten Versandhandelsverbots mit verschreibungspflichtiger Arznei war der Auftritt des Gesundheitsministers am Mittwoch beim beim Deutschen Apothekertag in München mit großer Spannung erwartet worden. Doch Jens Spahn blieb die erwartete Festlegung, die er eigentlich für den Herbst versprochen hatte, schuldig. Er wolle die Infrastruktur zur Digitalisierung gemeinsam mit den Apothekern „gestalten, nicht erleiden“, sagte der CDU- Politiker lediglich. „Die freie Apothekenwahl muss dabei erhalten bleiben für den Patienten. Aber das heißt nicht, dass alles so bleiben muss, wie es ist.“

Schweres Erbe des Amtsvorgängers Gröhe

Tatsächlich befindet sich Spahn bei dem Thema in einem schweren Konflikt. Einerseits steht ein Verbot des Versandhandels von rezeptpflichtiger Arznei im Koalitionsvertrag – ein Ei, das ihm noch sein Amtsvorgänger Hermann Gröhe ins Nest gelegt hat. Andererseits wäre es für einen Minister, der wie kein anderer auf mehr Digitalisierung im System drängt, wenig konsequent, Onlineapotheken wie den niederländischen Händler DocMorris aus dem Markt zu befördern, bloß um die Pfründe der Apotheker im Land zu sichern.

Er werde das tun, was im Koalitionsvertrag stehe, kündigte Spahn in München zwar an. Er werde aber auch nichts versprechen, was er nicht halten könne. Das ist etwas hinterlistig, denn in der Vereinbarung von Union und SPD findet sich lediglich die Festlegung, dass sich die Koalition für ein Verbot des Versandhandels einsetzen werde. „Ich sage nicht, wir verbieten das und dann passiert es nicht“, so Spahn. „Einfach ein Gesetz machen, was dann scheitert, und mich dann feiern lassen, ist nicht mein Politikstil.“

Versprechen im Koalitionsvertrag

Versandhandel mit verschreibungspflichtiger Arznei ist in Deutschland seit 2004 erlaubt. Vor zwei Jahren aber fällte der Europäische Gerichtshof (EuGH) ein folgenschweres Urteil: Um Versandhändlern aus Europa den Marktzugang zu erleichtern, sollten sie deutschen Kunden fortan auch Rabatte gewähren dürfen. Die Arzneimittelpreisverordnung sollte für ausländische Versandapotheken also plötzlich nicht mehr gelten – und die Apotheker liefen Sturm gegen diese Ungleichbehandlung.

Gröhes Antwort darauf: ein komplettes Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Medikamenten. Spahns Vorgänger konnte das zwar in der vergangenen Legislatur nicht mehr durchsetzen. Er schaffte es aber einen entsprechenden Passus im Koalitionsvertrag unterzubringen. Auf Seite 98 heißt es dort: „Um die Apotheken vor Ort zu stärken, setzen wir uns für ein Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln ein.“

"Ich kann mir auch vorstellen, dass in Apotheken geimpft wird"

Beim Apothekertag stellte Spahn schon mal infrage, dass Apotheken allein wegen des Versandhandels schließen müssten. Um die Versorgung in der Fläche zu sichern, plädierte er für eine bessere Honorarstruktur. „Ich kann mir auch vorstellen, dass in Apotheken geimpft wird", sagte Spahn. Es müsse aber klar sein, in welchen Fällen dies geschehen könne. Und es müsse vergütet werden.

Das ist auch die Linie der SPD und ihres Gesundheitsexperten Karl Lauterbach: Kein Versandhandelsverbot, weil es nicht in die Zeit passt, dafür aber eine bessere Bezahlung für Grundversorgung und zusätzliche Leistungen in der Apotheke vor Ort. Selbst die einstige Apothekerpartei FDP ist auf Distanz zu den Verbotsforderungen. Es wäre falsch, so sagte ihr Vorsitzender Christian Lindner noch in der vergangenen Legislatur, die Apotheken im Land "unter Naturschutz zu stellen" und Versandhandel zu verbieten.

Apotheker verlangen Abschaffung der Importquote

Der Deutsche Apothekerverband forderte unterdessen, die Importquote für Arzneimittel abzuschaffen. Das sei die nötige Reaktion auf den Ärger mit dem Blutdrucksenker Valsartan, die Fälschungen im Lunapharm-Skandal und die Lieferengpässe bei lebenswichtigen Medikamenten. „Arzneimittel dürfen nicht zur reinen Handelsware degradiert werden“, sagte Verbandschef Fritz Becker. Ein derart intransparentes System mache es Kriminellen „denkbar einfach, gestohlene oder gefälschte Ware in die legale Lieferkette einzuschleusen“. Wenn die Qualität lebenswichtiger Arznei und die Sicherheit von Patienten auf dem Spiel stünden, sei die Grenze für Sparmanöver erreicht.

Um Kosten für die Krankenkassen zu sparen, sind derzeit alle Apotheken im Land gezwungen, fünf Prozent ihres Fertigarznei-Umsatzes über Importe zu bestreiten. Für diese Quote zählen nur Importe, die entweder 15 Prozent oder 15 Euro billiger sind als heimische Originalpräparate. Diese sogenannten Reimporte gelten als Einfallstor für das Einschleusen von gefälschter Arznei.

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