„Das Virus ist noch da“: Spahn und Walter-Borjans warnen vor Aufhebung der Maskenpflicht
Mecklenburg-Vorpommern regt ein Ende der Maskenpflicht im Handel an. Der Gesundheitsminister und der SPD-Chef lehnen das einmütig ab.
In der Diskussion um eine Aufhebung der Maskenpflicht hat sich Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) zu Wort gemeldet.
„Ich verstehe die Ungeduld und den Wunsch nach Normalität. Aber das Virus ist noch da. Wo in geschlossenen Räumen der nötige Abstand nicht immer gesichert ist, bleibt die Alltagsmaske geboten“, schrieb der Politiker am Sonntagabend auf Twitter.
Auch der SPD-Vorsitzende Norbert Walter-Borjans ist gegen die Aufhebung Maskenpflicht im Einzelhandel und liegt damit nach eigener Aussage auf einer Linie mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). „Ich habe heute noch mit der Bundeskanzlerin darüber gesprochen und wir sind uns einig, dass das Maskentragen in Geschäften eine Zumutung ist, aber eine zumutbare Zumutung“, sagte Walter-Borjans am Sonntagabend auf „Bild live“.
Der SPD-Chef sprach sich dafür aus, in der Corona-Pandemie weiter Vorsicht walten zu lassen. „Im Geschäft werde ich eine Maske anziehen. Und wenn das alle tun, haben wir einen großen Teil von Infektionsmöglichkeiten eingedämmt“, sagte Walter-Borjans. Das werde er auch anderen Sozialdemokraten sagen, die zu mehr Lockerungen neigten.
Debatte angestoßen von Mecklenburg-Vorpommern
Die Debatte über ein baldiges Ende der coronabedingten Maskenpflicht im Handel war am Wochenende ins Rollen geraten, nachdem sich Mecklenburg-Vorpommerns Wirtschaftsminister Harry Glawe (CDU) gegenüber der „Welt am Sonntag“ für einen solchen Schritt in seinem Land ausgesprochen hatte. Auch Niedersachsens Wirtschaftsminister Bernd Althusmann (CDU) hatte eine Lockerung favorisiert. Gegen ein zeitnahes Ende der Pflicht für den Mund-Nasen-Schutz in Geschäften sprachen sich am Sonntag indes Bayern, Schleswig-Holstein, Brandenburg und Hamburg aus.
Auch die rheinland-pfälzische Landesregierung will zunächst an der Maskenpflicht im Handel festhalten. „Das Coronavirus ist noch da und noch gefährlich, das zeigen lokale Ausbrüche“, sagte eine Sprecherin des Landesgesundheitsministeriums der „Rheinischen Post“. Gerade die Ferienzeit sei nun entscheidend für eine Beurteilung des weiteren Infektionsgeschehens. Daher wäre die Aufhebung der Maskenpflicht aktuell das falsche Signal.
Mecklenburg-Vorpommern hatte am Wochenende angekündigt, angesichts niedriger Corona-Infektionszahlen die Maskenpflicht im Handel abschaffen zu wollen. "Wenn das Infektionsgeschehen so gering bleibt, sehe ich keinen Grund, länger an der Maskenpflicht im Handel festzuhalten", sagte Mecklenburg-Vorpommerns Wirtschaftsminister Harry Glawe (CDU) der "Welt am Sonntag" (WamS). Er geht davon aus, dass das Kabinett in Schwerin in seiner Sitzung am 4. August das Ende der Maskenpflicht im Einzelhandel beschließen wird.
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"Ich kann die Ungeduld des Handels sehr gut nachvollziehen, die Maskenpflicht abzuschaffen", sagte der Wirtschaftsminister. Die Abstandsregel zum Schutz vor dem neuartigen Coronavirus werde aber grundsätzlich fortbestehen.
Mecklenburg-Vorpommern hat die niedrigsten Infektionszahlen mit dem neuartigen Coronavirus bundesweit. In Deutschland lag die Zahl der täglichen Corona-Neuinfektionen in den vergangenen Tagen landesweit jeweils bei rund 500 oder darunter.
Glawe kündigte auch Gespräche mit seinen Kollegen in Bremen, Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein an. "Wir versuchen, für alle norddeutschen Bundesländer eine einheitliche Regelung hinzubekommen", sagte der CDU-Politiker. "Noch lieber wäre mir ein bundesweites Ende der Maskenpflicht im Handel."
Auch andere Bundesländer prüfen die Abschaffung der Maskenpflicht in Geschäften:
- Sachsens Sozialministerin Petra Köpping (SPD) sagte: "Wir schauen uns gerade an, ob wir beim Einkaufen auf die Maskenpflicht verzichten können."
- Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) warnte vor einem vorschnellen Ende der Maskenpflicht im Einzelhandel. Er bleibe bei seiner Auffassung, dass große Vorsicht im Umgang mit dem Coronavirus geboten sei, erklärte die Staatskanzlei in Hannover am Sonntag. "Gerade der Herbst wird nach Prognose vieler Wissenschaftler eine Bewährungsprobe für den Infektionsschutz werden. Wir dürfen uns deswegen nicht vorschnell in Sicherheit wiegen wegen geringer Infektionszahlen im Sommer", sagte Regierungssprecherin Anke Pörksen.
- Sachsen-Anhalts Gesundheitsministerin Petra Grimm-Benne (SPD) hält eine Änderung mittelfristig für denkbar. "Wir müssen darüber diskutieren, ob die Maskenpflicht im Handel dort zurückgenommen werden kann, wo es möglich ist, Abstand zu halten", sagte sie der "WamS".
- In Schleswig-Holstein will die Landesregierung "die aktuelle Lage Anfang August bewerten und auf das Infektionsgeschehen angepasste Maßnahmen umsetzen", teilte das Gesundheitsministerium mit.
- Bremens Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt (Linke) will das Thema nach eigenen Angaben im Senat diskutieren.
- Bayern will an der Maskenpflicht im Einzelhandel festhalten. "Die bayerische Staatsregierung sieht nicht den geringsten Anlass, die Maskenpflicht aufzuheben", sagte der Chef der bayerischen Staatskanzlei, Florian Herrmann (CSU), der "Süddeutschen Zeitung". "Im Gegenteil: Die weltweit steigenden Infektionszahlen und die Hotspots in Deutschland zeigen uns, dass wir bei Corona weiterhin höchste Vorsicht walten lassen müssen."
- Aus Brandenburg hieß es: „Das Brandenburger Kabinett hatte sich damit bereits in seiner letzten Sitzung am Dienstag befasst“, sagte Regierungssprecher Florian Engels am Sonntag auf Anfrage. „Nach Abwägung verschiedener Aspekte - und uns sind die damit verbundenen Probleme sehr bewusst- halten wir daran im Öffentlichen Nahverkehr und im Einzelhandel vorerst fest.“
„Eines der wichtigsten Instrumente im Kampf gegen das Coronavirus“
Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach plädiert dafür, die Maskenpflicht deutschlandweit im Handel beizubehalten. „Die Maskenpflicht im Handel ist eines der wichtigsten Instrumente im Kampf gegen das Coronavirus“, sagte der Bundestagsabgeordnete der Online-Ausgabe der „Rheinischen Post“. „Es wäre das völlig falsche Signal, diese Pflicht jetzt schon wieder aufzuheben.“
„Wenn es keine Maskenpflicht im Handel mehr gibt, kontaminieren Infizierte auch die Ware, und Kunden wie Beschäftigte werden durch die Aerosole stark gefährdet“, sagte Lauterbach. Wenn eine Landesregierung die Maskenpflicht abschaffe, „experimentiert sie mit der Gesundheit der Menschen und erhöht das Risiko für eine zweite Infektionswelle in Deutschland“, warnte er.
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Auch der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene sprach sich gegen eine Aufhebung der Maskenpflicht im Einzelhandel aus. „Ich persönlich sehe das als schwierig an“, sagte Martin Exner am Sonntag der Deutschen Presse-Agentur. Zwar sei Deutschland derzeit in einer günstigen Lage, allerdings sei unklar, ob die Situation so bleibt.
Eine Aufhebung der Pflicht sende das falsche Signal, dass die Situation im Griff sei. „Das können wir aber so nicht feststellen.“ Die Maske sei nach wie vor ein wichtiges Element der Präventionsstrategie. Insbesondere in Innenräumen, in denen der Mindestabstand von 1,5 Metern nicht gewahrt werden kann.
Am Dienstag hatte die Regierung in Mecklenburg-Vorpommern beschlossen, dass sich die Menschen im Nordosten in Kürze wieder in unbegrenzter Zahl mit anderen im öffentlichen Raum treffen können. Die Obergrenze von zehn Personen laufe am 10. Juli aus und werde nicht verlängert, sagte Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD). Allerdings bleibe das Abstandsgebot zu Personen bestehen, die nicht zur eigenen Familie oder zum eigenen Hausstand gehören. Ebenso bleibe die Maskenpflicht im öffentlichen Nahverkehr, beim Einkaufen oder beim Arztbesuch.
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Das Thüringer Oberverwaltungsgericht bestätigte am Samstag die aktuellen Coronavirus-Regeln zu Mindestabstand und Mund-Nasen-Schutz in Geschäften und öffentlichem Nahverkehr. Es sprächen gewichtige Aspekte für eine Rechtmäßigkeit dieser bis zum 15. Juli befristeten Regelungen, entschied der 3. Senat einer Mitteilung zufolge in einem Eilverfahren.
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Trotz des deutlichen Rückgangs der Neuinfektionen sei weiter davon auszugehen, dass Covid-19 nach wie vor eine weltweit verbreitete und zu bekämpfende Infektionskrankheit sei, die die Gesundheitsbehörden zum Handeln auch gegen nicht erkrankte Dritte verpflichte.
Damit wiesen die Richter den Antrag eines Mannes aus Sachsen-Anhalt ab, der mit öffentlichen Verkehrsmitteln zur Arbeit nach Thüringen pendelt. Er wollte per einstweiliger Anordnung die Thüringer Regeln zu Mindestabstand und Mund-Nasen-Schutz in der Corona-Verordnung außer Vollzug stellen lassen. Dem folgten die Richter nicht. (AFP, dpa)