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Alternative aussichtslos: Dicht an dicht Ende Juni am Müggelsee.
© Fabian Sommer/dpa

Dicht an dicht trotz Coronavirus: Berlins Freibäder bleiben halb leer, aber an den Seen ist es eng

Sonne, aber kein Ticket fürs Bad: In Berlin stehen viele Schwimmer vor einem Dilemma. Wasserretter warnen vor Unfällen an unbeaufsichtigten Stränden.

Was er auf seiner täglichen Joggingstrecke am vorigen Sonnabend beobachtete, schockierte den CDU-Abgeordneten Tim-Christopher Zeelen. An der freien Badestelle am Tegeler See suchten Hunderte etwas Erfrischung. Legitim bei bis zu 32 Grad im Schatten, doch den nötigen Corona-Abstand konnte niemand einhalten. Handtuch an Handtuch, auch im Wasser dicht an dicht. „Die Menschen haben sich gestapelt“, sagt er.

Die Badestelle in Tegel war an diesem Tag nicht der einzige überfüllte Strand. Am Strandbad Müggelsee musste die Polizei den Einlass wegen Überfüllung stoppen, am Strandbad Plötzensee standen Badegäste hunderte Meter Schlange.

Direkt neben dem Strandbad Wannsee bildete sich eine Art Ballermann: Große Gruppen ohne Abstand, in einer Bootsbar wurde Bier im See gekühlt, am Strand spielten Jugendliche Bierpong.

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Selbst im Wasser war es so voll, dass die Luftmatratze die einzige Möglichkeit war, dem Gedränge zu entkommen – Boote waren bereits am Vormittag für den ganzen Tag ausgebucht.

Mit Beginn der Sommerferien ist genau das eingetreten, was viele mit Blick auf die Pandemie befürchtet hatten. Die öffentlichen Bäder, deren Kapazität durch Corona-Regeln stark reduziert wurden, sind Tage im voraus ausgebucht. Doch um trotzdem etwas Erfrischung zu bekommen, strömen viele Berliner an die freien Badestellen.

„Wir dürfen keine rechtsfreien Räume entstehen lassen“, findet CDU-Politiker Zeelen. Viele Menschen würden in diesem Jahr nicht in den Urlaub fahren, hätten aber den Drang in die Natur. Doch auch hier sollten Ordnungsämter und Polizei präsent sein, auf die Abstände hinweisen, Bewusstsein schaffen.

Er macht sich zudem für eine temporäre Nutzung des Strandbad Tegels stark, das seit 2016 aus gewässerschutzrechtlichen Gründen keine Betriebsgenehmigung hat. Abwasserrohre müssten komplett saniert werden. „Mit ein paar Dixi-Klos könnte man den Betrieb ganz einfach für acht Wochen überbrücken“, sagt Zeelen, der sich über die Berliner Bäder ärgert, die ihre Potenziale nicht voll ausnutzen würden.

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„Wenn Herr Zeelen einen Betrieb mit Dixi-Klos organisieren möchte, soll er dafür eine Genehmigung bei der Wasserbehörde beantragen“, sagt Bäder-Sprecher Matthias Oloew verärgert. Der Streit ist alt. Sein Unternehmen darf die Strandbäder in Berlin – mit Ausnahme des Strandbads Wannsee – nicht betreiben. Zudem sei fließendes Wasser während einer Pandemie zwingend erforderlich.

Berlin hat seine eigene Bäder-Obergrenze in der Corona-Zeit

21 Freibäder haben die Berliner Bäder in diesem Sommer geöffnet. Doch kamen in den Sommerferien 2019 bis zu 76.000 Besucher pro Tag, sind es nun noch maximal 15.424 – die Obergrenze. Auf 3,4 Millionen Euro schätzt Oloew die Verluste, die die Bäder allein bis Ende August einfahren werden. Wer dafür aufkommt, ist noch unklar. Trotzdem sagt Oloew: „Das ist das Maximum für unsere Beckenbäder.“

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Die Zahl errechnet sich durch die Kapazitäten im Wasser. 18 Personen dürfen maximal auf eine 50 Meter Doppelbahn. Schon jetzt gebe es an heißen Tagen Stau vor den Becken. Noch mehr Gäste würden noch längere Schlangen und damit eine höhere Infektionsgefahr bedeuten. Am Donnerstag wurde ein Coronavirus-Fall einer Angestellten im Sommerbad Wilmersdorf bekannt. Die gesamte Belegschaft bleibt vorsichtshalber zu Hause, das Bad soll ab Samstag wieder öffnen, wie fast alle Bäder ist es aber bereits ausgebucht.

Keine Mund-zu-Mund-Beatmung mehr

Und so wird es an den Seen und Flüssen Berlins wohl wieder eng, wenn die Temperaturen kommende Woche wieder steigen. „Letztes Jahr war es schon viel, aber dieses Jahr es noch mal voller geworden“, sagt Michael Neiße vom Berliner DLRG. Dort versucht man mit 26 Aufsichtsstationen und mehr als 500 Rettungsschwimmern die vielen Gewässer zu überwachen. Immer mehr Menschen würden auch an wilden Badestellen schwimmen gehen. „Überall, wo man ans Wasser kommt, wird gebadet“, sagt Neiße.

Er habe Verständnis für die Menschen, ruft aber dazu auf, sich an die Baderegeln zu halten und Kinder streng zu beaufsichtigen. „Wir befürchten, dass es mehr Badeunglücke gibt“, sagt Neiße. Bislang sei dies in Berlin zum Glück nicht eingetreten, aber aus der ganzen Republik werden nun fast täglich Unfälle gemeldet.

Für Neiße und seine Rettungsschwimmer bringt die Pandemie weitere Probleme mit sich: Da die Hallenbäder geschlossen sind, ist die Ausbildung aktuell ausgesetzt, Mund-zu-Mund-Beatmung führen die Rettungsschwimmer im Ernstfall nicht mehr durch. Wer unbeaufsichtigt schwimmen gehe, riskiere das Wohl der Ehrenamtler, sagt Neiße: „Wenn wir retten müssen, können wir keine 1,5 Meter Abstand halten.“

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