Bezirk sagt Corona-Hilfe ab: Spahn und AKK empört über Kreuzberger Bundeswehr-Bann
Soldaten helfen bei der Corona-Kontaktnachverfolgung. Gesundheitsminister und Verteidigungsministerin kritisieren die Weigerung von Friedrichshain-Kreuzberg.
Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) hat fassungslos darauf reagiert, dass der Berliner Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg die Hilfe der Bundeswehr bei der Corona-Kontaktnachverfolgung trotz rasant steigender Infektionszahlen kategorisch ablehnt. Das berge die Gefahr, eine Verschärfung der Lage für ganz Berlin zu riskieren, sagte die CDU-Chefin dem Tagesspiegel. Überall sonst werde die Hilfe der Soldatinnen und Soldaten dankbar angenommen.
Auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) kritisierte die Weigerung des Bezirks. In den Gesundheitsämtern kämen bei steigenden Infektionszahlen die Beschäftigten irgendwann an ihre Belastungsgrenzen. „Deswegen unterstützen wir auch seitens des Bundes zum Beispiel mit Bundeswehrsoldaten, zum Beispiel vonseiten des Robert Koch-Instituts“, sagte Spahn in der ARD-Sendung „Extra“ zur Corona-Lage am Mittwochabend. „Übrigens wundert es da schon, wenn hier in Berlin-Friedrichshain dann ein Gesundheitsamt aus ideologischen Gründen mitten in der Pandemie keine Hilfe von der Bundeswehr will.“
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"Mir fehlt jedes Verständnis, dass Rot-rot- grün es eher riskiert, dass es rasant steigende Infektionen gibt, dass Infektionsketten nicht nachverfolgt oder nicht eingedämmt werden können, als sich von der Bundeswehr helfen zu lassen", sagte Kramp-Karrenbauer. "Und das ausschließlich aus ideologischen Gründen." Jeder, der das so entscheide, "der muss sich dann auch dafür verantworten, wenn Patienten nicht mehr behandelt werden können, weil etwa Beatmungsplätze in Krankenhäusern fehlen, wenn deshalb Kinder nicht in die Schule gehen können und Ihre Eltern möglicherweise den Arbeitsplatz verlieren".
In elf Berliner Bezirken kommen bereits Soldaten zum Einsatz, die bei der oft telefonischen beziehungsweise IT-gestützten Nachverfolgung der Kontakte von Infizierten oder in Teams für Tests eingesetzt werden. Zu den bisher 60 Soldatinnen und Soldaten sollen noch einmal 180 dazukommen.
Nur Friedrichshain-Kreuzberg möchte nicht darauf zurückgreifen – obwohl die Zahl der Neuinfektionen dort sehr hoch ist und immer wieder an der kritischen Obergrenze von 50 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner in sieben Tagen kratzt.
Linke: "Bundeswehr raus aus den Gesundheitsämtern"
Im August hatte der Berliner Landesverband der Linkspartei einen Antrag mit dem Titel "Bundeswehr raus aus den Gesundheitsämtern" beschlossen. Eine "schleichende Vermischung ziviler und militärischer Kompetenzen" sei aus Gründen der Bewahrung der Demokratie und angesichts "der Erfahrungen mit dem deutschen Militarismus eindeutig abzulehnen", heißt es darin.
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Dass die Gesundheitsämter ihrer Arbeit auch ohne Militär nachkommen können, zeige Friedrichshain-Kreuzberg. Schon bei der ersten Infektionswelle hatte der Bezirk eine Unterstützung abgelehnt. Da die Absage zu spät kam, erschienen jedoch zunächst fünf Soldaten und wollten ihren Dienst antreten. Sie wechselten dann ins Bezirksamt Mitte.
15.000 Soldaten im Corona-Einsatz
Kramp-Karrenbauer betonte:. "Wir haben als Bundeswehr ein Corona- Kontingent aufgestellt mit insgesamt 15.000 Mann. Wo immer wir gefordert sind und sich das mit unserer Gesetzeslage vereinbaren lässt, helfen wir.“ So hilft die Bundeswehr auch bei den Fieberambulanzen und bei Tests – wie etwa im Fall des Corona-Ausbruchs in der Fleischfabrik Tönnies.
Die Verteidigungsministerin betonte: „Wir drängen unsere Hilfe nicht auf.“ Aber die Menschen in Berlin erwarteten ganz sicher, dass die Verantwortlichen dafür sorgen, dass sofort von anderen Berliner Verwaltungsstellen zivile Kräfte kommen. "Nur zu sagen: Es ist uns egal, das reicht nicht aus", betonte Kramp-Karrenbauer.
Die SPD-Fraktion in der Bezirksverordnetenversammlung Friedrichshain-Kreuzberg brachte für die nächste Sitzung an diesem Donnerstag einen Dringlichkeitsantrag ein, um doch noch die Hilfe zuzulassen. "Die mit den Maßnahmen zur Eindämmung befassten Verwaltungseinheiten arbeiten seit Monaten am Limit ihrer Kapazitäten", heißt es im Antrag.
Bleibe es bei dem Bundeswehr- Bann, müssten aus anderen Einheiten Leute abgezogen wären. Die Folgen wäre "neue Lücken" im Service für die Bürger an anderer Stelle.