Steigende Corona-Zahlen in Berlin: Innenstadtbezirke stehen „mit dem Rücken zur Wand“
Besonders im Stadtzentrum grassiert das Virus immer stärker. Illegale Partys und Familienfeiern gelten als Beschleuniger.
Der immer leichtsinnigere Umgang mit dem Coronavirus stellt die Gesundheitsämter berlinweit vor immense Herausforderungen. Davon betroffen sind vor allem die Innenstadtbezirke Friedrichshain-Kreuzberg, Mitte und Neukölln. Private sowie illegale Partys, aber auch Familienfeiern gelten als Beschleuniger der insbesondere in diesen Bezirken ansteigenden Infektionszahlen.
Detlef Wagner (CDU), Gesundheitsstadtrat von Charlottenburg-Wilmersdorf, bezeichnete den dortigen Anstieg der Fallzahlen als „beeindruckend“ und sagte mit Blick auf seiner Kollegen in der Innenstadt: „Die Gesundheitsämter stehen mit dem Rücken zur Wand.“
Knut Mildner-Spindler (SPD), Gesundheitsstadtrat von Friedrichshain-Kreuzberg und damit des berlinweit aktuell am stärksten betroffene Bezirks, sagte: „Wären wir eine Kommune wie Garmisch-Partenkirchen, würden wir wohl ähnlich handeln.“ Der Landkreis hatte nach einem Corona-Ausbruch zuletzt weitreichende Einschränkungen des öffentlichen Lebens verhängt.
Mildner-Spindler hält diese angesichts der steigenden Infektionszahlen in seinem Bezirk zwar für angebracht, aufgrund der Lage allerdings nicht durchsetzbar. Kommende Woche wollen Vertreter der Innenstadtbezirke mit Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) über das Problem beraten.
Nachdem sich ein bereits in der vergangenen Woche bekannt gewordener Corona-Ausbruch in einem Schöneberger Pflegeheim ausgeweitet hat, wurde die Einrichtung am Donnerstag komplett geschlossen. „Der Fall hatte eine Größenordnung erreicht, bei der die adäquate Betreuung der Bewohner nicht mehr gewährleistet werden konnte“, erklärte Schönebergs Gesundheitsstadtrat Oliver Schworck (SPD).
Mehr als 40 Infizierte
Tagesspiegel-Informationen zufolge war die Zahl der infizierten Mitarbeiter und Bewohner von ursprünglich 21 zuletzt auf mehr als 40 gestiegen. Schworck wollte das zwar nicht bestätigen, erklärte aber, zuletzt seien Mitarbeiter seiner Behörde „sehr regelmäßig“ in der Einrichtung gewesen, um die nötigen Schritte vorzubereiten. Sämtliche Bewohner seien in einem anderen Pflegeheim untergebracht worden.
Die Schließung solle 14 Tage lang anhalten, sagte Schworck weiter und kündigte an: „Wir werden auch danach ein Auge darauf haben, dass die Hygienemaßnahmen in dem Heim eingehalten werden.“ Hinter vorgehaltener Hand berichtete ein Amtskollege Schworcks, der Ausbruch in dem Heim in der Zietenstraße überrasche ihn nicht.
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Tagesspiegel-Informationen zufolge war zuerst eine Pflegekraft positiv auf das Coronavirus getestet worden. Sie habe mit Corona-Symptomen über mehrere Tage hinweg ihren Dienst fortgesetzt und dabei mehrere Kolleginnen angesteckt.
Unterdessen wurde am Freitag der erste Corona-Fall bei einem Inhaftierten im geschlossenem Vollzug öffentlich. Justiz-Staatssekretärin Daniela Brückner zufolge kam der junge Mann in der Nacht zu Donnerstag in die Jugendstrafanstalt. Er sei „wie vorgesehen auf der Präventiv-Isolationsstation untergebracht und auf Covid-19 getestet“ worden.
Der Test fiel positiv aus. Alle bediensteten Kontaktpersonen seien in häusliche Quarantäne geschickt worden, so Brückner weiter. Der 19-jährige Gefangene sollte am Freitag unter Beachtung der Schutzmaßnahmen in den regulären Quarantänebereich verlegt werde.