Zum Tod von Zbigniew Brzezinski: Sozialer Falke
Carters Sicherheitsberater war eine Autorität in der US-Außenpolitik. In der Innenpolitik stand er links, in seiner Russland-Skepsis übertraf er rechte Republikaner.
Zu den erstaunlichen Charakterzügen der Weltmacht USA gehört die Auswahl ihrer außenpolitischen Autoritäten. Seit Jahrzehnten haben zwei Menschen die geostrategischen Debatten in Washington dominiert und sind von fast allen amtierenden Präsidenten regelmäßig um Rat gefragt worden, die keine gebürtigen Amerikaner sind.
Zwei Immigranten dominieren die Debatte: Brzezinski und Kissinger
Einer der beiden war der polnische Immigrant Zbigniew Brzezinski, der am Freitag gestorben ist: im Alter von 89 Jahren im Krankenhaus nahe seines Alterssitzes in Fairfax, Virginia. Der andere ist Henry Kissinger, ein jüdischer Deutscher aus Fürth, der an diesem Sonnabend seinen 94. Geburtstag begeht.
Bemerkenswerterweise hat es ihrem Ruf nicht geschadet, dass die Präsidenten, denen sie als Nationale Sicherheitsberater dienten, nicht gerade als erfolgreiche Präsidenten gelten. Brzezinksi übte dieses Amt von 1977 bis 1981 unter dem Demokraten Jimmy Carter aus, der nicht wiedergewählt wurde; Kissinger unter Richard Nixon, der im Watergate-Skandal zurücktreten musste.
Der Misserfolg seines Präsidenten schadet ihm nicht
Carter hatte die Amerikaner innen- wie außenpolitisch enttäuscht. Zum Eindruck einer Schwächeperiode des US-Einflusses trugen die Ölkrise, der sowjetische Einmarsch in Afghanistan und die Besetzung der US-Botschaft in Teheran in Folge der islamischen Revolution bei, die in eine 444 Tage dauernde Geiselaffäre mündete; der gewaltsame Befreiungsversuch durch eine Spezialeinheit, die Brzezinski empfohlen hatte, scheiterte.
Brzezinski stand für einen ungewöhnlichen Mix politischer Überzeugungen. Innenpolitisch stand er links der Mitte, kritisierte die ökonomische „Gier“ des amerikanischen Gesellschaftssystems und die wachsende Ungleichheit. Seine außenpolitischen Ansichten, voran die scharfe Ablehnung der Sowjetunion, waren eher das Markenzeichen des rechten Flügels der Republikaner.
Der rote Faden in Brzezinskis geostrategischem Denken war die Bedrohung der westlichen Welt durch die kommunistische Sowjetunion, deren Machtanspruch er als expansionistisch wahrnahm. Er trat für eine Annäherung an China ein. 2003 gehörte er zu den wenigen US-Experten, die den absehbaren US-Angriff auf den Irak unter George W. Bush für einen Fehler hielten.
Aufstieg eines Flüchtlings aus Polen
Brzezinski wurde 1928 in Warschau geboren. Die Familie zählte zum polnischen Kleinadel, der Vater war Diplomat. So wuchs „Zbig“, wie ihn seine Freunde später nannten, in Paris und Berlin auf in den Jahren, als Adolf Hitler an die Macht kam. Vor Kriegsausbruch zog die Familie nach Kanada und blieb dort, als die Kommunisten auch in Polen die Herrschaft übernahmen. An der McGill-Universität in Montreal und in Harvard, wo der Flüchtlingssohn dank Stipendien studieren konnte, spezialisierte sich Brzezinski auf die Sowjetunion und ihr Herrschaftssystem.
Dank Expertise und Ehrgeiz wurde er über die Jahre zu einem gefragten Berater wechselnder amerikanischer Führungen. Auf Carter, den Gouverneur von Georgia, traf Brzezinski in der „Trilateral Commission“, die David Rockefeller 1973 gegründet hatte, um Führungskräfte aus den USA, Japan und Europa gemeinsam über die drängendsten Herausforderungen nachdenken zu lassen.
Bewaffnung der Mujaheddin in Afghanistan
Als Carters Sicherheitsberater bekämpfte er die Sowjetunion, wo er konnte, sprach sich für die Bewaffnung von Widerstandsgruppen in allen Stellvertreterkriegen mit Moskaus aus, darunter die Mujaheddin in Afghanistan. Er verzögerte die Umsetzung des SALT-II-Abrüstungsvertrags. Sein Ziel war amerikanische Dominanz über die Sowjetunion, nicht Akzeptanz eines Machtgleichgewichts. Diesem Ziel diente die Annäherung an China. In diesen Fragen trug er einen harten Machtkampf hinter den Kulissen mit Außenminister Cyrus Vance aus. Vance trat schließlich zurück.
Nach Carters Wahlniederlage blieb Brzezinski ein gefragter außenpolitischer Stratege, lehrte Außenpolitik an Universitäten und Think Tanks, schrieb unzählige Bücher, in denen er sein Denken verteidigte: Die USA dürften ihren Weltmachtanspruch nicht aufgeben, müssten ihn aber ideell immer wieder positiv neu begründen – nicht als Hegemon, sondern als Macht der Freiheit und der Hoffnung für andere Nationen und Staaten. Barack Obama legte Wert auf seinen Rat, Donald Trump nicht.
Kein Frieden mit Russland
Mit Russland schloss Brzezinski nicht Frieden, das wäre zu viel gesagt. Nach dem Sturz des kommunistischen Systems und der Befreiung seines Heimatlandes Polen war er aber immerhin bereit, Moskau als Gesprächspartner zu akzeptieren. Er blieb freilich skeptisch gegenüber Russland, dessen geringer Bereitschaft zum Kompromiss und dessen Machtansprüchen. Sein 1997 erschienenes Buch „The Grand Chessboard“ liest sich heute wie eine hellseherische Prognose, was eine Figur wie Wladimir Putin für die Nachbarn bedeute, von der Ukraine bis zu den eurasischen Staaten.