Berater des US-Präsidenten: Donald Trump und die Fürsten der Finsternis
Der neue Präsident bricht mit allem, wofür die USA standen. Diese Entscheidungen fällt er nicht allein. Ein Blick in den Kreis seiner Berater zeigt, wer im Weißen Haus wirklich das Sagen hat.
Eine klassische Technik der politischen Analyse kommt zu neuen Ehren: Bildinterpretation. Wer steht wo im Umfeld der Macht? Und was lässt sich daraus ablesen für den jeweiligen Einfluss? In den Jahrzehnten des Kalten Kriegs hatten sich Generationen von Kremlbeobachtern darauf spezialisiert, aus Fotos von Politbürositzungen, Paraden und Begräbnissen abzuleiten, wer in der Sowjetunion auf- und wer absteigt.
2017 ist anders. Es geht nicht darum, herauszufinden, wie das gegnerische Lager aufgestellt ist. Deutschland und andere westliche Alliierte rätseln vielmehr, wer im Weißen Haus das Sagen hat.
Die Stunde der Einflüsterer
Auf den Bildern, die Donald Trump beim Unterzeichnen der Dekrete zeigen, sind zwar nicht stets dieselben Personen zu sehen und auch nicht in den immergleichen Positionen der Inszenierung. Aber drei bis vier Personen dominieren den Raum um Trump. Schwiegersohn Jared Kushner, Strategieberater Stephen Bannon, Stabschef Reince Priebus sind so gut wie immer dabei, Vizepräsident Mike Pence fehlt mitunter. Schon an der Körpersprache ist abzulesen, dass Kushner und Bannon, selbst wenn sie halb im Hintergrund stehen, enormes Selbstbewusstsein ausstrahlen.
Doch wer aus dem näheren Umfeld hat denn nun den entscheidenden Einfluss auf den neuen Präsidenten? Darüber sind sich nicht einmal die US-Medien einig, die Trump und seine Vertrauten aus nächster Nähe beobachten. Es ist zudem eine zweischneidige Frage. Einerseits ist mit dem Ruf, der Einflüsterer des Präsidenten zu sein, Macht und Ansehen verbunden. Andererseits kann viel Einfluss auch negativ enden – dann nämlich, wenn eine Operation schief geht und die Suche nach den Schuldigen beginnt. Dafür gab es in den ersten zwölf Tagen der Trump-Präsidentschaft Anlässe genug. Das Dekret zum Einreiseverbot für Muslime löste Chaos an den Flughäfen aus. Das Weiße Haus musste sich korrigieren. Auch die Reform des Nationalen Sicherheitsrats verlief nicht glatt.
Stephen Bannon, der Populist
Am Dienstag porträtierte die „New York Times“ Chefberater Stephen Bannon als die graue Eminenz, die aus dem Hintergrund die Fäden ziehe – unter der für den Egomanen Trump wohl schwer erträglichen Überschrift „President Bannon?“ Der Populist war von dem extrem konservativen Internetportal „Breitbart News“, das mit reißerischen und zum Teil erfundenen Skandalgeschichten groß wurde, zu Trump gestoßen. Im Wahlkampf hatte er ihn immer wieder zu Ausfällen gegen das Establishment animiert – gerade auch gegen das Establishment der Republikanischen Partei, als deren Kandidat Trump antrat. Für die Zeitung ist Bannon nicht nur ein ungewöhnlich einflussreicher Berater wie das Karl Rove für George W. Bush war oder Dick Morris für Bill Clinton. Er wird als „Prince of Darkness“ dargestellt, als Fürst der Finsternis.
Jeff Sessions, der Getreue
Die „Washington Post“ sieht allerdings im designierten Justizminister Jeff Sessions aus Alabama den allmächtigen „Godfather“. Die Dekrete der ersten Tagen trügen zwar Trumps Unterschrift. Ihr geistiger Vater aber sei der republikanische Senator aus Alabama. Sessions hatte als erstes Kongressmitglied Trump unterstützt, war mit ihm aufgetreten, als das für arrivierte Konservative noch als peinlich galt. Und er hatte ihm seine eigenen Berater zur Verfügung gestellt, darunter Stephen Miller, der inzwischen Trumps Reden entwirft.
Wer Sessions seit Jahren kennt, dem dürfte es schwer fallen, in ihm einen Machiavellisten hinter Trump zu sehen. Mit seiner wenig geschliffenen Rhetorik, der provinziell anmutenden Sprache und dem unüberhörbaren Südstaatenakzent wirkt er wie ein altmodischer Plantagenbesitzer. Er hat Humor, aber der ist gewöhnungsbedürftig und sagt viel darüber aus, was Sessions von Gleichberechtigung für Minderheiten und Frauen hält. Er witzelt gerne, er habe nichts gegen den Ku-Klux-Clan gehabt, bis er herausfand, dass die dort Hasch rauchen. Er kommt gerne nach Europa und hat sich vergeblich dafür eingesetzt, dass die US Air Force ihre Tankflugzeuge bei Airbus bestellt statt bei Boeing – was so gar nicht nach „America First“ klingt.
Jared Kushner, der Schwiegersohn
Von den Personen, die auf den Bildern in Trumps engstem Umfeld auftauchen, hat Jared Kushner die größte Nähe zu ihm. Das war bereits im Wahlkampf und in der Übergangszeit zwischen Wahl und Amtseinführung zu beobachten. Familienbande waren für Trump schon immer wichtiger als Geschäftsbeziehungen. Da er als Seiteneinsteiger in die Politik kam, bleiben sie auch im Amt wichtiger als politische Nähe. Kushner, der mit Trumps Tochter Ivanka verheiratet ist, begleitete den Wahlsieger zum ersten Besuch bei Barack Obama ins Weiße Haus. Er mäßigt Trump, wenn dem das Temperament durchgeht.
Ein Defizit Trumps kann aber auch Kushner nicht wettmachen. Beiden fehlt die Erfahrung mit staatlicher Bürokratie und Gewaltenteilung. Gegen den Rat seiner Minister ordnete Trump per Dekret an, das Einreiseverbot für Muslime solle auch für die Besitzer einer Green Card, also einer permanenten Aufenthaltsgenehmigung, gelten. Eine Bundesrichterin urteilte kurz darauf in einer Eilentscheidung, dass Green-Card-Inhaber doch einen Anspruch auf Einreise haben.
Reince Priebus, der Organisator
Kritik richtet sich auch an den Stabschef. Reince Priebus. Er ist schon länger in der Politik. Er war Cheforganisator der Republikanischen Partei und musste wissen, dass man ein Dekret aus guten Gründen mit dem Fachministerium abstimmt. Offenbar reichte sein Einfluss nicht, um sich jenen Beratern entgegen zu stellen, die Trump zu einem raschen Politikwechsel ohne Rücksicht auf Recht und Durchführbarkeit drängen.
Mike Flynn, der Verlierer
Seine Machteinbuße und Stephen Bannons Aufstieg sind zwei Seiten einer Medaille: der Neuordnung des National Security Council (NSC). Ein klug vorgehender Sicherheitsberater kann den NSC mit seinen 180 festangestellten Experten zum eigentlichen Machtzentrum der Außen- und Sicherheitspolitik machen. Henry Kissinger hat das unter Richard Nixon bewiesen und Zbigniew Brzezinski unter Jimmy Carter.
Flynn hatte sich als früher Unterstützer Trumps hervorgetan, war zuletzt aber durch Peinlichkeiten und ein arrogantes Auftreten aufgefallen. Ursprünglich war der Ex-General Demokrat und leitete unter Obama den militärischen Geheimdienst. Der entließ ihn aber. Bei Wahlkampfauftritten Trumps führte Flynn die Sprechchöre gegen Hillary Clinton an: „Sperrt sie ein!“ Seinem Sohn verschaffte er eine Position im Wahlkampfteam. Als der die Lüge verbreitete, Clinton leite von einem Lokal in Washington aus einen Kindersexring, wurde es selbst Trump zu viel. Flynns Sohn wurde gefeuert, er selbst büßte viel Glaubwürdigkeit ein. Man sieht ihn noch auf Fotos aus dem Oval Office. In Wahrheit kann er nicht einmal mehr bestimmen, wer dem Sicherheitsrat angehört, den er leitet.
Per Dekret hat Trump Chefberater Bannon einen ständigen Sitz dort verschafft und gleichzeitig den Chef des Generalstabs, General Joseph Dunford, und den Geheimdienstkoordinator Dan Coats zu gelegentlichen Gästen im NSC degradiert. Das ist ein Tabubruch. Bisherige Präsidenten haben streng darauf geachtet, dass politische Berater nicht Mitglieder des NSC sind. Denn dort werden Entscheidungen über Krieg und Frieden getroffen. Die sollen nicht in den Verdacht geraten können, dass politische Opportunität eine Rolle spiele. George W. Bush untersagte es Berater Karl Rove ausdrücklich, zu NSC-Sitzungen zu gehen. Obamas Wahlstratege David Axelrod war gelegentlich Gast – das war womöglich der erste Vorstoß zu diesem Tabubruch – war aber kein NSC-Mitglied.
Mike Pence, der Ersatzmann
Er wird mitunter als der eigentliche Dirigent hinter den Kulissen vorgestellt, auch wenn er meist still und leise im Hintergrund agiert. Der frühere Gouverneur von Indiana ist Vizepräsident. Fiele Trump aus, würde Pence Präsident. Manchen in Europa macht das Angst, weil er angeblich ein ideologischer Konservativer sei, der Abtreibung und Homosexualität verdamme. Seine Bilanz in Indiana weist ihn eher als pragmatischen Konservativen aus. Donald Trumps Unberechenbarkeit und dessen Aufbrausen sind Pence fremd. Auch von ihm müsste man angesichts seiner Regierungserfahrung erwarten, dass er die erratischen Züge und das Chaos der ersten Amtstage mäßigen hilft.
Reicht sein Einfluss dafür? Den Bildern lässt sich das nicht entnehmen. Und wenn er es am Ende wäre, der Trump zivilisiert, wird man es kaum beweisen können. Erfolg hat viele Väter.