„Hardliner“ gegen „Bremser“: So wird in der EU über weitere Russland-Sanktionen diskutiert
Die EU hat die Optionen der Sanktionen gegen Russland noch nicht ausgereizt. Doch bei der Debatte über die Details teilt sich die Gemeinschaft in drei Lager.
Mit jedem Kriegstag wächst in der EU der Druck auf Deutschland, einem möglichen Importstopp für Gas, Öl und Kohle aus Russland zuzustimmen.
Wenn sich am Montag zunächst die EU-Außenminister und anschließend am Donnerstag und Freitag die Staats- und Regierungschefs der EU beim Gipfel mit einer möglichen Verschärfung der Sanktionen befassen, wird sich aller Voraussicht nach eine Gruppe von fünf Staaten für schnelle und deutliche Schritte stark machen.
Bei diesen „Hardlinern“ handelt es sich um Polen, die Slowakei sowie die drei baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen.
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Aus EU-Kommissionskreisen hieß es, dass ein Stopp der Energieimporte aus Russland nicht auszuschließen sei. „Das wird immer davon abhängen, was sich in der Ukraine abspielt“, hieß es.
Derweil gilt ein Importbann als schärfstes Schwert unter den noch möglichen Strafmaßnahmen. Unterhalb dieser Schwelle wird in der EU-Kommission auch über andere Gegenmaßnahmen nachgedacht – etwa die Ausdehnung der Strafmaßnahmen auf weitere Wirtschaftsbereiche.
Bislang sind in Russland unter anderem der Verkehrs-, Energie- und Technologiesektor betroffen.
Eine neue Sanktionsrunde muss von allen 27 EU-Staaten gebilligt werden. Nach Angaben von EU-Diplomaten gibt es neben den Verfechtern einer möglichst harten Sanktionspolitik um Polen noch zwei weitere Lager.
Da sind einerseits die „Bremser“ um Deutschland. Zu dieser Gruppe gehören auch Italien, Ungarn, Österreich und Bulgarien. Bulgarien ist zu 70 Prozent von Gaslieferungen aus Russland abhängig.
Einfrieren von russischen Fondsvermögen als Option
Daneben gibt es noch die große Mehrheit der EU-Staaten, welche die Option eines Importbanns auf dem Tisch behalten, aber in jedem Fall niedrigschwelligere Sanktionsmöglichkeiten möglichst rasch durchsetzen wollen.
Zu diesen Möglichkeiten gehört die Option, russisches Vermögen in Treuhandfonds in der EU einzufrieren. Dabei ist ein EU-weites Vorgehen geboten, weil die betreffenden Fonds in mehreren Staaten wie Luxemburg, den Niederlanden, Irland, Malta und Zypern angesiedelt sind.
Auch Frankreich macht bei Sanktionen Tempo
Zum großen Lager der EU-Staaten, die weder zu den „Hardlinern“ noch zu den „Bremsern“ gehören, zählt auch Frankreich. Das Land hat gegenwärtig den rotierenden EU-Vorsitz. Diese Rolle verpflichtet Frankreich zur Neutralität.
Dennoch hat die Regierung in Paris nichts dagegen, dass in der Debatte um eine weitere Verschärfung der Sanktionen mehr Tempo gemacht wird. Frankreich ist weniger abhängig von russischen Energieimporten als Deutschland.
Während hierzulande 55 Prozent des Bedarfs an Erdgas mit russischen Importen gedeckt werden, sind es in Frankreich nur rund 20 Prozent.
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Bei einer Pressekonferenz zur Vorstellung seines Wahlprogramms hatte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron am Donnerstag erklärt, dass Frankreich grundsätzlich unabhängiger werden müsse in einer „neuen Epoche, die von der Rückkehr der Krisen und des Krieges“ gekennzeichnet sei.
Bezogen auf die Energiepolitik hatte Macron für die Zeit bis 2050 nicht nur die Errichtung von 50 neuen Windparks als Ziel ausgegeben, sondern seine Ankündigung zum Bau von sechs Atomreaktoren der neuen Generation wiederholt.
Angesichts der energiepolitischen Folgen des Krieges fühlt sich Macron in seiner Entscheidung bestätigt, die Nutzung der Kernkraft auszubauen.