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Bundeswehrsoldaten der Eliteeinheit Kommando Spezialkräfte (KSK) trainieren den Häuserkampf und eine Geiselbefreiung.
© picture alliance / Kay Nietfeld/dpa

„Die Mauer des Schweigens bricht“: So soll dem KSK der toxische Corpsgeist ausgetrieben werden

Die Soldaten bleiben nicht mehr nur in einer Kaserne, die Ausbildung kommt von extern: AKK baut nach Rechtsextremismus-Skandalen das KSK um.

Das Kommando Spezialkräfte (KSK) der Bundeswehr wird teilweise aufgelöst und verliert seine bisherige Autonomie. Mit dieser Entscheidung will Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) das rechtsextreme Netzwerk in der Elitetruppe aufbrechen.

Das KSK habe sich „in Teilen verselbstständigt, auch weil es eine toxische Führungskultur Einzelner gab“, sagte KrampKarrenbauer der „Süddeutschen Zeitung“. „Daraus folgt, dass das KSK nicht in seiner jetzigen Verfassung bestehen bleiben kann.“

Sie setzte der Einheit gleichzeitig eine Bewährungsfrist bis zum Herbst. Sollten sich die Zustände nicht bessern, droht dem Verband die Zerschlagung.

Letzter Auslöser für Kramp-Karrenbauers Einschreiten war ein Waffen- und Sprengstofflager, das ein als Rechtsextremist verdächtigter KSK-Soldat in Sachsen angelegt hatte. Der Militärische Abschirmdienst hatte das KSK vorher schon zum Schwerpunkt von Ermittlungen gemacht.

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Aktuell kennt der Dienst 30 rechtsextreme Verdachtsfälle. MAD-Präsident Christof Gramm hatte erst am Montag in einer Parlamentsanhörung eine „Mauer des Schweigens“ beklagt, die die Verdächtigen abschirme. Im Zuge der Ermittlungen hatte sich allerdings auch herausgestellt, dass ein MAD-Mitarbeiter Unterlagen über die laufende, zum Teil verdeckte Ermittlung an einen Bekannten im KSK durchgestochen hatte.

"Mauer des Schweigens bricht"

„Die Mauer des Schweigens bricht“, sagte die Ministerin jetzt der „Süddeutschen“. Konkret wird zunächst eine der vier Kompanien der Eliteeinheit im baden-württembergischen Calw aufgelöst, in der sich die rechtsextremen Verdachtsfälle gehäuft hatten.

Die Verdächtigen werden sofort in normale Bundeswehr-Einheiten versetzt, bis über ihren Fall und eine Entlassung entschieden ist.

Die unbelasteten Soldaten der etwa 70 Männer und Frauen starken 2. Kompanie werden nach einer Überprüfung auf die verbleibenden KSK-Verbände verteilt. Die Verantwortung für die Ausbildung wird der Einheit entzogen und der Infanterieschule des Heeres in Hammelburg unterstellt.

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Generell sollen die Elitesoldaten, die bisher praktisch nicht aus der streng abgeschirmten Calwer Kaserne hinauskamen, in der Ausbildung in andere Stationen in der Bundeswehr rotieren und auch kürzer beim KSK bleiben. 

So soll der unbedingte Corpsgeist und Kadavergehorsam verhindert werden, über den ein KSK-Hauptmann vor Kurzem in einem Brief an die Ministerin berichtet hatte. Bei der Eignungsprüfung soll deutlich mehr Gewicht auf staatsbürgerliche Haltung gelegt werden.

KSK-Kommandant bleibt

Der Reformversuch soll zentral unter Oberaufsicht des Generalinspekteurs überwacht und gesteuert werden. Kommandeur Markus Kreitmayr, der den Verband seit 2018 führt und die Probleme deutlich angesprochen hatte, bleibt auf seinem Posten.

Allerdings gilt auch für ihn die Bewährungsfrist. Bei einem Besuch in Calw hatte Kramp-Karrenbauer am Montag deutlich gemacht, dass jedes Mitglied der Elitetruppe jetzt selbst entscheiden müsse, ob er Teil des Problems oder der Lösung sein wolle.

„Wenn aber die Angehörigen des KSK diesen Schuss jetzt nicht gehört haben, wird sich unausweichlich die Frage nach einer Neuordnung des KSK stellen“, warnte sie.

KSK: 1996 gegründet

Das KSK war 1996 nach dem Vorbild britischer, französischer und amerikanischer Elitetruppen aufgestellt worden. Seine Mitglieder sind auf Geiselbefreiung und andere verdeckte Einsätze spezialisiert, über die auch im Bundestag nur wenige Abgeordnete im Geheimen informiert werden.

Kramp-Karrenbauer würdigte am Dienstag im Saarländischen Rundfunk grundsätzlich die Verdienste der geheim operierenden Einheit, die schon vielen Menschen das Leben gerettet habe. „Wir brauchen auf jeden Fall Spezialkräfte“, sagte sie. Es brauche aber gerade in sie ein besonderes Vertrauen.

Abschiedsfeier mit Hitlergruß und Schweinekopf

Der Verdacht, dass die Truppe rechtsextrem unterwandert ist, kam zuerst nach einer Abschiedsfeier für einen Kommandeur im Jahr 2017 auf, bei der Rechtsrock-Musik gespielt, der Hitlergruß gezeigt und Schweineköpfe geworfen worden sein sollen.

An dieser Feier hatte auch der Oberstabsfeldwebel teilgenommen, bei dem Ermittler kürzlich in Sachsen zwei Kilo Sprengstoff, 6000 Schuss Munition und Waffen aus BundeswehrBeständen sicherstellten. Kramp-Karrenbauer nannte den Vorfall „alarmierend“.

Es müsse geklärt werden, woher dieses Arsenal stamme. Beim KSK wird grundsätzlich auch bei Übungen mit scharfer Munition geschossen. Die Nachweisbücher wurden aber offenbar extrem schlampig geführt. Nach einem Bericht für den Bundestag ist in den Schießbüchern und Materiallisten derzeit nicht mehr nachzuvollziehen, wo 48 000 Schuss und 62 Kilogramm Sprengstoff geblieben sind.

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