Partei wehrt sich gegen Arroganz-Vorwurf: So soll das Öko-Bürgergeld der Grünen funktionieren
Die Grünen wollen vieles verteuern: Heizen, Fliegen, Tanken. Das ist sozial ungerecht, kritisiert die Linke. Dagegen setzen die Grünen ihr jährliches Öko-Bürgergeld.
Wie halten es die Grünen mit den sozial Schwachen? Diese Gretchen-Frage gewinnt in dem heraufziehenden Bundestagswahlkampf an Fahrt. Das Heizen soll nach dem Willen der Klimaschutz-Partei eher teurer werden, der CO2-Preis steigen, ebenso wie der fürs Fliegen. Und natürlich soll Benzin teurer werden – laut Grünen-Chefin Annalena Baerbock um 16 Cent.
Eine volle Polemik-Breitseite vor allem gegen die Pläne für die Tankstellen kommt von der Linken. Fraktionschefin Amira Mohamed Ali wirft den Grünen vor, Klimapolitik auf dem Rücken der Kleinen Leute zu betreiben.
„Höhere Benzinpreise? Baerbock schaut mit einer unerträglichen Arroganz auf die Menschen mit kleinen Einkommen. Denn die trifft das wirklich, während Reiche weiter problemlos volltanken“, schreibt sie auf Twitter. „Das ist keine sinnvolle Klimapolitik, sondern spaltet die Gesellschaft noch weiter.“
Die Grünen wollen das nicht auf sich sitzen lassen: Für „Desinformation hält der Grünen-Europaabgeordnete Reinhard Bütikofer es, das geplante „Energiegeld“ seiner Partei zu verschweigen. „Eine Basis für die maßlose sozialdemagogische Propaganda der Linkspartei bieten die Kalkulationen nicht“, schreibt er auf Twitter.
Was ist also dran am Vorwurf, dass sich nur Klimaschutz ohnehin nur die Besserverdienenden leisten? Wen würden die Grünen-Klimapläne am stärksten belasten? Denn es ist vor allem die Ökopartei, die mit dem Versprechen in den Wahlkampf zieht, beim deutschen Klimaziel kräftig nachzubessern: Bis 2030 soll der CO2-Ausstoß im Vergleich zu 1990 nicht mehr nur um 65 Prozent gesenkt werden, sondern um 70 Prozent. Das wird eine ganze Stange Geld kosten.
Fest steht: Zunächst einmal müssen nach den Grünen-Plänen alle tiefer in die Tasche greifen. Geht es nach ihnen, soll der CO2-Preis von derzeit etwa 25 Euro pro Tonne bis 2023 auf 60 Euro steigen.
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Das würde in der Tat – ohne begleitende, politische Korrekturen – die Ärmsten empfindlicher treffen als die Wohlhabenderen. Denn in Deutschland geben die sozial Schwächeren relativ gesehen einen hohen Anteil ihres Einkommens für CO2-intensive Güter aus – obwohl absolut gesehen die Reicheren mehr CO2 verursachen. Konkret: Die wohlhabendsten zehn Prozent der Deutschen verursachen ungefähr einen so hohen CO2-Ausstoß wie die ganze untere Hälfte der Bevölkerung zusammen.
Um die Energie- und Klimapolitik sozial gerecht zu gestalten, braucht es also einen Ausgleich. Sonst könnten sich tatsächlich irgendwann nur noch die Reichen ihren – Achtung: Klischee – SUV volltanken. Und genau hier haken die Grünen auch ein, durch das von Bütikofer erwähnte „Energiegeld“. Diese Rückerstattung der Einnahmen aus dem CO2-Preis, oft auch „Bürgergeld“ genannt, soll an alle gehen – und pro Kopf gleich hoch sein. Laut Baerbock soll es um die 75 Euro liegen.
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Nun kommt der Clou: Weil die oberen zehn Prozent wegen ihres höheren CO2-Ausstoßes etwa fünf Mal so viel zahlen wie die untere Hälfte, wäre das „Bürgergeld“ eine klassische Umverteilung von oben nach unten. Vor allem Familien ohne Auto oder mit nur einem kleinen würden profitieren – ebenso wie Menschen in kleineren Wohnungen.
Es dürfte trotzdem auch zu Ungerechtigkeiten kommen
Denn die Einnahmen des CO2-Preises für den Staat würden auch aus dem Gebäudebereich kommen. Schließlich müssen die Menschen auch heizen und Strom beziehen. Werden aber Heizen mit fossilen Energieträgern sowie das Tanken mit Benzin und Diesel teurer, sollen sich – so die Grünen-Idee – immer mehr Menschen für alternative Antriebe oder neue Heizungen entscheiden. Das „Bürgergeld“ könnte dabei dann auch für die EEG-Umlage eingesetzt werden uns soll damit vor allem ärmeren Stromkunden helfen.
Im Detail sind hier aber auch bei den Grünen noch viele Fragen offen: Was sind die ganz konkreten Folgen für Autofahrer und Mieter? Werden sie überfordert? Wie genau sollen CO2-Einnahmen an die Menschen zurückgegeben werden? Und profitiert nicht eine CO2-arm lebende Besserverdiener-Familie überproportional vom Öko-Bürgergeld?
Aktuell kann nicht ausgeschlossen werden, dass es bei einigen Gruppen durchaus zu Ungerechtigkeiten kommt. Eine alleinstehende Friseurin in Sachsen, die zum Arbeitsplatz mit dem einem alten Auto pendelt, würde unter dem Strich wohl schlechter dastehen als eine solvente Familie mit moderner Wohnung und Lastenrad in Prenzlauer Berg. Die Klimadebatte im Bundestagswahlkampf – die hat gerade erst angefangen.