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Verdienst du mehr als ich? Auf diese Frage können Arbeitnehmer künftig eine Antwort bekommen - zumindest theoretisch.
© dpa-tmn

Lohntransparenzgesetz tritt in Kraft: So soll das Gesetz die Lohnlücke zwischen Frauen und Männern verkleinern

Das neue Lohntransparenzgesetz soll helfen, Differenzen in den Gehältern von Männern und Frauen aufzudecken. Wie funktioniert das? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Das neue Lohntransparenzgesetz, das an diesem Sonnabend vollständig in Kraft tritt, soll die sogenannte Lohnlücke zwischen Männern und Frauen in Deutschland verkleinern. Es stammt von der ehemaligen Familienministerin Manuela Schwesig (SPD), die mittlerweile Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin ist, und wurde im vergangenen Jahr nach langen Diskussionen von der Regierung beschlossen. Im Mittelpunkt steht ein Auskunftsanspruch: Beschäftigte haben von nun an ein Recht zu erfahren, wie Kollegen des jeweils anderen Geschlechts mit ähnlichen Tätigkeiten bezahlt werden. Die wichtigsten Fragen und Antworten dazu im Überblick.

Was muss der Arbeitgeber verraten – und was nicht?

Niemand erfährt durch das neue Gesetz, was ein bestimmter Kollege verdient. Stattdessen muss der Arbeitgeber das mittlere Gehalt der geeigneten Vergleichsgruppe angeben. Neben dem Bruttogehalt können die Beschäftigten noch den Medianwert für zwei typische Gehaltsbestandteile einfordern wie beispielsweise Leistungs- oder Erschwerniszulagen. Außerdem kann der Mitarbeiter erfragen, nach welchen Kriterien und Verfahren sein Gehalt und das der hinzugezogenen Kollegen festgelegt worden ist. Noch größere Unternehmen ab 500 Mitarbeitern müssen ihre Gehaltsstrukturen zudem von sich aus überprüfen und regelmäßig darüber Bericht erstatten.

Für wen gilt das Gesetz?

Für alle Frauen und Männer, die in einem Betrieb mit mindestens 200 Angestellten arbeiten. Außerdem muss es für den Vergleich mindestens sechs Kollegen des jeweils anderen Geschlechts geben, die einen ähnlichen Job ausüben wie der Antragsteller.

Wie funktioniert der Auskunftsanspruch?

Die Anfrage muss in Textform, also schriftlich oder per E-Mail erfolgen. Das Ministerium für Familien und Frauen bietet auf seiner Internetseite dafür ein Formular an, damit die Beschäftigen mit ihrem Anliegen nicht an Formfehlern scheitern. In dem Antrag muss der Mitarbeiter unter anderem angeben, auf welche Vergleichsgruppe er sich bezieht. So heißt es: „Unter Zugrundelegung meiner Arbeit, meiner Ausbildung, der Art der Arbeit und der Arbeitsbedingungen sehe ich folgende Tätigkeit als gleich beziehungsweise gleichwertig zu meiner Tätigkeit (Vergleichstätigkeit) an.“

Gibt es einen Betriebsrat, kann dieser die Anfragen an die Personalabteilung weiterreichen – und zwar anonym. Der Arbeitgeber erfährt auf diesem Weg nicht, wer die Anfrage gestellt hat. Alternativ können Angestellte direkt zur Personalabteilung gehen – dann aber ohne den Schutz der Anonymität. Der Auskunftsanspruch kann einmal alle zwei Jahre gestellt werden.

Wie schnell muss der Arbeitgeber auf eine Anfrage reagieren?

Arbeitgeber haben drei Monate Zeit, um zu antworten. Anders ist die Regelung bei Arbeitgebern, die an einen Tarifvertrag gebunden sind. Für sie gibt es keine Frist. Zur Erklärung der Kriterien reicht es in dem Fall aus, wenn sie auf die Tarifregelungen verweisen.

Wo liegen die Probleme?

Personaler kritisieren vor allem den Aufwand, der auf sie zukommt. „Man bekommt nicht auf Knopfdruck die Zahlen aus den Systemen. Das wird deutlich komplizierter“, sagt Katharina Heuer, Vorsitzende der Geschäftsführung der Deutschen Gesellschaft für Personalführung (DGFP). In tarifgebundenen Firmen sollten die Entlohnungsregeln klar sein. Sie sind für Frauen wie für Männer gleich und in den Tariftabellen nachzulesen. In nicht-tarifgebundenen Firmen sind die Lohnstrukturen jedoch weitaus komplizierter. Und je weiter man in der Pyramide eines Unternehmens nach oben kommt, sagt der Arbeitsrechtler Christian Althaus, „desto seltener finden Sie eine ausreichend große Vergleichsgruppe. Was zur Folge hat, dass man keinen Auskunftsanspruch mehr hat.“

Hinzu kommt, dass im Gesetz nicht klar definiert ist, was denn überhaupt eine vergleichbare Tätigkeit ist. Je komplexer Positionen und das Aufgabengebiet eines Beschäftigten sind, desto schneller kann eine Gleichwertigkeit vom Arbeitgeber verneint werden. „Ist die Arbeit einer Sacharbeiterin im Personal mit der eines Sacharbeiters in der Buchhaltung zu vergleichen? Da wird es extrem heikel“, sagt Heiko Leitz vom Bundesverband der Personalmanager. Manche Unternehmen fürchten zudem, dass das Gesetz zu Unzufriedenheit und Missgunst führt. Welchen Stellenwert jemand für seinen Chef hat, ist zudem auch eine emotionale Frage.

Wie haben sich die Betriebe vorbereitet?

Um sich auf die Neuerungen einzustellen, hatten die Unternehmen ein halbes Jahr Zeit. Nach einer Studie der Unternehmensberatung EY sind viele Firmen aber trotzdem nicht vorbereitet. Erst ein gutes Drittel der befragten Unternehmen (35 Prozent) hat demnach die Lohngleichheit von Frauen und Männern im eigenen Betrieb untersucht – und das waren meist große Unternehmen. Oft wüssten die Betriebe nicht einmal selbst, wie fair es bei ihnen zugeht. Dennoch glauben 70 Prozent der Firmen, dass sie den Auskunftsanspruch erfüllen können. Das Gesetz wird von den Unternehmen „massiv unterschätzt“, sagt Karl Wirth, Partner und Vergütungsexperte bei EY. Das könnte aus seiner Sicht große Probleme mit den Mitarbeitern, Imageverluste sowie Auseinandersetzungen mit dem Betriebsrat und vor Gericht mit sich bringen.

„Unter Personalern hat das Gesetz recht hohe Wellen geschlagen. Unsere Informationsveranstaltungen dazu waren im letzten Jahr beispielsweise gut besucht“, sagt wiederum Heuer. Dennoch glaubt sie nicht, „dass viele Unternehmen schon vorab Mediane und Vergleichsgruppen gebildet haben. Das wird mit den ersten Anfragen kommen.“ Wobei sie davon ausgeht, dass es keine Masse von Anfragen geben wird, auch wenn „die eine oder andere Ungleichheit mit Sicherheit aufgedeckt werden wird“. Leitz sieht deutliche Unterschiede je nach Größe der Betriebe: „Die großen Unternehmen haben Strukturen entwickelt, um Stellen zu bewerten und Mitarbeiter einzugruppieren“, sagt er. Die kleineren, die Mittelständler, meist noch nicht. Sie hätten nicht die nötigen Ressourcen. Ein anderes Problem sei das Budget. Leitz geht davon aus, dass der Beratungsbedarf deswegen stark ansteigen wird.

Was kann ein Mitarbeiter mit seiner Auskunft machen?

„Weiß eine Frau sicher, dass sie im Vergleich zu einem Mann schlechter bezahlt wird, kann sie ihren Anspruch auf gleiches Entgelt für gleiche und gleichwertige Arbeit gerichtlich einklagen“, sagt Bundesfrauenministerin Katarina Barley (SPD) – auf der Basis des Gleichbehandlungsgesetzes. Die Mitarbeiterin könne sich allerdings auch erstmal an den Betriebs- oder Personalrat wenden. Oder sie nutzt das Ergebnis für die nächste Gehaltsverhandlung. Wenngleich der Arbeitgeber nicht verpflichtet ist, jemandem dann ein höheres Gehalt zu zahlen.

Kann es für den Mitarbeiter negative Konsequenzen geben?

Im Prinzip nicht. Sowohl das Entgelttransparenzgesetz als auch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verbieten Arbeitgebern eine Benachteiligung der Beschäftigten, die von ihrem individuellen Auskunftsanspruch Gebrauch machen. Trotzdem kann es je nach Unternehmensführung und -kultur zu Unmut führen, dass der Mitarbeiter seinem Chef indirekt Diskriminierung unterstellt oder tatsächlich eine unfaire Behandlung aufgedeckt hat.

Was passiert, wenn der Arbeitgeber nicht reagiert? Oder die Anfrage ablehnt?

Gibt ein Arbeitgeber ohne Tarifbindung innerhalb der Frist keine Antwort, muss er bei einem eventuellen Gerichtsverfahren beweisen können, dass keine Benachteiligung vorliegt. Haben die Kollegen mehr Berufserfahrung, tragen sie mehr Verantwortung? Wer darauf keine überzeugenden Antworten geben kann, zahlt eventuell drauf. Der Chef kann den Antrag aber auch ablehnen, weil er die vom Arbeitnehmer genannte Tätigkeit eben nicht für gleichwertig hält. Was dann passiert, wird laut Ahaus wohl erst die Praxis der Gerichte zeigen.

Wie sieht es mit der Lohntransparenz und -gleichheit in anderen Ländern aus?

In anderen europäischen Ländern wie der Schweiz, Frankreich, Schweden, Dänemark, Italien berät EY seit mehreren Jahren zu den Themen, da es dort bereits seit Längerem Gesetze zur Lohngerechtigkeit gebe. Dort würden sich Unternehmen, wie Wirth sagt, mittlerweile aktiv dafür zertifizieren lassen, dass sie ihre Mitarbeiter fair bezahlen. Mit Blick auf den Fachkräftemangel sei dies auch hierzulande ein guter Hebel, um Mitarbeiter anzulocken. Im letzten Jahr habe EY in Deutschland nur zwei Unternehmen zum Lohntransparenzgesetz beraten. „Die Anfragen werden jetzt aber sicherlich sprunghaft ansteigen“, glaubt Wirth.

In Island trat zu Jahresbeginn ein Gesetz in Kraft, das Unternehmen und staatliche Einrichtungen mit mehr als 25 Mitarbeitern dazu zwingt, Frauen und Männern in gleicher Position dasselbe Gehalt zu zahlen. Die Arbeitgeber müssen einen Nachweis erbringen, dass sie die Lohnlücke geschlossen haben. Wer den Nachweis erbringt, erhält ein Zertifikat. Gesetzesverstöße werden mit einer Geldstrafe geahndet. Der Inselstaat im Nordatlantik ist damit das erste Land der Welt, das unterschiedliche Bezahlung von Frauen und Männern unter Strafe stellt.

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