Nur Ungarns Orban stichelt: So reagiert das Ausland auf die Wahl des Kanzlers Scholz
Die USA wollen eng zusammenarbeiten, Frankreich erwartet das nächste Kapitel und China setzt auf ein neues Niveau. Nur Ungarn betont die Differenzen mit Scholz.
Vermutlich würde sich Olaf Scholz (SPD) ganz gern eine Verschnaufpause gönnen. Aber neben der Coronakrise ist der neue Bundeskanzler sofort auch auf der Ebene der EU-Politik und der weitergehenden Außenpolitik gefordert.
In der kommenden Woche steht bereits ein EU-Gipfel an, nach dem Videogespräch zwischen US-Präsident Joe Biden und Kremlchef Wladimir Putin schwelt die Ukraine-Krise weiter, und Chinas Staatsführung hofft trotz des Regierungswechsels in Berlin auf Kontinuität.
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In Frankreich reagierte Staatschef Emmanuel Macron auf die Wahl von Scholz per Twitter: „Das nächste Kapitel werden wir zusammen schreiben. Für die Franzosen, für die Deutschen, für die Europäer. Wir sehen uns am Freitag!“
Am Freitag führt Scholz’ erste Auslandsreise nach Paris, wo es mit Macron beim Mittagessen während des Antrittsbesuchs einiges zu besprechen gibt: die europaweite Bekämpfung der Pandemie, Putins Drohgebärden an der Grenze zur Ukraine und nicht zuletzt die Frage, ob Kernkraft und Gas auf EU-Ebene als nachhaltig eingestuft werden sollen. Macron will dies, die SPD hält hingegen nichts von dem Nachhaltigkeitssiegel für die Nuklearenergie.
Das letzte Wort in der strittigen Nuklearfrage hat EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen. Brüssel wird am Freitag die zweite Station bei Scholz’ Antrittsbesuchen sein. Von der Leyen twitterte am Mittwoch, sie freue sich „auf eine weitere vertrauensvolle Zusammenarbeit für ein starkes Europa“.
EU-Ratschef Charles Michel postete ein Foto, das ihn gemeinsam mit dem Kanzler beim Faustgruß zeigt. Er freue sich auf die Zusammenarbeit „für ein starkes und souveränes Europa“, schrieb Michel dazu.
Nach der Begegnung mit von der Leyen und Michel ist für Scholz in Brüssel abends ein Treffen mit Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg geplant.
Ungarns rechtskonservativer Ministerpräsident Viktor Orban betont die Differenzen mit der neuen Bundesregierung. Die strebe nach seiner Ansicht „weg von Kohls Europa der Vaterländer hin zu einer migrations- und genderfreundlichen, deutsch geprägten, zentralistischen Politik aus Brüssel. Hier stehen wir nicht mehr Seite an Seite“, schreibt Orban in einem Gastbeitrag für „Bild“.
Verhältnis zu China dürfte schwieriger werden
Auch das Verhältnis zu China dürfte schwieriger werden. Zwar sprach Chinas Staatspräsident Xi Jinping in einer Gratulationsbotschaft davon, dass er auf ein „neues Niveau“ der Beziehungen hoffe. Vor Wochenfrist nach einem chinakritischen Interview der neuen Außenministerin Annalena Baerbock in der „taz“ hatte das anders geklungen.
Da erklärte eine Sprecherin der chinesischen Botschaft in Berlin: „Ich hoffe, dass einzelne deutsche Politiker China und die deutsch-chinesischen Beziehungen ganzheitlich und objektiv betrachten“, sagte sie, „was wir brauchen, sind Brückenbauer anstatt Mauerbauer.“
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US-Präsident Biden gratulierte Scholz am Mittwochabend. „Ich freue mich darauf, auf den starken Verbindungen zwischen unseren beiden Ländern aufzubauen und eng zusammenzuarbeiten, um bei den globalen Herausforderungen von heute Fortschritte zu erzielen“, teilte Biden am Mittwoch auf Twitter mit.
Der Demokrat betont immer wieder die Bedeutung wichtiger Verbündeter wie Deutschland. Unter seinem republikanischen Vorgänger Donald Trump waren die Beziehungen extrem angespannt.
Who is Olaf Scholz? Die Webseite des US-Radiosenders NPR beantwortet die Frage, in dem sie ihn mit Biden vergleicht: Wie dieser habe Scholz ein „tiefes Verständnis des politischen Prozesses und davon, wie man etwas durchsetzt“. Zudem werde er Merkels Führungsstil fortsetzen: Scholz agiere in Krisen ruhig, er sei ein pragmatischer Anführer, der Kompromisse anstrebe.
Auch die „New York Times“ verweist auf die acht Frauen und acht Männer im neuen Kabinett und fragt, ob Scholz Europas Linke wiederbeleben könne.
Der staatliche Auslandssender Voice of America berichtet von Aufatmen im Weißen Haus, da auch die neue Bundesregierung einverstanden sei, weiterhin Atomwaffen in Deutschland zu belassen. Allerdings wird auch erwähnt, dass die umstrittene Gaspipeline Nord Stream 2 nicht im Koalitionsvertrag vorkomme und Scholz wohl Merkels China-Politik fortsetzen werde. (dpa)