Der Vorteil der Amtsinhaber: So punkten Kretschmer und Woidke vor den Landtagswahlen
Ob SPD in Brandenburg oder CDU in Sachsen: Kurz vor den Landtagswahlen legen die Parteien der Amtsinhaber plötzlich wieder zu. Das hat mehrere Gründe.
Werden die Regierenden in Sachsen und Brandenburg vom Wähler doch weniger abgestraft als befürchtet? Gut eine Woche vor den mit Spannung erwarteten Landtagswahlen zeigt sich in Umfragen plötzlich wieder ein Aufwärtstrend für die Parteien, die in beiden Ländern den Ministerpräsidenten stellen. Nach den Erhebungen des Tagesspiegel-Politbarometers legen sowohl die CDU in Sachsen als auch die SPD in Brandenburg auf den letzten Metern spürbar zu – und zwar um jeweils vier Prozentpunkte. Mit diesem Ergebnis blieben beide in ihren Ländern die stärksten Parteien.
Wäre der Urnengang schon an diesem Sonntag, kämen die Sozialdemokraten von Brandenburgs Regierungschef Dietmar Woidke auf 21 Prozent. Sie lägen um einen Punkt vor der AfD – und um stattliche sieben Punkte vor den Grünen, denen dort zuletzt eigentlich ein Kopf-An-Rennen mit SPD und CDU vorhergesagt worden war. Die Union hätte in der Mark nun 18 und die Linke 14 Prozent.
Merklich souveräner, nämlich mit 31 Prozent, ginge die CDU von Sachsens Regierendem Michael Kretschmer durchs Ziel. Der Abstand zu den Rechtspopulisten betrüge dort nun sechs Punkte. Die Linke käme auf 14, die Grünen auf zehn und die SPD auf neun Prozent. Ähnliche Werte hatte eine Infratest- Umfrage der ARD vom Vortag ergeben. Darin lagen SPD und AfD in Brandenburg aber mit 22 Prozent gleichauf. Die CDU in Sachsen hätte 30, die AfD 24 Prozent.
Höhere Werte durch Bekanntheit und Sichtbarkeit
Für Politikwissenschaftler ist der Swing zu den bisher Regierenden auf der Zielgeraden nicht überraschend. Es handle sich um „ein Muster, das wir bei Landtagswahlen öfter sehen“, sagt der Berliner Wahlforscher Thorsten Faas: „Die Parteien, die den Ministerpräsidenten stellen, legen zu.“ Das habe „viel mit Bekanntheit und Sichtbarkeit zu tun“, denn da hätten genau diese Parteien große Vorteile.
Der Bonner Politikwissenschaftler Frank Decker hat noch eine andere Erklärung. Die Wähler spürten, so sagt er, dass es in beiden Bundesländern nicht auf Extreme, sondern auf Koalitionen der Mitte hinauslaufe. Entsprechend versuchten sie, mit ihren Präferenzen nun noch Einfluss zu nehmen, wer diese Regierungen anführen darf. Davon profitierten die Parteien der Amtsinhaber. In Brandenburg komme dazu, dass viele den Grünen offenbar doch nicht so über den Weg trauten. Und bei Kretschmer, dass es dieser in Sachsen geschafft habe, Glaubwürdigkeit zurückgewinnen.
Kretschmer punktet durch Distanzierung von Bundes-CDU
Gelungen sei ihm dies nicht nur durch seine „Bürgergespräche“, sondern auch durch eine inhaltliche Distanzierung von der Bundes-CDU, meint Decker. Der Ministerpräsident habe AfD-Forderungen „teilweise eins zu eins übernommen“, etwa mit seiner Russland-Politik oder seiner Forderung nach mehr Bürgerbeteiligung über einen sogenannten „Volkseinwand“. Gleichzeitig sähen selbst Unzufriedene aus dem rechten Spektrum die AfD nicht als ernsthafte Regierungsalternative.
Tatsächlich hat Kretschmer bessere Sympathiewerten als Woidke. Auf einer Skala zwischen plus und minus Fünf erreicht der sächsische CDU-Mann beachtliche 2,4. Grund dafür, so heißt es im Politbarometer, sei „lagerübergreifende Anerkennung“ – also nicht nur gute Noten von Linken oder Grünen, sondern auch „ein mäßig positives Urteil aus dem AfD-Lager“.
Woidke: Wahlkampf lohnt sich
Woidke wird von Anhängern anderer Parteien ebenfalls positiv beurteilt, das AfD-Lager aber lehnt ihn ab. So kommt er nur auf einen Gesamtwert von 1,6.
Doch seine Partei hat es in einer Umfrage erstmals seit langem wieder auf einen Spitzenplatz gebracht. Das macht den SPD-Mann für seine Verhältnisse geradezu euphorisch. „Wahlkampf lohnt sich“, verkündete Woidke am Freitag im Bayerischen Rundfunk. „Ich bin fest davon überzeugt, dass wir es schaffen können, stärkste Kraft in diesem Land zu werden.“
Grünen-Potenzial im Osten überschätzt?
Bei den Brandenburger Grünen dagegen herrscht Katzenjammer ob des plötzliche Liebesentzuges. Im Politbarometer kommen sie auf bescheidene14 Prozent, bei Infratest rutschten sie sogar auf nur noch zwölf – ein Minus von fünf Punkten gegenüber Anfang Juni. „Das Stimmungshoch der Grünen war sehr themenbezogen“, sagt Faas. Es sei im Osten nie im gleichen Ausmaß angelangt wie im Westen.
Die Grünen seien „nun mal eine Westpartei“, meint auch der Politologe Decker. Ihr Potenzial für den Osten sei wohl überschätzt worden. Zwar profitiere die Partei auch dort vom allgemeinen Niedergang der SPD. Doch wenn es um Industriepolitik und die Sorge vor sozialer Benachteiligung gehe, sei sie vielen Ostdeutschen dann doch nicht ganz geheuer.