Besucherstopp im Reichstagsgebäude: So kämpft der Bundestag gegen die Corona-Angst
Geschlossene Reichstagskuppel, weniger Dienstreisen, keine Besuchergruppen mehr – Bundestag und Länderparlamente bereiten sich auf den Ernstfall vor.
Für viele Besucher der Hauptstadt gehört sie fest zum Programm: die gläserne Kuppel auf dem Reichstagsgebäude. Der Blick über die Stadt ist einmalig, der Ort von höchster historischer Bedeutung, die Architektur beeindruckend. Nicht umsonst wollen vor allem bei schönem Wetter viele Touristen die Dachterrasse besuchen – pro Tag im Schnitt 3000 Menschen.
Doch damit ist bis auf weiteres Schluss sein. Als Reaktion auf das Corona-Virus soll die Zahl der Gäste im Parlament deutlich verringert werden. Deshalb hat die Verwaltung am Dienstag die Reichstagskuppel und die Dachterrasse für den Publikumsverkehr gesperrt. Auch sollen Abgeordnete von kommendem Montag an bis Ende April keine Besuchergruppen mehr aus ihren Wahlkreisen empfangen.
Das teilte Parlamentspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) am Montag in einem internen Rundbrief mit. „Nicht von der Aussetzung von Besuchen betroffen sind Einzelbesucher, die eine Plenarsitzung besuchen wollen, sowie Kleingruppen von Abgeordneten von bis zu fünf Personen", heißt es in dem Schreiben weiter.
Auch der Bundesrat hat entschieden, ab Donnerstag bis Ende April keine Besuchergruppen mehr zu empfangen. In den Länderparlamenten werden ähnliche Regelungen diskutiert. Der „Parlamentarische Krisenstab Pandemie“ im Landtag von Nordrhein-Westfalen hat am Dienstag beschlossen, ab sofort den „Besucherdienst“ auszusetzen – bis Ende April. Das gilt auch für bereits angemeldete Gruppen. Im Berliner Abgeordnetenhaus werden zunächst keine „externen Gruppen“ mehr reingelassen, wie ein Sprecher sagt. Gemeint sind etwa Schülergruppen aus anderen Bundesländern.
Bundestag muss wichtige Entscheidungen treffen
Im Bundestag soll der parlamentarische Betrieb zunächst jedoch nicht beeinträchtigt werden – die Sitzungen des Plenums und der Ausschüsse sollen genauso stattfinden wie Anhörungen und Abstimmungen. Alles weitere, so heißt es aus dem Bundestag, soll nach der aktuellen Entwicklung entschieden werden. Dafür hat das Präsidium zusammen mit den Parlamentarischen Geschäftsführern der Fraktionen eine „Ad-hoc-Gruppe“ eingerichtet, die im Ernstfall schnell reagieren könne. Die Runde, an der auch der Direktor der Bundestagsverwaltung teilnimmt, will sich in Sitzungswochen bis auf weiteres immer montags treffen.
Bereits in der vergangenen Woche hatte Schäuble bei einem Treffen mit den Fraktionsgeschäftsführern ein gemeinsames Vorgehen in Sachen Corona diskutiert. Dabei wurde Teilnehmern des Treffens zufolge auch besprochen, wie mit einem Infektionsfall in den eigenen Reihen umzugehen sei.
Sollten einzelne Abgeordnete erkranken, könne man etwa eine „Pairing“-Regelung vereinbaren, heißt es. Gemeint ist: Für jedes infizierte und deshalb abwesende Mitglied einer Fraktion, würde auch in den anderen Fraktionen jeweils ein Abgeordneter den Abstimmungen fernbleiben. Das soll die Fairness im Parlament garantieren.
Sollten allerdings ganze Fraktionen unter Quarantäne gestellt werden, würde wohl das gesamte Parlament eine Zwangspause einlegen müssen – wie in Spanien, wo das Nationalparlament laut der Zeitung „El Pais“ wegen der Corona-Infektion eines Abgeordneten mindestens eine Woche pausiert.
Allerdings will der Bundestag so lange wie möglich planmäßig weiterarbeiten – auch, weil wichtigen Entscheidungen anstehen. So soll der Bundestag am Mittwoch die Mandate für zwei Bundeswehreinsätze in Afrika verlängern – im Südsudan und in Darfur. Beide Mandate laufen zum Monatsende aus.
Könnte der Bundestag solche Entscheidungen aufgrund einer Quarantäne nicht rechtzeitig treffen, müsste die Bundesregierung gegebenfalls alleine handeln – und die Zustimmung des Bundestags nachholen. Über solche Szenarien wird in den Fraktionen derzeit viel nachgedacht.
Gesetzliche Immunität schützt nicht vor Quarantäne
Bislang gibt es noch keine Meldungen von Infektionen aus dem Bundestag oder den Berliner Ministerien. Für den Ernstfall hatte Bundestagspräsident Schäuble in der vergangenen Woche vorsorglich eine „Hausmitteilung“ an alle Abgeordnetenbüros versendet und seine Kollegen darauf hingewiesen, dass „im Falle einer Ansteckung auch Abgeordnete den infektionsschutzrechtlichen Maßnahmen der zuständigen Gesundheitsbehörden unterliegen“.
„Das hat auch mit dem Schutz der Bevölkerung zu“, sagt der FDP-Politiker Andrew Ullmann, Obmann im Gesundheitsausschuss und ausgebildeter Infektiologe. „Es darf nicht sein, dass kranke Abgeordnete das Corona-Virus auf Veranstaltungen in ihren Wahlkreisen verbreiten.“
Ullmann hält es nur für eine Frage der Zeit, bis sich auch ein deutscher Abgeordneter mit den neuartigen Virus infiziert. „Als Politiker sind wir stärker gefährdet als andere“, sagt Ullmann. „Wir treffen jeden Tag viele unterschiedliche Menschen und schütteln viele Hände.“
Sollte sich das Corona-Virus tatsächlich im Bundestag ausbreiten, müsse sich das Parlament „nach den Empfehlungen des Gesundheitsamts Berlin-Mitte verhalten“, fordert Ullmann – also notfalls in Quarantäne gehen.
„Kommen Sie nicht zum Dienst“
Der CDU-Gesundheitspolitiker und Mediziner Rudolf Henke rät seinen Abgeordnetenkollegen indes zur Vorsicht – und zu mehr Abstand bei persönlichen Gesprächen. Zwar sei die Ansteckung im Plenarsaal oder den Ausschüssen nicht höher als anderswo. Dennoch sei zu empfehlen, „persönliche Gespräche von Angesicht zu Angesicht mit Abständen unter ein bis zwei Metern auf maximal 15 Minuten zu verkürzen, um die Ansteckungsgefahr zu minimieren.“
Wie auch in zahlreichen deutschen Unternehmen planen viele Büros im politischen Berlin für den Corona-Ernstfall die Ausweitung von „Homeoffice“-Regelungen. Sowohl in den Ministerien als auch im Bundestag ist das der Fall. Die Unionsfraktion überprüfe gerade die „technischen Voraussetzungen“ für die Verlagerung der Arbeit ins „Homeoffice“, sagt ein Sprecher.
Aus dem Willy-Brandt-Haus heißt es: „Im Quarantänefall wäre die Umstellung auf ‚Home-Office“ ohne Probleme möglich.“ Die „Arbeitsfähigkeit“ der SPD-Zentrale sei auch im Infektionsfall gewährleistet.
In der Unionsfraktion will man aus Sicherheitsgründen auch die Zahl der Dienstreisen reduzieren. „Dienstreisen in Risikogebiete werden bis auf weiteres nicht mehr genehmigt“, heißt es in einem Brief, den Unionsfraktionsmanager Michael Grosse-Brömer (CDU) kürzlich an alle Mitarbeiter verschickte. Wer sich bereits privat oder geschäftlich in einem Risikogebiet aufhält, den fordert Grosse-Brömer in seinem Brief auf: „Vermeiden Sie Kontakt zu anderen Personen. Kommen Sie nicht zum Dienst.“
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