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Polizei, Berlin. Da wird man doch wohl noch feiern dürfen?
© Tim Brakemeier/dpa

Berliner Polizisten-Party in Hamburg: Skandalös ist anders

220 Berliner Polizisten feiern, wie viele junge Leute das machen. Aber andere beschweren sich darüber. Ein Kommentar.

Die Angelegenheit ist ein bisschen seltsam. 220 Polizisten aus Berlin, nach Hamburg zum G-20-Gipfel geschickt, feiern in ihrer Freizeit auf einem abgeschlossenen Gelände im Umland. Sie feiern so, wie viele junge Leute heute feiern und früher gefeiert haben. Eine Polizistin soll im Bademantel getanzt und mit ihrer Waffe gespielt haben, wird erzählt, doch ob das stimmt, ist unklar. Die Party-Polizisten werden beobachtet. Die Beobachter, angeblich Polizisten aus Nordrhein-Westfalen, machen Meldung, dass die Party zum Exzess geworden ist.

Warum haben sie das gemacht und: Ist das jetzt ein Skandal?

Die Kollegen aus Hamburg, die für Unterstützung froh sein müssen, schicken gleich 220 Polizisten nach Hause? Wegen Wildpinkelns an einem abgeschiedenen Ort? Sicher, der Vorfall in Bad Segeberg gehört in die Kategorie „völlig danebenbenommen“. Polizisten haben auch jenseits ihrer Dienstzeiten eine Vorbildfunktion. Die haben allerdings die Angehörigen vieler anderer Berufsgruppen, von Politikern bis zu Fußballern, ohne dass sie deshalb ohne Fehl wären.

Müssen Polizisten Vorbild sein?

Man muss das Anpinkeln eines Zauns im Kollektiv nicht gut finden, um auf den Gedanken zu kommen, dass eine ordentliche Steuerhinterziehung weniger vorbildlich wirkt.

Auf dem wenig anheimelnden Container-Übernachtungsgelände in Bad Segeberg wurde nach allem, was bekannt geworden ist, niemand verletzt oder auch nur beleidigt. Und es waren nach allem, was bekannt geworden ist, am nächsten Morgen alle 220 Polizisten einsatzbereit. Wie soll man den Vorfall also nennen?

Skandal ist ein großes Wort. Ein Polizeiskandal ist das Fälschen von Akten im Fall des Attentäters Anis Amri. Im Vergleich dazu wirkt die wilde Party banal. Von der tanzenden Polizistin gibt es keine Videos auf Youtube. Und das sexuell aktive Polizistenpaar am Zaun? Manche Menschen wissen halt nicht wohin.

Polizeipräsident Klaus Kandt bezeichnet den Vorfall als „misslich“ und will erst einmal wissen, was genau passiert ist. Er hütet sich aber - ein nicht mehr selbstverständlicher Zug -, schnell und pauschal zu urteilen. Die Berliner Party-Szene in Gestalt des Sprechers der Clubkommission nutzt die Segeberger Sause für PR in eigener Sache und hält den Ruf der Feiermetropole hoch.

Es gibt auch viel Verständnis für die feiernden Polizisten

Oder ist der Vorfall doch über alle Aufregung von heute hinweg ein schwerwiegender? Dass Polizisten aus Berlin wegen unpassenden Verhaltens in anderen Bundesländern Ärger bekamen, war jedenfalls sehr lange nicht mehr zu hören oder zu lesen. In den späten 1980er Jahren gab es eine „Einheit für besondere Lagen und einsatzbezogenes Training“, die nach einer angeblichen „Prügelorgie“ in Wackersdorf aufgelöst wurde. Heute machen Polizisten sich mit Feiern Ärger.

Nimmt man Twitter-Kommentare als Stimmungsbarometer, kann von Skandal nicht die Rede sein, schon gar nicht in einer Stadt, in der das Prinzip Party fast Verfassungsrang hat. Berliner Polizisten als Botschafter jugendlich-hauptstädtischen Lebensstils: Man arbeitet, um zu feiern. Kein Wunder, dass die Hamburger, die sich leicht zurückgesetzt fühlen, zickig reagieren, könnte man sagen.

Ein Polizist hat die Party mit der Langeweile im Lager begründet. Langeweile ist kein guter Grund für exzessives Trinken. Aber der Hinweis besagt auch, dass der Polizistenberuf, zumal in einer Einsatzhundertschaft, Zumutungen mit sich bringt. Feiern kann da manchmal helfen.

Werner van Bebber

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