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Bei der Organisation World Vision soll über Jahre hinweg deutsche Hilfsgelder veruntreut und an die palästinensische Terrororganisation Hamas geflossen sein.
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Update

Spendenskandal: Sind deutsche Steuergelder an die Hamas geflossen?

Beim Hilfswerk World Vision sollen über Jahre hinweg deutsche Gelder veruntreut und an die palästinensische Terrororganisation Hamas geflossen sein. Die Bundesregierung will der Organisation nun vorerst keine weiteren Finanzmittel zur Verfügung stellen.

Es sind schwere Vorwürfe, denen sich die Hilfsorganisation World Vision derzeit ausgesetzt sieht. Über Jahre hinweg soll der Zweigstellenleiter im Gazastreifen, Mohammed el-Halabi, Hilfsgelder in Millionenhöhe veruntreut und an die Terrororganisation Hamas weitergeleitet haben.

Das geht aus einem Bericht hervor, den das israelische Außenministerium am Freitag vorgelegt hat. Brisant: Ein beträchtlicher Teil könnte dabei aus öffentlichen Mitteln stammen, die der Hilfsorganisation vom deutschen Außenministerium zur Verfügung gestellt worden waren.

Etwa 60 Prozent des Jahresbudgets der World-Vision-Zweigstelle in Gaza – jährlich 6,4 Millionen Euro – seien demnach an die Hamas gegangen, teilte das israelische Ministerium mit. Die Hamas wiederum habe das Geld in militärische Projekte wie den Bau unterirdischer Tunnel sowie Waffenkäufe investiert. Insgesamt soll es sich nach Angaben des Ministeriums um eine Summe von bis zu 45 Millionen Euro handeln.

Außenministerium verlangt Aufklärung von World Vision

Mindestens 1,1 Millionen Euro davon könnten deutsche Finanzmittel sein: Auf diese Summe taxierte eine Sprecherin von World Vision im Gespräch mit dem Tagesspiegel die Höhe der Hilfsgelder, die seit 2010 aus Deutschland an die Zweigstelle im Gazastreifen überwiesen wurden.

Bei World Vision selbst wurden die Vorwürfe am Freitag zurückgewiesen. „Wir sind zutiefst schockiert über die Anschuldigungen und es gibt für uns keinerlei Anlass zu glauben, dass an diesen Vorwürfen etwas dran ist“, sagte ein Sprecher am Freitag dem Tagesspiegel. Die Projekte der Organisation unterlägen demnach weltweit Kontrollen und würden intern wie extern überprüft. „Auch das World-Vision-Büro Jerusalem-Westbank-Gaza wurde in den vergangenen 4 Jahren von den Wirtschaftsprüfern von PricewaterhouseCoopers kontrolliert.“

Von der Bundesregierung wurden die israelischen Berichte - trotz aller Unschuldsbeteuerungen der Hilfsorganisation - mit Sorge verfolgt. Kein Wunder, denn laut dem World-Vision-Finanzbericht aus dem Jahr 2015 stammten insgesamt rund 780.000 Euro der Hilfsgelder aus Mitteln, die das Auswärtige Amt zur Verfügung gestellt hatte.

„Das Auswärtige Amt nimmt die erhobenen Vorwürfe sehr ernst. Wir erwarten, dass World Vision vollständig und in voller Transparenz zur Aufklärung des Sachverhalts beiträgt", sagte eine Sprecherin des Außenministeriums dem Tagesspiegel. "Wenn sich die Vorwürfe bestätigen, würde dies zeigen, dass die Hamas noch nicht einmal davor zurückschreckt, die so dringend gebotene humanitäre Unterstützung für die Menschen im Gazastreifen aus der internationalen Gemeinschaft mutwillig aufs Spiel zu setzen."

Das Ministerium werde bei abgeschlossenen Projekten nun prüfen, ob es zu Unregelmäßigkeiten gekommen sei. Bei einem noch laufenden Projekt solle vorerst keine Auszahlung erfolgen, bis die Vorwürfe nicht ausgeräumt seien, sagte die Sprecherin.

Israels Regierung fordert Konsequenzen

Zuvor hatte bereits die israelische Botschaft die Bundesregierung in die Pflicht genommen: „Wir hoffen, dass internationale Nichtregierungsorganisationen und Regierungen ihre Schlussfolgerungen aus diesem Fall ziehen“, sagte der israelische Gesandte in Berlin, Avraham Nir-Feldklein, dem Tagesspiegel. „Wir hoffen, dass die wichtige humanitäre Arbeit weiter geleistet wird, aber sorgfältig geprüft wird, dass das Geld von Gebern und Steuerzahlern nicht missbraucht wird, wie in diesem Fall."

Mohammed el-Halabi, palästinensischer Mitarbeiter der Organisation World Vision, soll westliche Hilfsgelder in Millionenhöhe an die Hamas weitergeleitet haben.
Mohammed el-Halabi, palästinensischer Mitarbeiter der Organisation World Vision, soll westliche Hilfsgelder in Millionenhöhe an die Hamas weitergeleitet haben.
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Der Vorsitzende der deutsch-israelischen Parlamentariergruppe im Bundestag, Volker Beck, forderte seinerseits Aufklärung von der Bundesregierung – und Konsequenzen auch für die Hilfsorganisation. „World Vision beschädigt damit massiv das Vertrauen in die notwendige Hilfsarbeit für die Menschen in Gaza. Das Auswärtige Amt muss nun dringend überprüfen, welche Mittelvergabe an World Vision geflossen sind und wie diese verwendet wurden“, sagte der Grünen-Politiker dem Tagesspiegel. „Die Hamas ist eine Terrororganisation, die nicht aus Steuergeldern finanziert werden darf.“

Das American Jewish Committee (AJC) forderte die Bundesregierung dazu auf, die Zusammenarbeit mit „World Vision“ einzustellen. „Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass auch deutsche Steuergelder in die Hände der Hamas gelangten“, sagte AJC-Direktorin Deidre Berger. „Deutschland sollte dem Beispiel Australiens folgen und alle Mittelzuwendungen für die Organisation stoppen, solange die Aufklärung nicht abgeschlossen ist.“

World Vision stoppt Überweisungen nach Gaza

Bei World Vision wurde die Bergers Forderung erhört: Wie zuvor schon das Auswärtige Amt kündigte auch die Hilfsorganisation an, noch ausstehende Überweisungen an das Büro im Gazastreifen einzustellen: „Mittel in Höhe von 3,6 Millionen Euro, die wir vom Bundesentwicklungsministerium und vom Auswärtigen Amt für neue Projekte in der Region zur Verfügung gestellt bekommen haben, werden wir so lange nicht weitergeben, wie die Vorwürfe nicht geklärt wurden“, sagte die Sprecherin dem Tagesspiegel.

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