Ehemaliger SPD-Chef: Sigmar Gabriel widerspricht Merz' Vorstoß zum Asylrecht
Was kann Europa tun, um sich der Hausforderung Migration zu stellen? Merz' Vorstoß zum Asylrecht gehe an dieser Frage vorbei, kritisiert Ex-SPD-Chef Gabriel.
In der Debatte um das Grundrecht auf Asyl hat der ehemalige SPD-Parteivorsitzende Sigmar Gabriel den Vorstoß von Friedrich Merz als wirkungslos kritisiert. Nicht das individuelle Recht auf Asyl für politisch Verfolgte sei das Problem, so Gabriel, sondern die hohe Zahl an Bürgerkriegsflüchtlinge und natürlich auch die wachsende Zahl von Armutsflüchtlingen. Für diese wachsende Gruppe von Menschen sei aber nicht das deutsche Asylrecht entscheidend, sondern die Regeln der internationale Übereinkunft der Genfer Flüchtlingskonvention und die mangelnde Fähigkeit Europas, sich dieser Herausforderung gemeinschaftlich zu stellen, so Gabriel.
Friedrich Merz hatte auf der dritten CDU-Regionalkonferenz im thüringischen Seebach erklärt, Deutschland sei das einzige Land weltweit, das ein Individualrecht auf Asyl in der Verfassung stehen habe. Es müsse offen darüber geredet werden, ob dieses Grundrecht in dieser Form fortbestehen könne, wenn eine europäische Einwanderungs- und Flüchtlingspolitik ernsthaft gewollt sei.
„Eine Änderung des deutschen Asylrechts ändert nichts“, sagte Gabriel im Tagesspiegel. „Im Gegenteil: diese Debatte verstellt den Blick auf die weitaus schwerer zu beantwortende Frage, was Europa tun kann, um einerseits etwas gegen Krieg und Bürgerkrieg und korrupte Regierungen in Afrika zu tun und andererseits gemeinsame Regeln für Flüchtlinge zu finden, die gerade nicht aus politischen Gründen zu uns kommen, sondern weil ihr Leben unerträglich ist.“
Richtig sei allerdings, so Gabriel, dass sowohl die Mütter und Väter des Asylrechts im Grundgesetz als auch der Genfer Flüchtlingskonvention nicht die masshafte Migration in Form moderner Völkerwanderungen vor Augen hatten. Migration aufgrund von Krieg, Bürgerkrieg und Armut sei vermutlich die große Jahrhundertaufgabe für die Welt und vor allem für Europa. Ein „Herumdoktern“ am individuellen Schutzrecht bei politischer oder rassischer Verfolgung helfe da „keinen Millimeter“ weiter. „Man muss eher die Sorge haben, dass die Politik wieder eine Scheindebatte führt, um Stimmungen aufzugreifen statt sich aufgeklärt und sachlich über diese große Herausforderung zu verständigen.
„Die schlimme Obergrenzendebatte zwischen Seehofer und Merkel sollte uns ein warnendes Beispiel sein“, so Gabriel weiter. Diese Auseinandersetzung habe völlig unsinnige Konfrontationen herbei geführt. „Denn in Wahrheit hatten damals beide Recht: natürlich kann auch ein Land wie Deutschland nicht unbegrenzt Flüchtlinge aufnehmen. Und ebenso richtig war, dass das Asylrecht keine Obergrenze kennt. Klassische Asylbewerber gab es aber schon damals nicht so viele, sondern eben Bürgerkriegsflüchtlinge. Der Unterschied ist keine formale Nebensache, sondern fundamental. Denn die einen bleiben auf Dauer, die anderen nur für die Dauer des Krieges“, sagte Gabriel.
Das deutsche Problem sei eher, dass wir uns immer noch als unfähig erweisen, diejenigen wieder in ihre Heimatländer zurück zu bringen, die weder nach dem Asylrecht noch nach der Flüchtlingskonvention hier ein Aufenthaltsrecht haben. Gabriel: „Darüber und über den Umgang mit großen Migrationsbewegungen müssen wir reden, nicht über das individuelle Grundrecht auf Schutz vor politischer oder rassischer Verfolgung.“ (Tsp)
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