Nach Besuch in Moskau: Sigmar Gabriel reist Anfang Oktober in den Iran
Vizekanzler Gabriel wird diese Woche zum Staatsbesuch in Russland erwartet - und wenig später im Iran. Beim Koalitionspartner wird die Reiselaune des Sozialdemokraten kritischen verfolgt.
Erst Moskau, dann Teheran: Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel lässt seinem Staatsbesuch in Russland eine Reise in den Iran folgen. Das bestätigte ein Sprecher des Ministeriums dem Tagesspiegel am Mittwoch. Zwischen dem 2. und 4. Oktober seien in Iran demnach Treffen mit iranischen Regierungs- und Wirtschaftsvertretern geplant. Mit wem sich der Vizekanzler in Teheran genau treffen wird, darüber wollte sich das Ministerium nicht äußern: die Planungen zur Reise seien noch nicht abgeschlossen, hieß es.
Weil das iranische Regime seit Jahrzehnten Terrorgruppen unterstützt und dem Staat Israel offen mit der Zerstörung droht, werden die Planungen des Staatsbesuches vom Koalitionspartner kritisch verfolgt. Das direkte Gespräch mit dem Iran zu suchen sei zwar richtig und notwendig, sagte Roderich Kiesewetter, Unions-Obmann im Auswärtigen Ausschuss, dem Tagesspiegel. Gleichzeitig dürfe Gabriel Streitthemen bei seiner Reise aber nicht aussparen, forderte der CDU-Außenexperte.
Kritik auch von Charlotte Knobloch
„Deutschland muss seine Position als geschätzter Vermittler dazu nutzen, um klar auf das Existenzrecht Israels, der Bedrohung durch das Raketentechnologieprogramms und die Unterstützung von bewaffneten Gruppen durch den Iran in den aktuellen Konflikten im Nahen Osten hinzuweisen.“ Dies seien Kernpunkte deutscher Nahostpolitik, die das Verhältnis zum Iran künftig bestimmen werden. "Dem Iran muss deutlich gemacht werden, dass für eine gegenseitige Vertrauensbildung er sein Einflusspotential zum Abbau von Spannungen und zur Lösung des Konflikts in Syrien einzusetzen hat.“
Auch Charlotte Knobloch, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern kritisierte Gabriels geplanten Ausflug nach Teheran. „Es ist von zentraler Bedeutung, dass bei allen politischen und auch wirtschaftlichen Gesprächen zwischen deutschen Politikern aus Bund und Ländern der Iran eindringlich und ultimativ dazu aufgefordert wird, seine Ideologie des Hass gegen Israel abzulegen und das Existenzrecht des jüdischen Staates uneingeschränkt anzuerkennen“, sagte die ehemalige Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland dem Tagesspiegel.
Unmut über Russland-Kurs
Es ist dabei nicht das erste Mal in der jüngeren Vergangenheit, dass sich die Koalitionsparteien über außenpolitische Fragen in die Haare bekommen. „Russland-Versteher“, „Putin-Versteher“, „Kuschelkurs gegenüber Moskau“: So gifteten schon im Juni Unions-Abgeordnete in Richtung der Sozialdemokraten. Grund des Unmuts: Erst warnte Außenminister Frank-Walter Steinmeier davor, die Lage an den Nato-Ostgrenzen nicht durch „Säbelrasseln und Kriegsgeheul“ weiter anzuheizen. Später dann machte auch noch Gabriel seine Pläne publik, zu Präsident Wladimir Putin fahren zu wollen.
In der Koalition entbrennt in der Folge ein Streit über den Umgang mit Russland, das 2014 wegen seiner Rolle im Ukraine-Konflikt von der Europäischen Union mit Sanktionen belegt wurde. Bei CDU und CSU wittert man auch ein Manöver der Genossen, um sich bei der Linkspartei anzubiedern und der AfD Wähler abzujagen. Wie begründet dies ist, zeigt sich jüngst wieder in einer Umfrage: Putin genießt unter vielen Anhängern der Alternative für Deutschland und der Linken mehr Vertrauen als Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU).
Gabriel steigt gestärkt ins Flugzeug
Drei Monate später verursachen Gabriels Reisepläne keinen Wirbel mehr - obwohl auch dieses Mal ein Treffen mit Putin geplant ist. In der SPD bringt dies ohnehin niemanden in Wallung. Gute Beziehungen nach Russland gehören für viele Genossen zur DNA der Partei. Die Sozialdemokraten haben zudem mit Ex-Kanzler Gerhard Schröder (Vorsitzender des Gesellschafterausschusses der Gazprom-Tochter Nord Stream) und Ex-Parteichef Matthias Platzeck (Vorsitzender des Deutsch-Russischen Forums) besonders gute Drähte nach Russland.
Und die Union ist nach den Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern und Berlin viel zu sehr mit sich beschäftigt. CDU und CSU fetzen sich nach den AfD-Erfolgen über den Kurs in der Flüchtlingspolitik.
Gabriel steigt gestärkt in das Flugzeug nach Moskau (die Krise bei der angeschlagenen Supermarktkette Kaiser's Tengelmann einmal ausgeklammert). In Mecklenburg-Vorpommern und Berlin stellt die SPD weiter den Regierungschef, und auf einem Ceta-Konvent folgt die Partei zu Wochenbeginn dem Kurs ihres Vorsitzenden.
Beste Laune in Moskau
Noch stärker in Feierlaune ist aber der Kremlchef. Stark wie nie geht er trotz tiefer Rezession aus der Parlamentswahl vom Wochenende hervor. Die Kremlpartei Geeintes Russland kann mit ihrer Dreiviertelmehrheit künftig praktisch widerstandslos durchregieren.
Da freut es die Kremlstrategen, dass als erster ausländischer Gast nach dem Wahltriumph mit Gabriel ein Kritiker der EU-Sanktionen gegen Russland nach Moskau reist. Im Gepäck dürfte er viele gute Vorschläge für den lahmenden deutsch-russischen Handel haben, der unter den Strafmaßnahmen leidet.
Putin empfängt gerne Sanktionskritiker. Erst im Februar hatte ein Treffen mit dem bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer im Kremlpalast für Aufsehen und viel Kritik gesorgt. Schon im Oktober wollte der CSU-Chef erneut mit einer großen Wirtschaftsdelegation die Metropole am Moskwa-Fluss besuchen und mit Putin beraten. Doch Seehofer verschob die Reise zwei Tage nach der Wahl in Mecklenburg-Vorpommern.
Spektakuläre Vertragsabschlüsse? Fehlanzeige
Russische Experten erwarten durchaus, dass Gabriel mit der Moskauer Führung über Möglichkeiten für eine teilweise Lockerung der Sanktionen sprechen wird. „Aber ich rechne nicht mit einem Durchbruch, denn diese Entscheidungen müssen auf höherer Ebene getroffen werden“, sagt der Analyst Michail Arestakessjan einem russischen Wirtschaftsportal.
Zwar gehen Beobachter nicht von spektakulären Vertragsabschlüssen bei Gabriels Verhandlungen mit der Moskauer Machtzentrale aus. Doch könnten spannende Projekte besprochen werden, wie der geplante Bau einer Hochgeschwindigkeits-Bahntrasse zwischen Moskau und der Millionenstadt Kasan rund 700 Kilometer östlich der Hauptstadt. Zuletzt hatten chinesische Unternehmen um das Projekt geworben, doch auch deutsche Wettbewerber haben großes Interesse
Sollte ein Treffen mit Putin zustandekommen, dürften aber auch die Themen Syrien und Ukraine-Konflikt in den Vordergrund rücken. Während eine Initiative für einen Waffenstillstand in Syrien nur noch auf dem Papier besteht, erweist sich eine seit knapp einer Woche geltende Feuerpause in der Ostukraine als stabiler. Im Oktober soll es - so die Hoffnung - ein Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs der Ukraine, Russlands, Frankreichs und Deutschlands in Berlin geben. (mit dpa)