Koalition streitet um Etat für 2017: Sigmar Gabriel contra Wolfgang Schäuble
Nervös vor den Wahlen - der Koalitionsstreit um den Haushalt für 2017 eskaliert. Die SPD will ultimativ Mehrausgaben vor allem für Integration durchsetzen, die Union weist das zurück.
Die Landtagswahlen rücken näher, die Umfragewerte von CDU wie SPD könnten besser sein, die Nervosität in der Koalition wächst. In München schürt Horst Seehofer das Feuer, auf dem die AfD ihr Wässerchen zum Kochen bringt. Und in Berlin laufen im Hintergrund die entscheidenden Gespräche für den Haushalt 2017, also für den Etat im Bundestagswahljahr.
Nun sind die zwei Kabinettsschwergewichte Sigmar Gabriel und Wolfgang Schäuble massiv aneinandergeraten. Der SPD-Chef hatte in der vorigen Woche ein "Sozialpaket" für ärmere Deutsche ins Gespräch gebracht, sozusagen als Begleitprogramm zu den von der SPD geforderten und in der Koalition auch zum Teil schon angebahnten Mehrausgaben für die Integration von Flüchtlingen. Mehr Kita-Plätze, mehr sozialen Wohnungsbau, mehr für Alte mit geringen Renten. Arme sollten sich nicht benachteiligt fühlen, wenn sie nun ständig über Mehrausgaben für Syrer oder Afghanen lesen und hören. Und deswegen möglicherweise AfD wählen, die CDU wie SPD Stimmen nimmt.
"Erbarmungswürdig"
Schäuble hat das, in seiner Pressekonferenz nach dem G-20-Finanzministertreffen in Schanghai, mit ziemlich harschen Worten zurückgewiesen. "Wenn wir Flüchtlingen – Menschen, die in bitterer Not sind – nur noch helfen dürfen, wenn wir anderen, die nicht in so bitterer Not sind, das gleiche geben oder mehr, dann ist das erbarmungswürdig." Gabriels nächste Forderung am Sonntag war keine direkte Reaktion auf dieses Zitat, aber das Ultimatum dürfte Schäuble erst recht auf die Palme bringen: Der Vizekanzler kündigte in der "Bild am Sonntag" an, dass die SPD dem Etat 2017 nur zustimmen werde, wenn die Union das sozialdemokratische Integrationspaket akzeptiere. "Das Geld dafür wird die SPD in den jetzt beginnenden Beratungen zum Haushalt 2017 einfordern", kündigte der oberste Sozialdemokrat an.
Jusos: Schäuble treibt Spaltung der Gesellschaft erbarmungslos voran
Unterstützung bekam der SPD-Chef von seinen Jungsozialisten. Die CDU befeuere Ängste in der Bevölkerung vor den Kosten des Flüchtlingszuzug mit ihrer Sparpolitik, sagte die Juso-Vorsitzende Johanna Uekermann am Sonntag dem Tagesspiegel. "Herr Schäuble treibt die Spaltung der Gesellschaft voran. Das ist erbarmungslos." Unsicherheit und prekäre soziale Verhältnisse machten die Menschen anfällig für Ängste vor Flüchtlingen, fügte sie hinzu. "Deshalb brauchen wir ein Sofortprogramm für sozialen Zusammenhalt." Der Staat müsse Geld für Programme für Langzeitarbeitslose, für den Kita-Ausbau in sozialen Brennpunkten, für den Wohnungsbau, für mehr Erzieher und Lehrer in die Hand nehmen. Der für die Haushaltspolitik zuständige SPD-Fraktionsvize Carsten Schneider sagte dem Tagesspiegel: "Wir müssen zur Integration der Flüchtlinge alles finanzieren, was nötig und was effizient ist. Sie müssen möglichst schnell integriert werden, vor allem auf dem Arbeitsmarkt. Diese Ausgaben haben Priorität, auch vor eher mittelfristigen Anliegen wie im Verteidigungsbereich.“ Schäuble hat hingegen zuletzt erkennen lassen, dass er Mehrausgaben lieber im Bereich der inneren Sicherheit, etwa bei der Bundespolizei, und bei der Bundeswehr ansetzen würde.
Der CDU-Haushaltspolitiker Eckhardt Rehberg wies die SPD-Anliegen zurück. "Herr Gabriel sollte sich darauf konzentrieren, dass das, was bereits beschlossen wurde, vernünftig, effizient und nachhaltig umgesetzt wird", sagte er am Sonntag dem Tagesspiegel. "Wir sind in Deutschland nicht in einer sozialen Schieflage, auch durch die Flüchtlinge nicht. Nun ständig die Kosten für Flüchtlinge nach vorne zu stellen, ist falsch. Rechtspopulisten könnten das auch nicht besser machen." Er kritisierte das Vorgehen der SPD. Kaum habe die Koalition im Dezember Mehrausgaben für Flüchtlinge im Etat für 2016 beschlossen, hätten die SPD-Ministerinnen Andrea Nahles, Manuela Schwesig und Barbara Hendricks sowie die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer schon weitere Forderungen über fünf Milliarden Euro für Integration und Soziales gestellt. Rehberg verwies auf einen Bericht des Finanzministeriums über die bisherigen Integrationsmaßnahmen der Bundesregierung. Hierin sind mehr als hundert Programme aufgelistet. Rehberg plädiert dafür, zunächst einmal zu schauen, ob nicht ineffiziente Doppelförderungen beseitigt werden müssten, bevor man über Mehrausgaben rede.
Und die Auto-Subvention?
In der Union fragt man sich auch, warum Gabriel einerseits ein Sozialpaket fordert, andererseits aber eine Subvention von 5000 Euro beim Kauf eines Elektrofahrzeugs durchsetzen will (gegen den erklärten Widerstand von Schäuble). E-Mobile würden kaum von Ärmeren gekauft, heißt es, sondern von Wohlhabenden und Unternehmen. Mit der Kaufprämie will Gabriel den Absatz von Elektroautos ankurbeln, der bisher weit unter den Erwartungen der Regierung geblieben ist.
Die Eckpunkte für den nächsten Haushalt sollen am 23. März im Kabinett besprochen werden, doch gibt es in der Koalition bereit die Erwartung, dass es dazu nicht kommen wird - wegen der Wahlen, wegen der absehbaren Verluste für die Koalitionspartner, weil man erst einmal ein paar Wochen zum Ausdampfen braucht. Ansonsten ist der Zeitplan für den Etat abgesteckt: Im Juni entscheidet das Kabinett über Schäubles Entwurf, dann berät der Bundestag, die Abstimmung dürfte Ende November sein. In der Zwischenzeit wird sich zeigen, wie die Flüchtlingszahlen sich in diesem Jahr entwickeln. Dann wird man auch klarer sehen, ob die Vereinbarung des Bundes mit den Ländern zur Kostenübernahme in diesem Jahr zu halten sein wird. Der Bund beteiligt sich mit einer Pauschale von 670 Euro je Flüchtling, basierend auf der Annahme von 800.000 Asylbewerberfällen in diesem Jahr. Vom Zwölf-Milliarden-Überschuss im Bundesetat 2015 hat Schäuble 6,1 Milliarden Euro schon fest für Flüchtlingskosten im laufenden Etat veranschlagt, 6,7 Milliarden sollen für mögliche Mehrausgaben in diesem und im kommenden Jahr zurückgehalten werden.
Es geht um die schwarze Null
Während Schäuble auch im Entwurf für 2017 unbedingt die schwarze Null halten will, um die Union im Bundestagswahlkampf im kommenden Jahr als die Partei der soliden Haushaltspolitik darstellen zu können, mehren sich in der SPD über den linken Flügel hinaus Stimmen, die dieses Ziel nicht für vorrangig halten. Allerdings stehen die SPD-Haushaltspolitiker hinter der Koalitionsvereinbarung, wonach die Haushalte ausgeglichen, also ohne neue Schulden sein sollen. "Ich bin bereit, alles zu versuchen, um die schwarze Null zu halten", sagte Schneider. Die Frage stelle sich aber vorerst nicht, "da wir haushaltspolitische Spielräume durch die Überschüsse in der Rücklage haben". Er sei sicher, dass es im Haushalt auch darüber hinaus Spielräume gebe. "Außerdem müssen wir bei den Ausgaben den gesamten Instrumentenkasten einsetzen – inklusive Subventionsabbau. Da stand die Union bisher auf der Bremse. Auch bei den Zinsausgaben besteht noch Spielraum."
Albert Funk, Stephan Haselberger