Solidaritätspaket für Deutsche?: Merkel weist Gabriels Forderung zurück
Angela Merkel (CDU) hat Sigmar Gabriels Wunsch nach einem Solidaritätspaket für Deutsche eine Absage erteilt. Die Kanzlerin verwies auf das Ziel eines ausgeglichenen Haushalts - und noch nicht umgesetzte Projekte der Koalitionsvereinbarung.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat dem Ruf von SPD-Chef Sigmar Gabriel nach einem neuen Sozialpaket für die deutsche Bevölkerung eine Absage erteilt. In der Koalition sei vereinbart, „darauf hinzuarbeiten, dass wir den ausgeglichenen Haushalt bewahren“, sagte Merkel am Freitag auf der Münchner Handwerksmesse. „Was zusätzliche Leistungen für die einheimische Bevölkerung betrifft, haben wir eine Vielzahl von Projekten, die wir noch gar nicht umgesetzt haben.“ Bundeswirtschaftsminister Gabriel hatte eine Abkehr vom strikten Sparkurs zugunsten eines neuen Solidaritätsprojekts verlangt.
Die CDU-Chefin nannte als Beispiele für geplante Projekte unter anderem die geplante schrittweise Erhöhung der Ostrenten auf Westniveau und die Eingliederungshilfe für Behinderte - in der großen Koalition ist vereinbart, dass der Bund den Ländern einen beträchtlichen Teil der alljährlichen Milliardenkosten abnehmen soll. „Wir sollten natürlich unsere Koalitionsvereinbarung umsetzen“, sagte Merkel.
Die Kanzlerin sagte aber „ganz im Sinne des Wirtschaftsministers“: „Wir brauchen auch für innovative Projekte noch Spielräume.“ Beispielsweise dringe die Autoindustrie sehr darauf, die Elektromobilität stärker zu fördern. „Auch das sind soziale Projekte, wenn Sie so wollen, damit Arbeitsplätze erhalten bleiben“, sagte Merkel. „Es geht nicht nur um Konsum, es geht auch um die Innovationsfähigkeit Deutschlands.“
Gabriel verlangt mehr Geld für die sozialen Belange der Bürger
SPD-Chef Sigmar Gabriel hatte am Vorabend mehr Geld für die sozialen Belange der Bürger gefordert. Deutschland brauche „so etwas wie ein neues Solidaritätsprojekt für unsere eigene Bevölkerung“, sagte Gabriel am Donnerstagabend in der ZDF-Sendung „Maybrit Illner“. Die Menschen dürften nicht den Eindruck haben, dass Milliardenbeträge nur für die Bankenrettung und für Flüchtlinge ausgegeben werden und ihre eigenen Bedürfnisse unter die Räder geraten. Konkret nannte der Vizekanzler den sozialen Wohnungsbau, den Ausbau der Kita-Plätze und die Aufstockung geringer Renten. Dies sei wichtiger als ein ausgeglichener Haushalt. Auch der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Manfred Rekowski, mahnte in der Talkshow, bei der nötigen Hilfe für Flüchtlinge die anderen Bedürftigen nicht zu vergessen. „Wir müssen aufpassen, dass es nicht einen Kampf um den vorletzten Platz in unserer Gesellschaft gibt“, sagte der Theologe. Mit Blick auf die Debatte über Grenzschließungen und eine Begrenzung der Flüchtlingsaufnahme hob Rekowski die Verantwortung nicht zuletzt der christlichen Parteien hervor. Wer sich auf christliche Werte berufe, müsse den Flüchtlingen wirksam helfen. Dies müsse an anderen Stellen geschehen, wenn Deutschland bei der Aufnahme an seine Grenzen komme.
Die gleiche Entschlossenheit und Leidenschaft wie beim Schutz der EU-Außengrenzen wünsche er sich auch, „wenn es um die Bekämpfung von Fluchtursachen geht“, betonte der leitende Geistliche der zweitgrößten Landeskirche in Deutschland und warnte: „Wenn wir in den Nachbarstaaten der Krisenregionen nicht für das Existenzminimum sorgen, dann setzen wir Fluchtbewegungen in Gang.“ Statt auf das „Weltproblem Flucht mit nationalen Regelungen“ zu reagieren, sei „eine intelligente europäische Paketlösung“ nötig, sagte Rekowski.
Der CSU-Ehrenvorsitzende Edmund Stoiber verteidigte die Forderung seiner Partei nach nationalen Obergrenzen für die Aufnahme von Flüchtlingen. „Eine Begrenzung ist ethisch verantwortbar, damit ich die Mehrheitsbevölkerung in dieser Entscheidung mitnehme, und das tun wir zu wenig“, sagte Stoiber.
Dagegen kritisierte die Sprecherin des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR, Melissa Fleming, die Grenzschließungen von EU-Staaten. Europa habe Deutschland im Stich gelassen. Die aktuelle Krise gäbe es nach Einschätzung Flemings nicht, wenn alle EU-Staaten ihren Teil der Last getragen hätten. Dazu hätten an den Außengrenzen von Beginn an alle Flüchtlinge registriert und auf die Mitgliedsstaaten verteilt werden müssen. (dpa/epd)