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Trauer um Terroropfer. Vor der Schule des am Freitag von einem Islamisten ermordeten Lehrers Samuel Paty zeigen Mitbürger ihre Anteilnahme.
© Bertrand Guay/AFP

Enthauptung eines Lehrers in Frankreich: Sicherheitsbehörden befürchten Nachahmertaten in Deutschland

Der Hass nimmt kein Ende: Der islamistische Anschlag in der Nähe von Paris zeugt von der Gefahr durch die Wut fanatischer Muslime über die Mohammed-Karikaturen.

Das grausame islamistische Attentat auf einen Lehrer in Frankreich erschreckt die deutschen Sicherheitsbehörden. „Wir sehen die Gefahr von Nachahmertaten“, sagte ein hochrangiger Experte dem Tagesspiegel. So eine Tat „kann auch in Deutschland passieren“. Am Freitag hatte ein 18 Jahre alter, russisch-tschetschenischer Flüchtling im Pariser Vorort Conflans-Sainte-Honorine mit einem Metzgermesser auf den Geschichts- und Erdkundelehrer Samuel Paty eingestochen und ihn enthauptet. Tatmotiv war Hass auf den 47-jährigen Paty. Er hatte im Unterricht beim Thema Meinungsfreiheit die umstrittenen Mohammed-Karikaturen angesprochen.

Nach der Tat veröffentlichte der Mörder bei Twitter ein Foto des Opfers und Hassparolen gegen Paty sowie Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron. Der Attentäter bedrohte zudem die ihn verfolgenden Polizisten und wurde erschossen. Der Anschlag löste über Frankreich hinaus Entsetzen aus und zeugt von der Gefahr durch die Wut radikalisierter Muslime über Mohammed-Karikaturen.

Macron: Paty lehrte seine Schüler die Freiheit der Meinungsäußerung

Macron sprach am Freitagabend in Conflans-Sainte-Honorine von einem „islamistischen Terroranschlag“ . Paty sei ermordet worden, weil er „seine Schüler die Freiheit der Meinungsäußerung, die Freiheit zu glauben und nicht zu glauben lehrte“. Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) schrieb bei Twitter, „von Terror, Extremismus und Gewalt dürfen wir uns nie einschüchtern lassen“.

Im September hatte bereits ein Pakistaner zwei Journalisten verletzt

Die deutschen Behörden haben die Sorge, der Anschlag könnte wegen der extremen Brutalität und des Motivs radikalisierte, durch Terrorvideos bereits aufgeputschte junge Muslime in Deutschland anstacheln. Karikaturen über den Propheten „bleiben ein Zündfunke, der auch heute noch jederzeit überspringen kann“, warnte der Sicherheitsexperte.
Im September hatte bereits in Paris ein ebenfalls 18-jähriger Pakistaner mit einem Hackmesser zwei Journalisten vor den früheren Büroräumen von „Charlie Hebdo“ schwer verletzt. Kurz zuvor hatte die Zeitschrift Mohammed-Karikaturen veröffentlicht – als Kommentar zum Beginn des Prozesses gegen 13 Männer und eine Frau, die im Januar 2015 den beiden Terroristen beim Anschlag auf „Charlie Hebdo“ geholfen haben sollen. Die Islamisten von Al Qaida hatten zwölf Menschen erschossen, darunter mehrere Mitglieder der Redaktion des Magazins. Der Angriff war ein Racheakt für die Publikation von Mohammed-Karikaturen.

Fanatisierte Muslime zündeten Botschaften Dänemarks an

Der Aufruhr bei Muslimen begann, nachdem die dänische Zeitung „Jyllands Posten“ im September 2005 zwölf satirische Zeichnungen veröffentlicht hatte, in denen Mohammed gezeigt wird. In islamischen Ländern ist die Auffassung verbreitet, Mohammed dürfe nicht abgebildet werden, auch wenn im Koran kein solches Verbot zu finden ist. Die Karikaturen lösten in mehrheitlich islamischen Staaten heftige Proteste aus. Fanatisierte Muslime zündeten in Beirut und Damaskus die Botschaften Dänemarks an, in Nigeria starben bei einem Pogrom mehr als ein Dutzend Christen.

Auch deutsche Medien gerieten in Gefahr

Die Wut richtete sich auch gegen Deutschland, da hier mehrere Zeitungen, darunter der Tagesspiegel, im Februar 2006 einige Karikaturen aus der „Jyllands Posten“ nachdruckten - als Bekenntnis zu Meinungs- und Pressefreiheit. Die Medienhäuser gerieten auch in Gefahr. Im März 2006 drang in Berlin ein Pakistaner mit einem Messer in das Axel-Springer-Haus ein, um den damaligen Chefredakteur der „Welt“, Roger Köppel, zu töten. Die Polizei stoppte den Angreifer.
Im Juli 2006 platzierten zwei Libanesen im Kölner Hauptbahnhof Bomben in zwei Regionalzügen. Die Explosion der in Koffern versteckten Sprengsätze blieb jedoch wegen eines technischen Defekts aus. Einer der Täter wurde in Deutschland gefasst und gab als Motiv die Wut auf den Nachdruck der Mohammed-Karikaturen in der „Welt“, dem Tagesspiegel und weiteren deutschen Zeitungen an. Das Oberlandesgericht Düsseldorf verurteilte den Täter zu zwölf Jahren Haft.

Angriff von Anis Amri in Berlin war eine Nachahmertat

In den deutschen Behörden wird angesichts der jüngsten Anschläge in Frankreich befürchtet, die Gefahr islamistischen Terrors werde auch in der Bundesrepublik wieder akut. „Hoffentlich fängt das nicht wieder an“, sagte der vom Tagesspiegel befragte Experte. Warnungen vor Nachahmertaten hatten sich früher schon bestätigt. Nachdem im Juli 2016 ein Islamist in Nizza mit einem Lkw 86 Menschen getötet hatte, raste fünf Monate später in Berlin der Tunesier Anis Amri mit einem Truck in den Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz. Bei dem Anschlag starben zwölf Menschen.

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