Landtagswahl in Thüringen: Setzt die CDU auf einen Erfolg der AfD?
Die AfD könnte bei der Wahl in zwei Wochen in Thüringen in den Landtag einziehen. In Erfurt vermuten manche, dass dies der CDU sogar zupass kommen könnte.
Die Alternative für Deutschland (AfD) ist in Thüringen ein besonders zerstrittener Landesverband. Immer wieder fallen ihre Funktionäre auf durch hanebüchene Forderungen und rechte Sprüche. Die klare Absage der Ministerpräsidentin und CDU-Spitzenkandidatin Christine Lieberknecht an ein Bündnis mit der AfD ist insofern schlüssig. Und sie passte auch zur Vorgabe der Bundespartei, die eine Zusammenarbeit zwischen CDU und AfD in den Ländern auf gar keinen Fall will.
Umso erstaunlicher aber ist, dass erst dieser Tage der thüringische CDU-Landtagsabgeordnete Wolfgang Fiedler die Debatte über eine Kooperation mit den Rechtspopulisten dann doch wieder aufmachte. "Wenn die Sozialdemokraten planen, einen Linken zum Ministerpräsidenten zu wählen, sollten wir nicht von vornherein eine mögliche Option ausschließen", sagte Fiedler der "Thüringer Allgemeinen". Die AfD sei für ihn im Prinzip eine demokratische Partei. Er stehe "in dieser Frage nahe" beim sächsischen Ministerpräsidenten Stanislaw Tillich (CDU) und nicht bei Lieberknecht - Tillich schließt für Sachsen eine Koalition mit NPD und Linkspartei klar aus, nicht jedoch mit der AfD.
Wobei - auf Thüringen bezogen - die Frage, ob eine Zusammenarbeit von CDU und AfD nach der Wahl völlig ausgeschlossen ist, nur die eine Seite des Umgangs mit der eurokritischen Partei ist. Die andere Seite ist die, ob die CDU von einem Einzug der AfD in den Landtag nicht sogar profitieren könnte. So gelten in der Opposition und der in Erfurt mitregierenden SPD die Worte des CDU-Mannes Fiedler als Hinweis darauf, dass die Union mehr oder weniger offen auf einen AfD-Erfolg spekuliert, ohne deshalb gleich koalieren zu müssen. Das dafür intern diskutierte Szenario: CDU und AfD sind am 14. September gemeinsam stärker als Linke und SPD zusammen, kleine Parteien wie Grüne und FDP verpassen den Wiedereinzug in den Landtag. Die SPD könnte dann nicht mehr aussuchen, ob sie den Linken-Politiker Bodo Ramelow zum Ministerpräsidenten wählt oder die Amtsinhaberin Lieberknecht bestätigt - praktisch wäre eine Neuauflage von Schwarz-Rot gesichert. Laut Umfragen ist ein solcher Wahlausgang zwar nicht wahrscheinlich, aber eben auch nicht ganz ausgeschlossen. Der AfD Thüringen wurden zuletzt fünf Prozent prognostiziert.
SPD: Die CDU spielt mit dem Feuer
"Die CDU spielt mit dem Feuer", sagt dazu SPD-Spitzenkandidatin Heike Taubert - sie mache eine "rechtspopulistische und rückwärtsgewandte" Partei "hoffähig", die dazu noch "ohne ernsthaftes Programm" zur Wahl antrete. "Ein hohes Risiko", sagte Taubert dem Tagesspiegel. Grünen-Fraktionschefin Anja Siegesmund erklärte: "Die Rechts-Außen-Chaostruppe namens AfD ist ganz sicher nicht regierungsfähig." Für die CDU aber habe der Machterhalt offenbar Vorrang vor Stabilität.
Ähnlich sieht das der Linke-Kandidat für das Ministerpräsidentenamt. "Als Drohkulisse der CDU ist das allemal geeignet", sagte Bodo Ramelow dem Tagesspiegel. Er vermutet, dass vor allem CDU-Fraktionschef Mike Mohring - mit Lieberknecht nicht immer auf einer Linie - auf diese Variante setzt und mit der AfD eine "ihm nahe stehende Gruppierung" stärken will. Der Vorstoß des CDU-Innenpolitikers Fiedler sei "kein Betriebsunfall" gewesen, sagt Ramelow, sondern habe eine "bewusst gesetzte Doppelfunktion" - zum einen in Richtung Wähler, zum anderen Richtung Lieberknecht: "Wir können auch ohne dich."
Offiziell dementiert die CDU. Lieberknecht sagt zum Vorstoß Fiedlers: "Die CDU ist eine große Volkspartei, die Einzelmeinungen aushält." Zu den Spekulationen, die Thüringen-CDU könnte auf einen Erfolg der AfD setzen, erklärt sie: "Solche Farb- und Zahlenspiele haben doch Tausende von Unsicherheiten."
Fundamentalistisch und national
Der Landesvorsitzende der AfD in Thüringen, Matthias Wohlfahrt, war im Juni zurückgetreten, der Landesverband mit seinen zum Teil tief zerstrittenen Kreisverbänden wählte Steffen Möller und Björn Höcke zu neuen Vorstandssprechern. Als "völkischer Christ" galt Wohlfahrt lange als Hoffnungsträger der Freistaat-AfD. Seinen Rückzug befördert hat dann aber ein im März veröffentlichtes Interview von Wohlfahrt mit dem Deutschlandfunk, in dem er Gewalt gegen Ausländer als Ausdruck von Ohnmacht rechtfertigte. Zitat: "Wir wollen für Asylbewerber ein menschenwürdiges Asyl haben, die echten Verfolgten - ich kümmere mich um verfolgte Christen auch -, und wenn ich das sehe, wie ein Afrikaner an der Bushaltestelle von irgendwelchen 'Rechten' zusammengeschlagen worden ist, sehe ich aber auch den Hintergrund: Ich sehe den Hintergrund, dass möglicherweise durch eine lasche Handhabung mit kriminell agierenden Einwanderern so eine Antistimmung gefördert wird, ja."
Verbal abgerüstet hat die AfD seither kaum. Der neue Landesvorsitzende Höcke, Spitzenkandidat am 14. September, verlangte knapp drei Wochen vor der Wahl, das Schengener Abkommen auszusetzen - als Maßnahme gegen steigende Flüchtlingszahlen.