Parlamentswahl in Katalonien: Separatisten sehen sich gestärkt
Nach Wahlerfolg fordert Separatistenchef Carles Puigdemont Verhandlungen. Die Zentralregierung zeigt sich gesprächsbereit – besteht aber auf Einheit Spaniens.
Der unerwartete Erfolg der Separatisten bei der Parlamentsneuwahl in Katalonien hat Bewegung in den Streit um die krisengeplagte spanische Region gebracht. Der Ende Oktober von der Zentralregierung abgesetzte Separatistenchef Carles Puigdemont nutzte die neu gewonnene Stärke am Freitag in Brüssel, um ein Treffen mit dem spanischen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy einzufordern – was dieser nicht ausdrücklich ausschloss.
Das Wahlergebnis sei „eine Ohrfeige“ für Spaniens konservative Zentralregierung, sagte Puigdemont von seinem belgischen Exil aus. „Der spanische Staat wurde bezwungen.“ Der Plan Madrids, einen Machtwechsel in Katalonien herbeizuführen, sei gescheitert. Er forderte Spaniens Regierungschef Mariano Rajoy auf, nun über Kataloniens Unabhängigkeit zu verhandeln und die Zwangsverwaltung der Region zu beenden. Man müsse ihm eine Rückkehr nach Barcelona ermöglichen, damit er sein Abgeordnetenmandat antreten könne. Puigdemont, der vom Obersten Gerichtshof Spaniens beschuldigt wird, auf illegale Weise die Unabhängigkeit vorangetrieben zu haben, muss bei seiner Einreise nach Spanien mit Verhaftung rechnen. Andere Politiker, wie der Spitzenkandidat der linksnationalistischen ERC und der katalanische Ex-Innenminister, sitzen in U-Haft – sie eroberten aus dem Gefängnis heraus Mandate.
Nach turbulenten Wochen und gesetzeswidrigen Beschlüssen der Regionalregierung im Herbst hatte Rajoy für den 21. Dezember Neuwahlen angeordnet. Bis eine neue Regionalregierung im Amt ist, wird Katalonien von Madrid aus verwaltet. Immerhin: Nach monatelangem Stillstand wollen Rajoy und die Separatisten nun zumindest Gespräche führen. Während der Ministerpräsident eine erneute Ausrufung der Unabhängigkeit Kataloniens ablehnte, sieht Puigdemont die Separatisten durch ihren Wahlsieg bestätigt. Viele proseparatistische Wähler hoffen weniger auf Abspaltung als auf Autonomie – etwa so, wie sie das nordspanische Baskenland in fiskalpolitischer Hinsicht genießt.
Für Spaniens Zentralregierung ist dies eine herbe Niederlage
Mit 21,65 Prozent setzte sich Puigdemonts Unabhängigkeitsliste Junts per Catalunya an die Spitze der Unabhängigkeitsbewegung, gefolgt von der deutlich linkeren Separatistenpartei ERC, die 21,39 Prozent bekam. Die radikalere CUP erhielt 4,45 Prozent – zusammengerechnet kamen die Sezessionisten also auf 47,5 Prozent, fast so viel wie 2015. Dies reicht, um mit 70 Abgeordnetenmandaten die absolute Mehrheit der insgesamt 135 Parlamentssitze zu erobern. Denn bei der Sitzverteilung kam den Separatisten das Wahlrecht zu Hilfe, wonach das dünn besiedelte katalanische Hinterland, wo diese stark sind, begünstigt wird.
Die Unabhängigkeitsgegner, zu denen die Sozialisten, die Konservativen Rajoys und die linksalternative Catalunya en Comú gehören, errangen 65 Sitze. Da half es auch nicht, dass die ebenfalls prospanische Partei Ciutadans mit der charismatischen Inés Arrimadas an der Spitze auf 25,3 Prozent kam und so stärkste Partei Kataloniens wurde.
Für Spaniens Zentralregierung ist dies eine herbe Niederlage, auch wenn Rajoy selbstbewusst erklärte: „Ich werde nicht zulassen, dass sie die Verfassung verletzen.“ Spaniens Verfassung untersagt die Abspaltung von Regionen. Die neue Oppositionsführerin Arrimadas bezweifelte, dass Puigdemont die Rückkehr an die Macht gelingen wird – schon wegen des offenen Haftbefehls. Bis zum 23. Januar muss das Parlament seine konstituierende Sitzung einberufen, im April muss ein neuer Ministerpräsident vereidigt sein. Gelingt das nicht, droht schon wieder eine Neuwahl.