Separatisten gegen Unionisten: Die Wahl vertieft Kataloniens Spaltung
Die beiden Lager stehen sich auch nach der Wahl in Katalonien unversöhnlich gegenüber. Die Regierungsbildung wird zum nächsten Konfliktherd. Ein Kommentar.
Bei der Abstimmung in Katalonien ging es am Donnerstag um mehr als um die Wahl eines neuen Parlaments und einer neuen politischen Führung in der spanischen Konfliktregion. Der Urnengang war zugleich ein indirektes Referendum über die Unabhängigkeit Kataloniens. Und über den radikalen Abspaltungskurs der Separatisten, die dort bis Ende Oktober am Ruder waren und dann wegen ihrer verfassungswidrigen Politik von Spaniens Zentralregierung abgesetzt worden waren.
Zum Wahlergebnis, zur Verteidigung der absoluten Mehrheit der Sezessionisten, lassen sich ein paar Dinge festhalten. Dazu gehört: Durch Katalonien zieht sich ein tiefer politischer Graben. Die Unabhängigkeitsbefürworter und die Gegner einer Abtrennung von Spanien stehen sich in zwei ziemlich verfeindeten Lagern gegenüber. Ein trauriger Umstand, der den mit harten Bandagen geführten Wahlkampf überschattete. Das vergiftete Klima macht es nicht gerade leicht, eine Lösung in diesem Autonomiekonflikt zu finden, der ganz Europa besorgt.
Zudem: Auch wenn die Separatisten bei den Sitzen wieder vorne liegen, können sie nicht für sich in Anspruch nehmen – wie sie es bisher unverblümt taten – für die große Mehrheit der Katalanen zu sprechen. Besonderheiten im Wahlrecht führten dazu, dass sie die absolute Sitzmehrheit erreichten, obwohl sie bei den Stimmen nur zusammen auf 48 Prozent kamen. Dass die Sezessionisten im Vergleich zur Wahl 2015 zwei Sitze verloren haben und eine pro-spanische Partei (Ciudadanos mit der charismatischen Spitzenkandidatin Inés Arrimadas) die stärkste Fraktion ist, bedeutet: Ihr Kalkül, von der gezielten Konfrontation mit dem spanischen Staat zu profitieren, geht nicht auf.
Viele gewählte Kandidaten können ihr Mandat nicht ausüben
Und schließlich: Eine Regierungsbildung im zerrissenen Katalonien dürfte schwierig werden. Zumal sowohl der separatistische wie auch der prospanische Parteienblock keineswegs geeint, sondern über den künftigen Kurs zerstritten ist. Ein langes Ringen um einen neuen mehrheitsfähigen Ministerpräsidenten zeichnet sich ab. Ein Tauziehen, bei dem auch die kleine linksalternative Protestpartei Catalunya en Comú (Katalonien gemeinsam), die zwischen beiden Lagern steht und für eine blockübergreifende Regierung eintritt, ein Wörtchen mitreden könnte.
Selbst wenn die Separatisten wieder die absolute Mehrheit der Parlamentssitze holten, werden sie es bei der Wahl eines Regierungschefs nicht einfach haben. Denn mehrere ihrer ins Parlament gewählten Spitzenkandidaten, die wegen der Separatismus-Politik mit der Justiz in Konflikt gerieten, werden ihr Mandat vorerst nicht ausüben können. So wie Oriol Junqueras, Chef von Esquerra Republicana (Republikanische Linke), der sich in U-Haft befindet. Oder Ex-Regierungschef Carles Puigdemont, Kopf von Junts per Catalunya (Zusammen für Katalonien), der ins belgische Exil floh, um in Spanien nicht verhaftet zu werden.
Doch ganz unabhängig vom Abstimmungsausgang und kommendem Machtgerangel: Es sollten von dieser Neuwahl keine politischen Wunder erwartet werden. Die Katalonien-Krise wird sich nicht plötzlich in Luft auflösen. Egal wer künftig regiert, alle Seiten werden versuchen müssen, Brücken zu schlagen, wenn sie den bisherigen Grabenkrieg überwinden und die Katalanen miteinander versöhnen wollen – und dieser Weg wird mühsam und steinig werden.
Ralph Schulze