Kurden protestieren friedlich gegen IS: Senat: 250 gewaltbereite Salafisten leben in Berlin
Nach den Kurdenprotesten in Hamburg und Celle gegen den "Islamischen Staat" bereitet sich die Polizei auf einen Freitag der Gewalt vor. Die Politik warnt vor einem Stellvertreterkrieg. In Berlin demonstrierten Kurden vor dem Reichstag und in Kreuzberg gegen den IS-Terror - friedlich.
In Berlin gibt es nach Erkenntnissen des Senats rund 550 Salafisten. Etwa 250 von ihnen würden "als gewaltorientiert eingeschätzt", erklärte die Senatsinnenverwaltung nach einer Anfrage aus dem Abgeordnetenhaus. In der am Donnerstag veröffentlichten Antwort heißt es, mehr als 60 Berliner Salafisten seien "mit islamistischer Motivation in Richtung Syrien/Irak gereist". Bundesweit gebe es mehr als 6000 Salafisten "mit steigender Tendenz". Unter den 60 Dschihadisten aus Berlin sei insbesondere Denis C. mit Kampfnamen "Abu Talha al Alamani" durch das Internet als IS-Angehöriger bekannt geworden. "Der Aktionsraum des IS, insbesondere im Internet, ist in bzw. mit Bezug auf Deutschland/Berlin" sei aber "derzeit als eher gering einzustufen", heißt es weiter.
"Hier droht ein Stellvertreterkrieg auf deutschem Boden"
Wegen des Vormarschs der IS-Terrormiliz in Syrien und dem Irak hat es in den vergangenen Tagen in zahlreichen deutschen und europäischen Städten Kurdendemonstrationen für mehr Unterstützung ihrer Landsleute im Kampf gegen den IS gegeben. Dabei kam es wiederholt zu gewaltsamen Ausschreitungen zwischen den Kurden, Jesiden und mutmaßlichen radikalen Muslimen. Der Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Rainer Wendt, warnte vor weiteren Konfrontationen in deutschen Städten. "Hier droht ein Stellvertreterkrieg auf deutschem Boden", sagte Wendt der "Passauer Neuen Presse".
In Hamburg waren am späten Mittwochabend nach einer friedlichen Großdemonstration von 1300 Kurden laut Polizei mehr als 60 Menschen fest- oder in Gewahrsam genommen worden, die meisten waren zwischen 20 und 25 Jahre alt. Zudem stellte sie diverse gefährliche Waffen sicher, darunter Messer, Macheten, Schlagstöcke und eine scharfe Pistole.
Das Landeskriminalamt gründete den Angaben zufolge inzwischen eine Ermittlungsgruppe, die die Vorfälle der vergangenen Tage untersuchen soll. Die Polizei war mit fast 1300 Beamten im Einsatz. Sie bereitet sich für Freitag, wenn die Muslime in Moscheen zum Freitagsgebet zusammenkommen, erneut auf einen größeren Einsatz in Hamburg vor. Der Landeschef der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Gerhard Kirsch, sprach angesichts der Bewaffnungen und der Gewaltbereitschaft von einer neuen "gefährlichen Dimension", "die wir so bisher bei Demonstrationen nicht kannten". Zu Protesten kam es auch in Celle, Mainz, Dortmund.
Kurden-Protest vorm Reichstag
Unterdessen wollen Kurden in Berlin jetzt regelmäßig vor dem Reichstag für mehr Unterstützung im Kampf gegen den IS-Terror demonstrieren. Am Donnerstag hielten nach Polizeiangaben rund 130 kurdische Berliner und Unterstützer eine zweistündige Mahnwache auf der Wiese vor dem Reichstag ab. Sie hielten Plakate in die Höhe, alles verlief friedlich. Auch Berliner Jesiden sagten, sie hofften, dass der Widerstand in der alten Heimat gegen den Terror gelinge. In der Nacht zu Freitag gab es zudem in Friedrichshain-Kreuzberg Protest. Gegen 22 Uhr sammelten sich dort Demonstranten. Die Polizei beobachtete das Geschehen aufmerksam. Mehrere Dutzend kurdische Berliner sowie Linke hatten eine Demo gegen den IS-Terror angekündigt. Um kurz vor 23 Uhr war die Demo laut Polizei wieder beendet.
Am Donnerstag drangen etwa 20 kurdische Jugendliche und deutsche Unterstützer in die Münchner CSU-Zentrale ein. Sie forderten ein härteres Vorgehen der internationalen Staatengemeinschaft gegen den IS sowie Druck auf die Türkei.
Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Stephan Mayer (CSU) sagte, die Bevölkerung erwarte, "dass die deutschen Städte, unsere Straßen nicht zur Bühne werden zum Austragen von Religionskonflikten".
Vizefraktionschef Thomas Strobl (CDU) erklärte mit Blick auf die Auseinandersetzungen in Celle und Hamburg, das Demonstrationsrecht solle zwar nicht eingeschränkt werden. "Sehr, sehr klar" sei aber auch, dass Gewalt bei Protestaktionen nicht geduldet werde.
Mindestens 23 Tote in der Türkei
Die Union strebt eine Verschärfung des Strafrechts an. So solle künftig bereits der alleinige Besuch eines Terrorcamps strafbar sein, heißt es in einem am Donnerstag in Berlin von den Innenexperten der CDU/CSU-Fraktion vorgestellten Positionspapiers. Der Besuch eines Terrorcamps ist zwar grundsätzlich bereits strafbar. Voraussetzung ist aber bislang, dass dem Betroffenen eine Anschlagsabsicht nachgewiesen wird und er sich dort an Waffen ausbilden lassen will.
In der Türkei kamen bei Demonstrationen für den Schutz der syrisch-kurdischen Stadt Kobane vor dem IS mindestens 23 Menschen ums Leben. (mit dpa)