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Ukrainischer Präsident Wolodymyr Selenskyj während einer Pressekonferenz am 03. März.
© AFP/Sergei Supinsky

Half ihm der russische Geheimdienst?: Selenskyj entging offenbar bereits drei Attentaten

Tschetschenische Spezialkräfte und russische Söldner sollen versucht haben, den ukrainischen Präsidenten zu töten. Es gibt wohl eine Liste mit 24 Zielen.

Der ukrainische Präsidenten Wolodymyr Selenskyj hat in den vergangenen Tagen mindestens drei Attentatsversuche überlebt, wie die „Times“ berichtet. So sollen zwei verschiedene Gruppen Aufträge erhalten haben, Selenskyj zu töten: Söldner der vom Kreml unterstützten Wagner-Gruppe und tschetschenische Spezialkräfte.

Beide wurden demnach von Kriegsgegnern innerhalb des russischen Föderalen Sicherheitsdienstes (FSB) vereitelt. Mehreren Medienberichten zufolge bestätigte der ukrainische Minister für nationale Sicherheit und Verteidigung die Attentatsversuche.

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Am Samstag wurde dem Bericht zufolge der erste Versuch unternommen: Ukrainische Sicherheitsbeamte erklärten, tschetschenische Attentätern seien am Rand der ukrainischen Hauptstadt Kiew „eliminiert“ worden, bevor sie den Präsidenten erreichen konnten. Oleksiy Danilov zufolge, Sekretär des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrates der Ukraine, sollen russische Spione aus dem FSB, Russlands Nachfolger des KGB, sie über die Pläne informiert haben – um die Invasion zu verurteilen.

„Ich kann sagen, dass wir Informationen vom FSB erhalten haben, die sich nicht an diesem blutigen Krieg beteiligen wollen“, sagte Danilow im ukrainischen Fernsehen. Es soll sich um die Kadyrow-Elitegruppe gehandelt haben, die dem tschetschenischen Präsidenten Ramsan Kadyrow untersteht.

Unabhängig von den tschetschenischen Versuchen, den ukrainischen Präsidenten zu töten, sollen Wagner-Söldner ihre eigenen Versuche unternommen, die Regierung zu stürzen. Eine ungefähr 400 Mann starke Gruppe soll zu dem Zweck bereits seit Ende Januar in Kiew stationiert sein und die Aktivitäten von 24 hochrangigen ukrainischen Zielpersonen verfolgt haben, wie die „Times“ berichtet. Die Truppe gilt als Russlands berüchtigte „Schattenarmee“.

Die Wagner-Söldner sollten darauf warten, dass die „Spetsnaz“, eine russische Spezialeinheit, ihnen einen sicheren Korridor aus Kiew schafft, um nach dem verübten Attentat fliehen zu können. Die Anschläge hätten sie im Zuge der Erstürmung von Kiew ausgeführt, was ihnen genug Ablenkung verschafft hätte. Allerdings kam der russische Militärkonvoi vor der Stadt nur schwer voran und verlangsamte den Angriff deutlich.

Ein Plan scheiterte offenbar daran, dass die Söldner am Samstagmorgen die obersten Ränge der ukrainischen Regierung erreicht hatten, woraufhin Kiew eine 36-stündige „harte“ Ausgangssperre verhängte und alle Menschen in die Häuser schickte, damit die Soldaten die Straßen nach russischen Saboteuren absuchen konnten, wie die „Daily Mail“ schreibt.

Ein erfolgreiches Attentat hätte einen großen Einfluss auf den Krieg

Bei ihren bisherigen Versuchen sollen die Söldner bereits Verluste erlitten haben und beunruhigt gewesen sein, wie genau die Ukrainer ihre Schritte vorausgesehen hatten. Eine der Gruppe nahestehende Quelle sagte der „Times“ zufolge, es sei „unheimlich“, wie gut Selenskyjs Sicherheitsteam informiert zu sein schien.

Die Söldner seien mit einer „sehr hochkarätigen Mission“ betraut: der Enthauptung eines Staatsoberhauptes, sagte eine diplomatische Quelle der „Times“. „Im Hinblick auf die Auswirkungen auf die russische Politik wäre dies vielleicht die größte Mission, die sie bisher durchgeführt haben. Es hätte einen großen Einfluss auf den Krieg", heißt es weiter. „Es braucht nur einen von ihnen, der Glück hat, und alle gehen mit einem Bonus nach Hause", wurde der „Times“ gesagt.

Ein Spezialist für die russische Söldnergruppe Wagner sagte, dass die Elitetruppen der „Spetsnaz“ wahrscheinlich eher in der Lage wären, den Präsidenten auszuschalten, da sie auf mehr Ausrüstung zurückgreifen könnten. Der Quelle zufolge mache es aber mehr Sinn, wenn Russland auf die Wagner-Truppe setzen würde, um den Präsidenten auszuschalten. Im Gegensatz zu russischen Soldaten könnte der Kreml hier jegliche Verbindung abstreiten.

Seit 2014 ist die Wagner-Gruppe bereits in der Ukraine, als russische Kämpfer in Zivil in den Donbass geschickt wurden, um den Konflikt zu schüren. Zuletzt waren sie auch in Syrien und im westafrikanischen Mali aktiv.

Russland bestreitet seine Verbindungen zur Wagner-Gruppe. Der „Times“ zufolge soll die Wagner-Gruppe von Jewgeni Prigoschin geleitet werden. Er gilt als „Putins Küchenchef“, und besitzt mehrere Bot-Fabriken und eine Online-Armee. Im Zuge der Sanktionen des Westens gegen Putins Einmarsch in die Ukraine steht auch Prigoschin als enger Freund des Kreml-Chefs auf der Liste.

[Lesen Sie zur Wagner-Gruppe auch: Putins Schattenarmee: Was wollen russische Söldner in Mali? (T+)]

Die Gruppe soll unter starkem Druck aus Moskau stehen, ihren Auftrag zu erledigen. Die 24 Ziele auf ihrer Liste wollte sie offenbar innerhalb weniger Tage eliminieren. Darunter seien, einem Bericht der „Daily Mail“ zufolge, auch der ukrainische Premierminister, das gesamte Kabinett, der Bürgermeister von Kiew, Vitali Klitschko, und sein Bruder Wladimir.

Es wird vermutet, dass die Söldner Pläne einen weiteren Versuch vor dem Wochenende ausgearbeitet haben. Eine Theorie besagt, wie die „Times“ berichtet, dass die Gruppe versuche, Selenskyjs Aufenthaltsort zu ermitteln, um ihn mit einem Laser zu markieren. Anschließend könnte die russische Luftwaffe einfliegen und eine Bombe abwerfen.

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Für den ukrainischen Präsidenten sind die versuchten Attentate keine Neuigkeit: Seit Wochen hat er darüber Warnungen von US-Beamten gehört, wie die „Washington Post“ berichtet. In einer Videobotschaft in der Nacht vom 26. Februar widersprach er Gerüchten, wonach er das Land bereits verlassen haben sollen. „Ich bleibe in der Hauptstadt, bleibe bei meinem Volk“, sagte er und weiter: „Nach unseren Informationen hat mich der Feind zum Ziel Nr. 1 erklärt, meine Familie zum Ziel Nr. 2“. Er warnte außerdem vor russischen „Sabotagegruppen“.

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Die US-Regierung habe der „Washington Post“ zufolge Selenskyj angeboten, ihm bei der Ausreise aus Kiew zu helfen, um zu verhindern, dass er von den vorrückenden russischen Truppen gefangen genommen oder getötet wird. Selenskyj lehnte das Angebot ab und sagte stattdessen: „Ich brauche Munition, keine Mitfahrgelegenheit.“

Der ukrainische Präsident hat sich der „Daily Mail“ zufolge mit einem vertrauenswürdigen Team umgeben und ist ständig in Bewegung mit immer variierenden Kommunikationsmethoden, um den Schergen zu entgehen. Mehrmals am Tag meldet er sich per Videobotschaft oder in den Sozialen Medien bei seinem Volk, um weiter die russische Invasion zu bekämpfen.

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