„Das wird Russland ruinieren“: USA, EU und Großbritannien sanktionieren Putin und Lawrow
Die EU ahndet den Angriff auf die Ukraine mit Konsequenzen für Russlands Präsidenten und seinen Außenminister. Die USA und Großbritannien ziehen nach.
Die EU hat wegen des russischen Einmarschs in der Ukraine direkte Sanktionen gegen Präsident Wladimir Putin und Außenminister Sergej Lawrow beschlossen. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell sagte am Freitag nach einem Treffen der EU-Außenminister in Brüssel, Putin und Lawrow stünden nun zusammen mit jenen Abgeordneten des russischen Parlament, „die diese Aggression unterstützen“, auf der Sanktionsliste.
Borrell bezeichnete die Entscheidung als „wichtigen Schritt“. Die Außenminister der 27 Mitgliedstaaten hatten am Freitagnachmittag einen entsprechenden Rechtsakt verabschiedet, wie die Deutsche Presse-Agentur aus Diplomatenkreisen erfuhr.
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Nach der Europäischen Union verhängt auch Großbritannien Sanktionen gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin und seinen Außenminister Sergej Lawrow. Das sagte der britische Premier Boris Johnson einer Regierungsmitteilung zufolge bei einer Sitzung der Staats- und Regierungschefs der Nato-Staaten am Freitag. Grund für den Schritt sei die „revanchistische Mission“ Putins und Lawrows, mit der sie die Weltordnung nach dem Kalten Krieg durch den Angriff auf die Ukraine beseitigen wollten.
Johnson warnte die Nato-Staats- und Regierungschefs bei ihrer Videoschalte der Mitteilung zufolge, dass Putins Absichten möglicherweise über die Invasion in die Ukraine hinausgehen könnten. Er forderte, Russland umgehend aus dem Zahlungsverkehrssystem Swift auszuschließen, „um Präsident Putin und seinem Regime maximal wehzutun“.
Auch USA wollen Putin sanktionieren
Auch die US-Regierung verhängte wie angekündigt Sanktionen gegen Putin und mehrere seiner Minister. Betroffen sind unter anderem Außenminister Lawrow, Verteidigungsminister Sergej Schoigu sowie der Chef des Inlandsgeheimdienstes FSB, Alexander Bortnikow, und weitere führende Regierungsvertreter, wie das US-Finanzministerium am Freitagabend (Ortszeit) erklärte. Das Weiße Haus hatte die Sanktionen gegen Putin und Lawrow bereits einige Stunden vorher angekündigt.
„Es ist für das Finanzministerium außergewöhnlich selten, einen Staatschef mit Sanktionen zu belegen. Präsident Putin schließt sich damit einer sehr kleinen Gruppe an, zu der Despoten wie Kim Jong Un, Alexander Lukaschenko und Baschar al-Assad gehören“, erklärte das US-Finanzministerium in Bezug auf die Machthaber in Nordkorea, Belarus und Syrien.
Die EU habe ein Sanktionspaket aufgelegt an "Wirtschafts- und Finanzsanktionen, aber eben auch an Sanktionen gegen diejenigen, die für diese Furchtbarkeit an den Menschen in der Ukraine verantwortlich sind", sagte Bundesaußenministerin Annalena Baerbock Grüne) am Rande eines außerordentlichen EU-Außenministerrats in Brüssel. "Das wird Russland ruinieren", fügte Baerbock hinzu.
"Wir treffen das System Putin dort, wo es getroffen werden muss: eben nicht nur wirtschaftlich und finanziell, sondern in seinem Machtkern", betonte Baerbock. "Deshalb listen wir nicht nur Oligarchen, deshalb haben wir bereits nicht nur zahlreiche Abgeordnete gelistet, sondern wir listen jetzt auch den Staatspräsidenten, Herrn Putin, und den Außenminister, Herrn Lawrow." Beide seien dafür verantwortlich, "dass unschuldige Menschen in der Ukraine sterben, sie sind dafür verantwortlich, dass das internationale System mit Füßen getreten wird".
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Zuvor hatte die EU bereits weitere Namen bekannt gegeben. Betroffen sind zum Teil ranghohe Persönlichkeiten wie der russische Verteidigungsminister Sergej Schoigu, Wirtschaftsminister Maxim Reschetnikow sowie Vize-Ministerpräsident Dmitri Grigorenko, wie aus dem in der Nacht zum Donnerstag veröffentlichten Amtsblatt der Europäischen Union hervorgeht.
Bereits am Dienstagabend hatten sich die Außenministerinnen und Außenminister der EU-Staaten auf das Sanktionspaket geeinigt. Am Mittwoch wurden die Strafmaßnahmen dann formell von den 27 EU-Staaten beschlossen. Die Veröffentlichung im Amtsblatt ist nun der letzte Schritt.
EU-Ratschef Charles Michel hat für diesen Donnerstagabend zudem einen Krisengipfel der Staats- und Regierungschefs in Brüssel einberufen. Dort könnte über weitere Maßnahmen gegen Russland beraten werden.
Von Personen und Organisationen, die auf die EU-Sanktionsliste gesetzt werden, werden sämtliche in der EU vorhandenen Vermögenswerte eingefroren. Zudem dürfen gelistete Personen nicht mehr in die EU einreisen und mit den Betroffenen dürfen auch keine Geschäfte mehr gemacht werden. Insgesamt gelten nach EU-Angaben nun gegen 555 Personen und 52 Organisationen Strafmaßnahmen wegen der Verletzung der territorialen Integrität der Ukraine.
Die EU setzt auch die 351 Abgeordneten des russischen Parlaments auf die Sanktionsliste, die die Anerkennung der selbst ernannten Volksrepubliken Luhansk und Donezk in der Ostukraine auf den Weg gebracht hatten.
Hinzu kommen 27 Personen und Organisationen, die dazu beitragen, die territoriale Integrität, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine zu untergraben. Besonders daran sei, wie Brüssel-Korrespondentin Anne Gellinek im ZDF sagte, dass das verbindende Element dieser Einzelpersonen die Freundschaft und Bekanntschaft mit Putin sei. Bisher habe sich die EU eher auf die politisch Verantwortlichen gestützt. Nun soll es auch um den engsten Beraterkreis des Präsidenten gehen.
Von den Sanktionen betroffen sind unter anderem:
Sergei Shoigu
Der Armeegeneral ist seit 2012 Russlands Verteidigungsminister. 2014 war er schon bei der Annexion der Krim involviert. Er ist enger Freund von Putin, die beiden gehen manchmal zusammen in Sibirien jagen.
Margarita Simonyan
Sie ist Chefredakteurin des Nachrichtensenders RT, früher Russia Today. Simonyan bezeichnete den Sender einmal als „Verteidigungsministerium“ des Kremls. Nach der Wiederwahl Putins 2018 sagte sie: „Früher war er einfach unser Präsident und konnte abgelöst werden. Jetzt ist er unser Führer. Und wir lassen nicht zu, dass er abgelöst wird.“
Maria Sacharowa
Die Pressesprecherin des Außenministerium spricht seit Wochen von einem Genozid, der in der Ukraine an der russischen Bevölkerung verübt werden soll. Der EU zufolge bereitete sie den propagandistischen Boden für den Einmarsch in die Ukraine.
Jewgeni Prigoschin:
Jewgeni Prigoschin wird wegen seines Restaurantgeschäfts, mit dem er sein Vermögen gemacht hat, als „Putins Koch“ bezeichnet. Er ist unter anderem an einer berüchtigten Internet-„Trollfabrik“ in St. Petersburg beteiligt, die als Internet Research Agency (IRA) bekannt ist.
Auch Großbritanniens Regierung gab erste Namen für Sanktionen bekannt. Darauf befinden sich nach Angaben der britischen Zeitung „The Guardian“ folgende Namen:
- Anton Wajno: Vorsitzender der Präsidialverwaltung
- Wladimir Solowjow: bekannter Kremlpropagandist
- Kirill Schamalow: jüngster Milliardär Russlands und ehemaliger Schwiegersohn von Wladimir Putin. Er ist Aktionär und Direktor des Petrochemie-Riesen Sibur.
- Petr Fradkow: Vorsitzender der Promsvyazbank und Sohn von Michail Fradkow, dem ehemaligen russischen Premierminister und ehemaligen Direktor des Auslandsgeheimdienstes (SVR).
- Gennadi Timtschenko: Der 69-jährige Milliardär und Freund des russischen Präsidenten ist Eigentümer der privaten Investmentgesellschaft Volga Group. Er soll „an Handlungen beteiligt gewesen sein, die die Ukraine destabilisiert oder die territoriale Integrität, Souveränität oder Unabhängigkeit der Ukraine untergräbt oder bedroht.“ Er sei außerdem „eine der mächtigsten Personen in Russland“ und habe enge Beziehungen zum russischen Präsidenten Wladimir Putin.
Auch Altkanzler Schröder ist im Gespräch
Zur Debatte für weitere Sanktionen von Seiten Großbritanniens stehen nach Angaben des britischen Politikers Tom Tugendhat auch der Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder sowie François Fillon, der ehemalige französische Premierminister. „Ich kann sagen, sie sind im Gespräch für weitere Sanktionen, aber ob das durchgehen wird, weiß ich nicht“, sagte Tugendhat.
Altkanzler Schröder gilt als langjähriger Freund des russischen Präsidenten. Er ist zudem Aufsichtsratschef beim staatlichen russischen Energiekonzern Rosneft und hat Führungspositionen bei den Pipeline-Projekten Nord Stream und Nord Stream 2. Zwar haben die USA bereits Sanktionen gegen Nordstream 2 verhängt. Diese seien jedoch nicht auf Schröder ausgeweitet, berichtet die Nachrichtenagentur Reuters.
Der ehemalige Bundeskanzler rief zwar zum Ende des Ukraine-Krieges auf, setzte sich jedoch in einem Post dafür ein, die Sanktionen gering zu halten.
François Fillon ist im Gespräch, da er für eine Nähe zu Russland wirbt und die bisherigen Sanktionen gegen Moskau wegen der Annexion der Krim aufheben lassen will, schreibt das Nachrichtenportal „Zeit Online“. Laut der Zeitschrift „Express“ sollen sich Fillon und der russische Präsident sogar duzen. Putin soll Fillon sogar aus Anteilnahme am Tod seiner Mutter eine Flasche eines alten Weins geschickt haben.
Auch eine sogenannte Internet-Forschungsagentur mit Sitz in St. Petersburg, die als kremlnahe Trollfabrik bekannt ist und Desinformationen verbreitet, wird genannt. Ebenso sind hochrangige Militärs und Geschäftsleute Teil der Liste. Hinzu kommen die russische Staatsbank Promsvyazbank, die Bank Rossiya und das Finanzentwicklungsinstitut Veb.rf. (mit dpa, AFP, Reuters)