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Petro Poroschenko (l) und Wolodymyr Selenski
© dpa/Vadim Ghirda/AP

Ukraine kurz vor der Stichwahl: Selenski und Poroschenko liefern sich hitziges Rede-Duell

Vor der entscheidenden Runde der Präsidentschaftswahl in der Ukraine kommt es in Kiew zum Schlagabtausch der Kandidaten. Der Schauplatz: Das Olympia-Stadion.

Vor der Stichwahl um das Präsidentenamt in der Ukraine hat die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) eine dauerhafte Waffenruhe im Kriegsgebiet im Osten gefordert. Beide Seiten hätten die Pflicht, für die Sicherheit der Menschen zu sorgen, sagte der amtierende OSZE-Vorsitzende, der slowakische Außenminister Miroslav Lajcák, einer am Freitag veröffentlichten Mitteilung zufolge. Eine seit 8. März geltende Frühjahrswaffenruhe war zuletzt immer wieder gebrochen worden. Die krisengeschüttelte Ukraine wählt an diesem Sonntag einen neuen Präsidenten.

Bei der Stichwahl treten Amtsinhaber Petro Poroschenko und der Schauspieler Wolodymyr Selenski gegeneinander an. Der 41-jährige Selenski hatte den ersten Wahlgang am 31. März mit deutlichem Vorsprung gewonnen. Er gilt weiter als haushoher Favorit. Insgesamt sind 30 Millionen Wahlberechtigte aufgerufen, eine neues Staatsoberhaupt für die kommenden fünf Jahre zu bestimmen.

Die beiden prowestlichen Politiker in der in die EU strebenden Ukraine trafen am Freitagabend im Olympia-Stadion in Kiew bei einem hitzigen Rede-Duell aufeinander. Die krisengeschüttelte Ex-Sowjetrepublik sei heute das ärmste Land unter „dem reichsten Präsidenten“, sagte Selenski. „Ich bin nicht Ihr Opponent, ich bin Ihr Urteil“, betonte er. Er wolle nur eine Amtszeit regieren und dafür sorgen, dass die korrupte Machtelite verschwinde. Mehrere Fernsehsender übertrugen die Debatte, auch in Russland.

Poroschenko, der selbstsicher und mit einem Lächeln auftrat, wies Vorwürfe der Korruption zurück. Der Präsident warnte davor, dass von Russland bedrohte Land dem zwar „talentierten Schauspieler“, aber politisch völlig unerfahrenen Selenski zu überlassen. „Wir stehen heute vor äußeren Herausforderungen, die vom Präsidenten Mut, Kraft, internationale Erfahrung erfordern“, sagte er. Poroschenko bezeichnete seinen Herausforderer als unfähig, den russischen Aggressor zu besiegen.

Videomitschnitt für Putin

Mehr als 10.000 Sicherheitskräfte waren nach offiziellen Angaben auf dem Stadiongelände im Einsatz, um einen reibungslosen Ablauf in der Arena mit 70.000 Plätzen zu garantieren. Die Debatte dauerte etwa eine Stunde. Soziologen gingen nicht davon aus, dass die Debatte Einfluss auf den Ausgang der Wahl hat. Am Nachmittag hatte Poroschenko, dem eine Niederlage droht, in Kiew seine Anhänger auf dem Unabhängigkeitsplatz - dem Maidan - versammelt, um für seine Wiederwahl zu werben.

Es bestehe die Gefahr, dass der Schauspieler die Ukraine wieder in den Einflussbereich von Kremlchef Wladimir Putin führe - als „Satellit des russischen Imperiums“, sagte er. Politik sei keine Fernsehshow, mahnte er mit Blick auf die TV-Karriere des Komikers Selenski, der seit Jahren einen Präsidenten in einer Comedy-Serie spielt.

In Moskau hatte Kremlsprecher Dmitri Peskow gesagt, dass das Interesse an der Stadion-Debatte auch im russischen Präsidialamt groß sei. Für Putin solle ein Videomitschnitt angefertigt werden. Der Kreml hofft demnach im Fall des Sieges von Selenski auf ein Ende der Gewalt in der Ukraine. Russland fordert seit langem, dass der ukrainische Militäreinsatz gegen den Donbass beendet werde. Das Land setzt sich auch für einen direkten Dialog der Führung in Kiew mit den Separatisten im Kriegsgebiet ein.

Dagegen hatte Präsident Poroschenko stets auf militärische Härte gegen die aus Russland unterstützten abtrünnigen Regionen Donezk und Luhansk gesetzt. Der 53-Jährige war vor fünf Jahren nach den prowestlichen Protesten in Kiew gewählt worden und hatte sich entschlossen von Russland abgewendet. Selenski sagte im Stadion, dass er damals Poroschenko gewählt habe. Das sei ein Fehler gewesen, betonte er.

In dem blutigen Konflikt in Teilen der Gebiete Donezk und Luhansk sind nach UN-Angaben seit 2014 mehr als 13 000 Menschen getötet worden. Die Umsetzung des 2015 unter anderem durch deutsche Vermittlung vereinbarten Minsker Friedensplans liegt auf Eis. In der Nacht zum Freitag war eine geplante Osterwaffenruhe gescheitert. Die Konfliktparteien machten sich gegenseitig verantwortlich. Am kommenden Mittwoch solle ein neuer Versuch unternommen werden, teilte die OSZE mit. Gewählt wird im Kriegsgebiet nicht. (dpa)

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