Präsidentenwahl in der Ukraine: Komiker Selenski liegt in erster Runde klar vorn
Der Politik-Neuling Selenski ist ersten Ergebnissen zufolge Sieger im ersten Wahlgang in der Ukraine. Er geht in die Stichwahl mit Amtsinhaber Poroschenko.
Politik-Neuling oder Amtsinhaber: Die in die EU strebende Ukraine muss bei einer Stichwahl über ihren neuen Präsidenten entscheiden. Der Komiker Wladimir Selenski setzte sich zwar laut ersten Ergebnissen mit rund 30 Prozent der Stimmen klar als Sieger bei der Präsidentenwahl am Sonntag durch.
Der 41-Jährige verfehlte aber die absolute Mehrheit. Er muss deshalb in eine Stichwahl mit Amtsinhaber Petro Poroschenko. Der 53-Jährige kam laut Prognosen auf 16,7 Prozent der Stimmen. Beide stehen für eine klare West-Orientierung der Ukraine. Das ist der Stand nach Auszählung von 37 Prozent der Stimmzettel am Montagmorgen bei der zentralen Wahlkommission in Kiew. Die Stichwahl ist voraussichtlich am Ostersonntag (21. April).
„Das ist nur der erste Schritt zum großen Erfolg“, sagte Selenski am Abend. Es gebe viele Prognosen - „aber überall nur einen Sieger“, sagte Selenski. Umfragen hatten Selenski bereits seit Wochen im ersten und im zweiten Wahlgang als Sieger gesehen. Er spielt in der populären Fernsehserie „Sluha narodu“ - Diener des Volkes - seit Jahren einen bodenständigen und ehrlichen Präsidenten. Dabei prangert er etwa die Korruption an. In der Ex-Sowjetrepublik ist der Frust bei vielen Menschen über fehlende Fortschritte groß.
Der Komiker zeigte sich bestens gelaunt. „Heute beginnt ein neues Leben - ohne Korruption, ohne Schmiergeld“, sagte Selenski. Er kam mit seiner Frau Jelena ins Wahllokal, wo sich Dutzende Journalisten um den Kandidaten drängten. Kritiker werfen dem Komiker politische Unerfahrenheit, Planlosigkeit und Populismus vor.
Amtsinhaber Poroschenko zeigte sich nach Schließung der Wahllokale trotz massiver Stimmenverluste siegessicher. „Sie werden weiter mit Poroschenko arbeiten müssen“, sagte er in Kiew. Zugleich nannte er den Ausgang der Wahl eine „harte Lehre“. Er habe „klar das Signal der Gesellschaft vernommen“. Er warnte vor Selenski, den er als Kandidaten Russlands bezeichnete.
Zwar hatte Selenski erklärt, sich einen Dialog zwischen Kiew und Moskau vorstellen zu können. Auch aus Moskau kamen entsprechende Signale. Doch betonte Selenski mehrfach, ein eigenständiger Kandidat zu sein. Er sagte, dass er sich von der alten politischen Elite in der Ukraine fernhalten wolle. „Wir wollen uns mit niemandem zusammentun und haben keine Verhandlungen dazu geführt“, sagte er.
Timoschenko ist aus dem Rennen
Der Machtkampf zwischen dem Komiker und dem „Schokozar“, wie Poroschenko wegen seines Süßwarenimperiums genannt wird, dürfte spannend werden. Beide Seiten werben um die Wähler der unterlegenen Lager. Poroschenkos erbitterte Gegnerin, die Ex-Regierungschefin Julia Timoschenko, landete laut den ersten Ergebnissen mit rund 13 Prozent der Stimmen auf dem dritten Platz.
Die rund 30 Millionen Wahlberechtigten konnten unter 39 Kandidaten wählen. So viele Bewerber gab es noch nie bei einer Abstimmung über den mächtigsten Posten in dem Land. Der Wahlsonntag verlief weitgehend ruhig. Vereinzelt gab es Vorwürfe der Manipulation. Die Wahlbeteiligung lag bei rund 63 Prozent - etwas mehr als 2014.
Die von Russland unterstützten abtrünnigen Regionen Donezk und Luhansk im Kriegsgebiet Donbass nahmen nicht an der Abstimmung teil. Die Sicherheitsvorkehrungen waren landesweit hoch. Zehntausende Einsatzkräfte waren abgestellt, um Zwischenfälle zu verhindern.
Die Wahl galt als großer Stimmungstest nach den proeuropäischen Protesten auf dem Maidan, dem Unabhängigkeitsplatz in Kiew, vor fünf Jahren. Der Aufstand, bei dem mehr als 100 Menschen starben, führte 2014 zum Machtwechsel. Damals hatte der superreiche Unternehmer Poroschenko nach dem Sturz von Präsident Viktor Janukowitsch im ersten Wahlgang mit rund 55 Prozent der Stimmen gewonnen. Viele Menschen werfen Poroschenko heute vor, den Krieg nicht beendet und mit seiner Politik die Armut noch verschärft zu haben. Rund 13.000 Menschen sind im Kriegsgebiet Donbass gestorben.
Poroschenko und Selenski hatten vorab auch erklärt, sie wollten die territoriale Unversehrtheit der Ukraine wiederherstellen. Neben den selbst ernannten Volksrepubliken Donezk und Luhansk wollen sie auch die von Russland einverleibte Schwarzmeer-Halbinsel Krim wieder unter ukrainische Hoheit stellen.
Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) überwachte die Wahl mit Hunderten Beobachtern. Die OSZE hatte sich im Vorfeld unter anderem besorgt wegen der Sicherheitslage auch für Journalisten gezeigt. Mehrere ausländische Korrespondenten durften nicht einreisen, darunter auch Reporter aus EU-Staaten. Russland hatte ein Einreiseverbot für seine Wahlbeobachter verurteilt. (dpa)