Thronrede der Queen: Selbstbewusst konservativ - und eine Kampfansage an die EU
Traditionell verliest die Queen die wichtigsten Vorhaben einer neuen Regierung zur Parlamentseröffnung. Diesmal trug die Rede einen deutlich konservativen Stempel. Und sie kündigte ein Referendum der Briten über die Mitgliedschaft in der EU an.
Die neue konservative britische Regierung hat die britische EU-Mitgliedschaft und das Gesetz für ein EU-Referendum vor Ende 2017 ins Zentrum ihres ersten Regierungsprogramms gestellt. „Meine Regierung wird die Beziehung des Vereinigten Königreichs mit der Europäischen Union neu verhandeln und Reformen der EU anstreben, die allen Mitgliedstaaten nutzen werden“, trug die Queen in ihrer 62. Thronrede am Mittwoch im Rahmen der zeremoniellen Parlamentseröffnung vor den im Oberhaus versammelten Parlamentariern vor. Traditionell verliest die Monarchin die wichtigsten Vorhaben einer neuen Regierung im Parlament.
Beobachter waren nicht sicher, wie viel Resonanz diese in selbstgewissem Tonfall vorgetragene Ankündigung der Queen in der Realität finden wird. Bei den europäischen Partnern ist die Skepsis groß. Die meisten schließen ein Aufschnüren des Grundlagenvertrags von Lissabon für britische Sonderwünsche aus, während Downing Street weiterhin darauf besteht, dass wahre Reformen eine Vertragsänderung zwingend notwendig machen.
97 Prozent der Briten glauben nach einer vom Euro-skeptischen „Daily Express“ veröffentlichten Umfrage nicht, dass Cameron bessere Mitgliedschaftsbedingungen aushandeln kann. „Camerons Verhandlungen werden scheitern“, sagte die Ukip-Spitzenpolitikerin Suzanne Evans voraus. Auch Euro-Skeptiker bei den Tories warnen vor erneuten „faulen Kompromissen“. Justizminister Michael Gove ist einer von mindestens einem Drittel der Regierungsmitglieder, die in der Vergangenheit ihre Bereitschaft bekundeten, notfalls für einen Austritt Großbritanniens aus der EU – einen „Brexit“ – zu stimmen. Gove warnte in einer Rede, dies sei eine „historische Chance“, bei der sich Großbritannien nicht noch einmal von Brüssel „überfahren und zu einem zögerlichen, erstickten, fügsamen Ja zwingen lassen“ dürfe.
Bereits angedeutet wurde, wie die Frage im Referendum lautet: „Soll Großbritannien Mitglied der Europäischen Union bleiben?“ Die Formulierung nützt der proeuropäischen Seite, die in einer positiv besetzten Kampagne für das attraktivere „Ja“ werben kann.
Premierminister David Cameron bekräftigte mehrfach seinen Wunsch, nach dem erfolgreichen Abschluss von Verhandlungen den Verbleib der Briten in der EU zu empfehlen und demnach die „Ja“-Kampagne selbst anzuführen. Andererseits sagte er mit Blick auf die Verhandlungen auch, er könne „nichts ausschließen“. Letztlich wird seine Empfehlung vom Ergebnis der Verhandlungen abhängen, für die nach britischem Wunsch der Startschuss auf dem EU-Gipfel im Juni gegeben werden soll. Zuvor will Cameron in einer diplomatischen Charmeoffensive mit allen 27 EU-Partnern sprechen, um seinen Verhandlungsspielraum auszuloten. Am Freitag ist er in Berlin.
Die Thronrede war die erste Regierungserklärung einer rein konservativen Regierung seit 18 Jahren, und Cameron stellte sicher, dass das Regierungsprogramm nicht nur in der Europafrage einen deutlich konservativen Stempel trägt.
Zwar hat die Regierung nur eine knappe Mehrheit von zwölf Stimmen im Unterhaus und ist, nicht zuletzt in der Europafrage, zwischen rebellisch gestimmten Hinterbänklern und einem von der Opposition kontrollierten Oberhaus eingezwängt. Trotzdem packt Cameron nun mit Volldampf Reformen an, die ihm durch Koalitionskompromisse in den vergangenen fünf Jahren verwehrt waren.
Dazu gehören an erster Stelle straffe Sparmaßnahmen und Kürzungen, auch bei Sozialhilfeleistungen, „damit Großbritannien innerhalb seiner Mittel leben kann“, wie es in der Thronrede heißt. Teilweise kühne Wahlversprechen sollen schnell umgesetzt werden, bei der Kinderbetreuung, Hilfen zum Wohnungskauf, Gemeinden sollen ein Veto gegen den Bau von Windparks erhalten, die Abschiebung von illegalen Zuwanderern soll beschleunigt und ihre Löhne sollen beschlagnahmt werden. Die Regierung will die Gewerkschaften weiter an die Zügel nehmen und die nötigen Quoten bei Streik-Urabstimmungen erhöhen. Auch die von den einstigen Koalitionspartnern gestoppte sogenannte „Schnüffelcharta“, die Geheimdiensten mehr Datenzugriffe für die Jagd auf Terroristen gibt, ist in das Gesetzgebungsprogramm zurückgekehrt.
Zwei wichtige Verfassungsvorhaben stehen neben dem EU-Referendum auf dem Programm: weitgehende Selbstbestimmungsrechte für Schottland und der Ersatz des Menschenrechtsgesetzes durch eine „Britische Bill of Rights“. Hier aber machte Cameron einen ersten taktischen Rückzieher: Er wolle nur „Vorschläge“ unterbreiten. Es geht darum, den Einfluss des Straßburger Menschenrechtsgerichts zu bremsen und „die Souveränität der britischen Gerichte wiederherzustellen“, wie Arbeitsministerin Priti Patel formulierte. Der Plan ist auch in der konservativen Partei umstritten – und angesichts seiner vielen Vorhaben will ihn Cameron erst einmal auf die lange Bank schieben.
Matthias Thibaut