Rücknahmeabkommen mit Italien: Seehofers Flüchtlingsdeal steht unter keinem guten Stern
Deutschland will Flüchtlinge nach Italien zurückschicken. Die UN will die Menschenrechtslage in dem Land überprüfen.
Sie haben sich geeinigt. Das sagte Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) am Donnerstag in Berlin. Er habe sich mit seinem italienischen Amtskollegen Matteo Salvini über ein Rücknahmeabkommen für Flüchtlinge verständigt. „Es fehlen jetzt nur noch die zwei Unterschriften von dem italienischen Kollegen und von mir“, sagte Seehofer vor dem Bundestag.
Salvini: "keinen Migranten mehr" als bisher
Salvini will aber offenbar noch warten, bevor er den Vertrag unterschreibt. Nach Angaben der Deutschen Presse-Agentur hat er sich am Freitag am Rande einer Migrationskonferenz in Wien mit Stephan Mayer (CSU) getroffen, dem parlamentarischen Staatssekretär im Bundesinnenministerium. Anscheinend gibt es noch Klärungsbedarf, was das Rücknahmeabkommen angeht.
Der Vertrag soll es Deutschland ermöglichen, Flüchtlinge nach Italien zurückzuschicken, wenn diese dort bereits einen Asylantrag gestellt haben. Überprüft wird das über die europäische Fingerabdruck-Datenbank Eurodac.
Im Gegenzug soll es einen "ein Ausgleichsmechanismus" geben, sagte Eleonore Petermann, Sprecherin des Bundesinnenministeriums. "Das heißt für jeden Zurückgewiesenen wird Deutschland sich verpflichten einen Migranten aus der Seenotrettung aufzunehmen". Darauf hatte Salvini in den Verhandlungen bestanden. Die Voraussetzung für ein Abkommen mit Berlin sei, dass sein Land "keinen Migranten mehr" als bisher aufnehmen müsse, hatte der Politiker der rechten Lega Nord gefordert. Nach Angaben des italienischen Innenministeriums haben alleine 2017 mehr als 130.000 Menschen in Italien Schutz beantragt.
Scharfe Kritik an Flüchtlingspolitik
Unterm Strich werden zukünftig also nicht weniger Flüchtlinge aus Italien nach Deutschland kommen als bisher. Seehofer kann das Abkommen mit Rom dennoch als Erfolg verbuchen. Die Bunderegierung kommt damit der Umsetzung ihres vor gut zwei Monaten ausgehandelten „Asylkompromisses“ ein weiteres Stück näher.
Im Sommer hatten sich die Unionsparteien heftig über die deutsche Grenzpolitik gestritten. Seehofer hatte ursprünglich eine Zurückweisung direkt an der deutsch-österreichischen Grenze gefordert. Anfang Juli einigte sich die große Koalition schließlich darauf, Flüchtlinge spätestens 48 Stunden nach ihrer Einreise auszuweisen, wenn sie schon in einem anderen europäischen Land einen Asylantrag gestellt haben. Die Voraussetzung dafür ist, dass der betreffende EU-Staat die Flüchtlinge aufnimmt. Mit Spanien und Griechenland gibt es bereits solche Rücknahmeabkommen. Nun also auch mit Italien.
Allerdings steht der Deal mit Italien unter keinem guten Stern. Denn seit Montag zweifelt die UN offiziell, ob Italien die Einhaltung der Menschenrechte einhält. Nur wenige Tage vor der Einigung mit Berlin verwickelte sich die Regierung in Rom in einen heftigen Streit mit der UN-Menschenrechtskommissarin Michelle Bachelet. Die hatte die italienische Regierung scharf für ihre Weigerung kritisiert, Rettungsschiffen von Nicht-Regierungsorganisationen das Einlaufen in italienische Häfen zu erlauben.
Bachelet: Rassismus in Italien nimmt zu
„Diese politische Haltung und andere jüngere Entwicklungen haben verheerende Auswirkungen auf die auf viele ohnehin schutzbedürftige Menschen“, sagte Bachelet am Montag in Genf. Sie beklagte eine Zunahme an Rassismus gegenüber Migranten, Afrikanern sowie Angehörigen der Roma-Minderheit im Land. Es gebe eine „alarmierende Eskalation von Angriffen“ auf diese Gruppen.
Um die Gewalt zu untersuchen, werde die UN eine Prüfungskommission nach Italien schicken, kündigte die Hochkommissarin an, die acht Jahre lang Präsidentin von Chile war und als Dissidentin unter dem Pinochet-Regime selbst Opfer von Folter geworden war.
Die Reaktion aus Rom auf Bachelets Kritik folgte prompt. Innenminister Salvini – eigentlich nicht für Außenpolitik zuständig – polterte los. Italien überweise jährlich 100 Millionen Euro an die UN, für die „Finanzierung von Verschwendung, Veruntreuung und Diebstahl“, wie Salvini schimpfte. Sein Land sollte die Zahlungen künftig beschneiden, forderte er.
"Wir akzeptieren keine Belehrungen"
„Unser Land hat in den vergangenen Jahren 700.000 Immigranten aufgenommen, viele davon Illegale, und kein EU-Staat hat uns geholfen“, schrieb Salvini auf Twitter. „Wir akzeptieren deshalb keine Belehrungen von irgendjemanden, schon gar nicht von der UN.“