Asylkompromiss: Was vom Unionsstreit übrig bleibt
Diese dreiwöchige Fehde in der Union wird Folgen haben. Die Erkenntnis: Weder die deutsche Regierung noch die EU können Verlässlichkeit in die Asylpolitik bringen. Ein Kommentar.
Was am Ende bleibt, ist beschämend wenig und zugleich beängstigend viel. Denn es wird Folgen haben für dieses Land. Für das Vertrauen der Menschen in die Politik und ihre Instanzen. Für die Stabilität des Parteiensystems. Und auch für die Kultur der Auseinandersetzung. Denn was am Ende bleibt, ist auch eine Ahnung davon, wie in Zukunft in Deutschland Politik gemacht werden kann. Mit Stimmungen und Ängsten und ohne Rücksicht auf die Integrität von Institutionen. Mit Ultimaten, Drohungen, Erpressungen und persönlichen Verunglimpfungen.
Drei Wochen lang haben sich CDU und CSU, haben sich Angela Merkel und Horst Seehofer, in aller Offenheit befehdet. Er stellt ihre Autorität infrage, sie lässt ihn gewähren. Und nur der Besonnenheit einiger Sozialdemokraten ist es zu verdanken, dass die Koalition nicht zerbrochen ist, gut hundert Tage nach ihrem Beginn. Wie dieses Bündnis die Kraft aufbringen will, all die Probleme anzugehen, die identifiziert sind, im Koalitionsvertrag beschrieben wurden und nun gelöst werden müssen, ist ein Rätsel. Und nur ein schwacher Trost, dass die SPD den beiden anderen wenigstens das längst notwendige Einwanderungsgesetz abgetrotzt hat. Denn im Koalitionsvertrag steht es ja und man sollte meinen, dass der gilt. Aber was gilt schon noch in diesem Bündnis?
Was am Ende bleibt, ist zunächst einmal die Erkenntnis, dass weder die deutsche Regierung noch die Europäische Union in der Lage sind, in die Asylpolitik Ordnung und Verlässlichkeit einziehen zu lassen. Statt gemeinsamer Regeln nun binationale Abkommen; lauter kleine Dublin-Verfahren zur Verteilung der Flüchtlinge und eine weitere Entsolidarisierung der EU, nachdem jetzt auch Deutschland gezeigt hat, dass Alleingänge und Abschottung der eigenen Grenzen keine Tabus mehr sind. Wobei selbst das nur Fiktionen sind. Denn nur ein paar hundert Menschen werden im besten Fall an der bayerischen Grenze zurückgewiesen, ein paar tausend vielleicht im Grenzgebiet aufgegriffen und ein Schnellverfahren erhalten. Alles unter dem Vorbehalt, dass Italien, Spanien oder Griechenland überhaupt mitmachen. Lächerlich ist da die Behauptung von einer „Asylwende“, die den noch immer gefühlten Kontrollverlust über die Einreise ins Land beenden soll. Und gefährlich ist sie obendrein, weil sie die Lösung für ein Problem suggeriert, die es in Wahrheit gar nicht geben wird. So zerstört man das ohnehin angeknackste Vertrauen der Menschen in den Willen und die Fähigkeit der Politik zur Problembehebung immer weiter.
Was am Ende auch bleibt, ist eine beschädigte Kanzlerin und ein Innenminister, der sich jedes Zutrauens in seine eigene Integrität und Führungskraft beraubt hat. Nie zuvor wurde Angela Merkels Schwäche, ihr fehlender Rückhalt in der Union, derart offenbar wie in den vergangenen Wochen. Nur die blanke Angst vor dem Untergang hat dazu geführt, dass sich die Christdemokraten im Widerstand gegen die CSU hinter ihre Vorsitzende stellten. Und jederzeit kann der Konflikt wieder ausbrechen. Am Abgrund hat Wolfgang Schäuble das Bündnis der Unionsparteien schon gesehen und vor dem Bruch gewarnt. Weil er ahnt, dass dies die CDU zerreißen und die CSU radikalisieren wird. Und der politische Gewinn? Der wird am Ende wohl bei den rechten Populisten bleiben.