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Horst Seehofer (CSU), Bundesminister für Inneres
© Bernd von Jutrczenka/dpa

Flüchtlingsprogramme von Berlin und Thüringen: Seehofer sagte im Alleingang Nein zur Flüchtlingsaufnahme

Der Innenminister hat Berlin und Thüringen die Aufnahme zusätzlicher Geflüchteter verboten. Ohne die heikle Frage im Kabinett zu besprechen.

Das Bundesinnenministerium hat sein Verbot des Berliner Flüchtlingsaufnahmeprogramms nicht im Kabinett abgestimmt. „Die Erteilung des Einvernehmens“, so heißt es in der Antwort des Ministeriums an die Berliner Bundestagsabgeordnete Petra Pau (Linke), die dem Tagesspiegel vorliegt,  liege „in der alleinigen Ressortverantwortung“ des Innenressorts. „Eine Abstimmung der in dem Schreiben von Bundesinnenminister Horst Seehofer vom 8. Juli 2020 dargelegten Haltung des BMI mit anderen Ressorts ist deshalb nicht erfolgt.“

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Der rot-rot-grüne Senat wollte 300 besonders verletzliche Menschen aus den Elendslagern auf den griechischen Ägäis-Inseln nach Berlin holen, vor allem Kinder und Jugendliche ohne Begleitung, Kranke und Traumatisierte. Der Senat hatte  Innenminister Horst Seehofer (CSU) deswegen Mitte Juni um seine Zustimmung dazu gebeten.

Nach Paragraf 23, Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes können Länder solche humanitären Programme beschließen; sie müssen aber das BMI um sein Einvernehmen bitten. Das hat es auch in früheren Fällen erteilt, diesmal aber nicht. Auch eine Bitte von Thüringen, das 500 Menschen aufnehmen wollte, hat Seehofer inzwischen in einem Brief an die Landesregierung in Erfurt abgelehnt.

Seehofer: Flüchtlinge sind Innenpolitik

Dass Seehofer sein Nein nicht im Kabinett diskutiert hat, ist insofern erstaunlich, als die Frage politisch heikel ist. Die Zustände besonders im Lager Moria auf Lesbos sind seit langem Gegenstand heftiger Kontroversen; dass die EU sie nicht evakuiert, wird bis in die Kirchen hinein und in Teilen von CDU und CSU massiv kritisiert.

Kürzlich besuchte auch Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet Moria. NRW-Integrationsminister Joachim Stamp (FDP) regte anschließend eine Eilsitzung der Innenminister von Bund und Ländern an. Sollte Düsseldorf ebenfalls ein Landesaufnahmeprogramm beschließen, stünde Seehofer in Gefahr, ein weiteres Nein auszusprechen – und zum ersten Mal gegen die Absichten einer christdemokratisch geführten Landesregierung.

Geschafft? Eine Afghanin und ihr Kind auf einem Platz in Athen. Sie erhielten Asyl und konnten die Inseln verlassen - allerdings ohne weitere Hilfe.
Geschafft? Eine Afghanin und ihr Kind auf einem Platz in Athen. Sie erhielten Asyl und konnten die Inseln verlassen - allerdings ohne weitere Hilfe.
© Louisa Gouliamaki/AFP

Die Antwort des Innenministeriums auf Petra Paus Frage enthält auch Informationen zur Rechtsgrundlage, die Seehofers Haus für sein Nein bemüht. Das BMI wiederholt einerseits seine Auffassung, dass ein Nebeneinander einzelner Landesprogramme und des Aufnahmeprogramms, das die Innenministerkonferenz beschlossen hat, nicht sein könne, weil "für denselben Personenkreis die Aufnahme in Deutschland aufgrund zweier verschiedener Rechtsgrundlagen und mit zwei verschiedenen Rechtsfolgen erfolge“.

Andererseits stellt das Seehofer-Ministerium in seiner Antwort an Pau auch fest, dass es die Frage allein für seine Sache hält:  Erwähnt wird zwar auch „europapolitische Relevanz".

Aber: „Die Ermöglichung und Gestaltung von Zuwanderung, mithin auch die Aufenthaltsgewährung aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen im Sinne der §§ 22 ff. AufenthG ist Aufgabe und Gegenstand deutscher Innenpolitik“, heißt es im Schreiben.

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Das könnte im Blick auf eine Klage Berlins und Thüringens bedeutsam werden, mit dem sie ihr im Aufenthaltsgesetz verankertes Aufnahmerecht durchsetzen könnten - Außenpolitik fiele anders, als Innenpolitik, klar nicht in ihre Zuständigkeit.

Beide Länder haben sich aber wegen Differenzen in ihren jeweiligen Koalitionen - die Koalitionspartnerin SPD war in beiden Ländern schon gegen die Programme - darüber noch nicht festgelegt.

 Berliner Abgeordnete: Humanitäre Programme nicht nur Seehofers Sache

Die Linkenpolitikerin Pau kritisierte dem Tagesspiegel gegenüber, dass Seehofer sein Nein nicht am Kabinettstisch abgesprochen hat: "Wenn die Bundesregierung einzelnen Ländern verbietet, humanitär zu handeln, obwohl das dringend geboten und rechtlich vorgesehen ist, dann geht es nicht nur um die Einzelmeinung des zuständigen Ministers. Ich verlange, dass sich die Bundesregierung insgesamt dazu erklärt, warum sie aufnahmebereite Bundesländer brüskiert, statt sie für ihr Engagement zu loben und zu unterstützen."

Berlin und Thüringen forderte sie auf zu klagen: "Wenn Seehofer im Alleingang die gesetzlich bestehende Aufnahmekompetenz der Länder missachtet, muss das zur Not gerichtlich geklärt werden. Gehandelt werden muss aber sofort, die verzweifelten Menschen in Mora können nicht auf eine Gerichtsentscheidung ferner Zukunft warten."

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